Impfungen schützen vor unwirksamen Antibiotika
Antibiotika-Resistenzen fordern laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich zwischen 1,27 und fünf Millionen Tote. Ein wichtiges Gegenmittel sind Impfungen. Dies erklärte die Wiener Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt aus Anlass des Österreichischen Impftages, der am Samstag in Wien stattfand.
Die Expertin, Leiterin des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien und Organisatorin der traditionsreichen Fortbildungstagung für Ärzte und Apotheker, verwies auf die enorme Gefahr durch unwirksam werdende Medikamente gegen Infektionen. "Antimikrobiobielle Resistenz (Antibiotika-Resistenz; Anm.) wurde von der WHO unter den größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit und Entwicklung auf dem fünften Platz gereiht." Laut WHO bestehe ganz einfach die Gefahr, dass so häufige Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Tuberkulose, Gonorrhoe oder Salmonellosen nicht mehr einfach behandelt werden könnten.
Auf der anderen Seite seien beispielsweise in den Jahren 2010 und 2020 jeweils nur ein Drittel der Zahl neuer Antibiotika zugelassen worden wie beispielsweise in den Jahren 1950 und 1960. "Impfungen haben direkten und indirekten Einfluss auf Antibiotika-Resistenzen", führte Ursula Wiedermann-Schmidt aus.
Weniger Erkrankungen, weniger Antibiotika-Verschreibungen
Eine direkte Auswirkung breiten Impfschutzes durch Zurückdrängung bakterieller Infektionen besteht bei Pneumokokken (Lungenentzündung, Mittelohrentzündung), Hämophilus Influenza und Keuchhusten.
Weniger Erkrankungen bedeuten auch weniger Antibiotika-Verschreibungen und weniger Chancen für die ursächlich beteiligten Keime, durch die Medikamente nicht mehr angreifbar zu werden. Ein sekundärer Effekt, zum Beispiel durch die Influenza-Impfung: Es kommt laut der Expertin auch zu weniger Folgeinfektionen - zum Beispiel Lungenentzündungen. Das gelte neben der Influenza-Impfung auch für die Masern-Mumps-Röteln- und für die Rotavirus-Impfung.
Ein klassisches Beispiel einer Impfung, welche Antibiotika-Resistenzen reduziert, ist jene gegen Pneumokokken. Sie schützt speziell Kinder und ältere Menschen vor diesen potenziell lebensgefährlichen Infektionen. In Ländern und Regionen, wo beispielsweise ab 2010 mit einer Pneumokokken-Vakzine gegen 13 Serotypen der Erreger breit eingesetzt wurde, sank die Häufigkeit des Auftretens von Resistenzen gegen die am häufigsten verwendeten Antibiotika drastisch: Es waren minus 83 Prozent bei Penicillin, minus 81 Prozent beim alten Antibiotikum Tetrazyklin, minus 81 Prozent bei den sogenannten Cephalosporinen und minus 63 Prozent bei den Makrolid-Antibiotika. Eine ähnliche Beobachtung machte man auch bei Hämophilus Influenzae b: Die Impfung von Säuglingen - in Österreich in der kostenlosen Sechsfach-Impfung im Kinderimpfprogramm enthalten - führte fast zu einem Verschwinden resistenter Erregerstämme.
Vakzine müssen angepasst werden
Doch auch die Vakzine müssen immer wieder angepasst werden. So ist es in Österreich in unserer Vergangenheit zu einem Anstieg invasiver Pneumokokkenerkrankungen durch Nicht-Vakzine-Erregertypen gekommen, wie die Expertin erklärte. "Auch verbesserte Keuchhusten-Impfstoffe sind notwendig."
Ganz besonders wichtig wären neue Vakzine gegen die Tuberkulose. Im Jahr 2022 infizierten sich weltweit rund zehn Millionen Menschen mit TBC. 1,3 Millionen TBC-Kranke starben. Nicht erfolgende, zu kurze oder schlechte medikamentöse Therapien haben weltweit zu einem Anstieg der resistenten und multiresistenten Erkrankungen geführt. Erst vor kurzem hat eine Schweizer Studie ergeben, dass es nur zwei Jahre nach der Etablierung einer wirksamen und leichter durchführbaren Kombi-Therapie durch die WHO bereits erste Anzeichen vom Aufkommen von Resistenzen gibt.
Mehrere Vakzine in klinischer Erprobung
Ein Hoffnungsschimmer, so die Wiener Expertin: Derzeit befinden sich in verschiedenen Ländern - speziell aber in Indien mit seiner hohen Krankheitslast von TBC - insgesamt sieben Tuberkulose-Vakzine in klinischer Erprobung der Phase III auf Wirksamkeit und Sicherheit. Das ist der letzte Schritt vor einem möglichen Zulassungsverfahren.
Ebenfalls bereits in einer klinischen Studie der Phase-III befindet sich ein Impfstoffkandidat gegen E. coli-Infektionen. "Diese Keime sind die führende Todesursache unter Antibiotika-resistenten Bakterien und besonders häufige resistente Krankenhauskeime", führte Ursula Wiedermann-Schmidt an. Gearbeitet wird auch an Vakzinen gegen Clostridium difficile-Erkrankungen bzw. Infektionen. Sie bedrohen speziell betagte Menschen und Personen mit Mehrfacherkrankungen.
Das Ziel, gegen Antibiotika resistente Keime erst gar nicht entstehen zu lassen bzw. im Fall des Falles wieder zurückzudrängen, kann aber nur durch eine ganze Palette an Maßnahmen erreicht werden. Ursächlich wirken Impfungen einfach durch das Reduzieren der Infektionen. Wichtig ist aber auch das Management des Medikamenteneinsatzes, so Ursula Wiedermann-Schmidt: "Trotz vorhandener Impfstoffe und positiver Impfstoffentwicklungen sollte der Einsatz von Antibiotika jeweils durch eine klare klinische Indikation (Verwendung richtig und nur dann, wenn angebracht; Anm.) optimiert werden."