Datensicherheits-Bewusstsein noch stark unterentwickelt
Ein Bewusstsein dafür, welche Spuren man als Nutzer online hinterlässt, habe sich in Österreich eher noch nicht entwickelt. So schätzt jedenfalls der Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT), Bernhard Jungwirth, die aktuelle Lage im Gespräch mit APA-Science ein. Die digitalen Tore, durch die auch persönliche Informationen nach außen dringen, würden mittlerweile zwar sichtbarer, was dort an Daten aber durchspaziert, bleibe meist verborgen. Das stört zwar längst nicht jeden - hinterlässt in vielen Teilen der Bevölkerung allerdings ein mulmiges Gefühl.
Neben angewandter Forschung rund um das Internet, ist das ÖIAT als Teil des mittelständischen Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR) unter anderem auch im Bereich der Beratung rund um das Thema Internet engagiert. Von Privatpersonen bis Unternehmen wüssten viele, "dass da irgendetwas mit Daten ist, aber das im Detail zu verstehen ist fast unmöglich - selbst für Experten", sagte Jungwirth.
Der Prozess einer breiteren Bewusstseinsbildung stecke gewissermaßen noch in den Kinderschuhen - ein "diffuses Gefühl" dazu sei aber bemerkbar. Angesichts der weitgehend unüberblickbaren Gesamtsituation hätten momentan Fehleinschätzungen zwischen übertriebener Panik und Sorglosigkeit Hochkonjunktur unter den Nutzern der neuen Technologien, so der Experte.
Wenn Apps "nach Hause telefonieren" und User resignieren
Welche Daten etwa Smartphone-Apps "nach Hause telefonieren" sei laut Jungwirth weitgehend unklar. Am ehesten wüssten noch jüngere Menschen "relativ genau Bescheid, was da passiert. Sie haben aber einen ganz anderen Zugang dazu. Viele sagen nämlich: 'Es ist mir vollkommen egal'", erklärte Thorsten Behrens, Projektleiter am ÖIAT.
Hier gelte es allerdings zwei Gruppen zu unterscheiden: Nämlich jene jungen Leute, denen tatsächlich egal ist, welche Informationen ein Programm weitergibt und jene Gruppe, die mehr oder weniger schlecht damit lebt, weil sie das Service, dass eine App bietet, unbedingt nutzen möchte. "Die haben ein wenig resigniert davor", so Behrens.
Bei älteren Personen zeichne sich keine so eindeutige Typologie ab. Gestiegen sei die Skepsis in den vergangenen Jahren aber eher nicht. Sonst hätte sich der Zustrom zu Facebook und Co. in dieser Altersgruppe seit den Snowden-Enthüllungen nicht noch verstärkt.
Ich, die Wirtschaft und der Staat
In der Auseinandersetzung mit Datensicherheit gilt es für Jungwirth drei Ebenen zu unterscheiden: Die erste betrifft Daten, die User etwa in Sozialen Netzwerken selbst aktiv preisgeben. Auf der zweiten Ebene geht es um Daten, die für Unternehmen mit handfesten wirtschaftlichen Interessen von Bedeutung sein können, wie etwa eine Liste der Online-Suchanfragen eines Users. Und zuletzt komme noch die staatliche Ebene dazu - sprich, alles, was etwa Geheimdienste interessieren könnte (Stichwort: Vorratsdatenspeicherung).
Jungwirth: "Je nachdem, wo wir uns befinden, muss auch die Diskussion punkto Datenschutz ein wenig anders sein." Auf der ersten Ebene kann der Einzelne einiges beeinflussen, während es auf letzterer eigentlich nur den Weg des Meidens aller vernetzter Geräte bleibt.
Daten-Goldgräber manchmal noch planlos
Im wirtschaftlichen Bereich gelte zwar momentan die Devise: "Daten sind das neue Gold." Was sich aus diesem neuen Rohmaterial aber konkret machen lässt, sei vielen Firmen noch nicht vollends klar. Auf diesem Gebiet tue sich zwar momentan sehr viel, es gebe aber auch noch zahlreiche Limitierungen - so etwa im Bereich des "Dynamic-" oder sogar "Personalized Prizing", wie eine ÖIAT-Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) gezeigt hat.
Gerade die momentan noch fehlenden Antworten darauf, was im Zuge von "Big Data" oder "Smart Data" tatsächlich mit der unglaublichen Masse an Information passiert, mache einen großen Teil der Unsicherheit aus, zeigte sich Behrens überzeugt. Verschneidet man etwa vorhandene Gesundheitsdaten einer Person "sinnvoll" miteinander, errechnet auf Basis dessen ein individuelles Risikoprofil für Erkrankungen aller Art und knüpft den Preis für eine Versicherungsprämie daran, könne das für viele Menschen Probleme mit sich bringen. Behrens: "Wo da auch die gesetzliche Reise hingeht, ist noch nicht klar."
"Privacy by Design" als Chance
In diesem Spannungsfeld zwischen Technologieentwicklung, -nutzung und Datenschutzfragen ergeben sich laut Jungwirth immer wieder aufs Neue Fragen, die nicht so einfach zu lösen sind. Es zeichne sich aber ab, dass Verstöße gegen wie auch immer geartete Richtlinien in Zukunft stärker sanktioniert werden. Ein wichtiger neuer Punkt sei das stärkere Einbeziehen von Datenschutzüberlegungen im Design-Prozess - das Buzzwort dazu lautet "Privacy by Design". "Das könnte für Europa auch aus unternehmerischer Sicht eine Chance sein", zeigte sich der ÖIAT-Geschäftsführer überzeugt. Generell wünscht sich Jungwirth einen "Digitalisierungsschub" in Österreich, in dessen Rahmen auch verstärkt über die verantwortungsvolle Nutzung digitaler Medien nachgedacht wird. Davon würde auch der Wirtschaftsstandort stark profitieren, so der Experte.
Service: Das ÖIAT bietet als Koordinator der Website www.saferinternet.at Informationen zum Thema Internet und Datensicherheit an. Den Internet-Ombudsmann hat das Institut als Schlichtungsstelle bei Streitfällen im Bereich Online-Handel eingerichtet: www.ombudsmann.at
Von Nikolaus Täuber/APA-Science
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