"Recycling von Hightech-Rohstoffen in Österreich?"
Rohstoffe sind für die produzierende Industrie ein Lebensnerv. Bei den Energieträgern drang die Abhängigkeit Europas seit den Ölkrisen der 1970er Jahre auch in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Industrie wurde hingegen, hauptsächlich aufgrund stabiler und niedriger Preise vernachlässigt, die Minenproduktion konzentrierte sich in der Folge auf wenige Länder. Daraus resultierte eine gefährliche Importabhängigkeit, die bereits im Jahr 2000 durch explodierende Preise für das Technologiemetall Tantal sichtbar wurde, 10 Jahre später wiederholte sich die Volatilität der Preise bei Seltenen Erden, die ebenfalls in zahlreichen Technologieanwendungen eingesetzt werden.
Im Jahr 2010 erschien ein Bericht einer Arbeitsgruppe der EU zu kritischen Rohstoffen (Ad-hoc Working Group 2010), in der die Kritikalität ausgewählter Rohstoffe genauer definiert und untersucht wurde. 14 wurden dabei als bezüglich der Versorgungssicherheit als kritisch eingestuft, u.a. Seltene Erden, Platingruppenmetalle, Tantal, Niob, Germanium und andere. Diese Reihung gilt im Wesentlichen auch für Österreich.
Weniger bekannt ist die Rolle der österreichischen Industrie in der Verarbeitung derartiger Hightech-Rohstoffe. Die österreichische Industrie ist in die Aufbereitung und Verarbeitung zahlreicher als kritisch eingestufter Rohstoffe involviert. Beispielsweise ist ein österreichisches Unternehmen einer der größten Wolframproduzenten weltweit. Produktion im Inland ist allerdings die Ausnahme und Importe überwiegen bei fast allen Technologiemetallen, beispielsweise ist Österreich bei Seltenen Erden nach Frankreich der zweitgrößte Importeur innerhalb der EU.
Die Importabhängigkeit bei vielen Rohstoffen kann zu einem Versorgungsproblem der österreichischen Wirtschaft führen. Die Suche nach Alternativen, wie die Substitution durch Materialien, die ausreichend verfügbar sind, ist daher hochaktuell. Einen wichtigen Beitrag zur Versorgung kann auch die Rückgewinnung von Rohstoffen durch Recyclingverfahren leisten.
Kritische Rohstoffe werden in ausgesprochen vielfältigen Anwendungen eingesetzt. Typische Bereiche sind der Einsatz in der Elektronikindustrie, in Fahrzeuge und Anlagen, als Katalysatoren sowie als Legierungsbestandteil metallischer Produkte. Was die Identifikation von Recyclingpotenzialen schwierig macht ist der rasche Wechsel von Produktgenerationen mit teil stark unterschiedlichen Materialanforderungen. Beispielsweise waren in der Beleuchtungstechnik zunächst Glühlampen dominierend (erforderten Wolfram), sie wurden abgelöst von Leuchtstofflampen, unter anderem die als Energiesparlampen bekannten Kompaktleuchtstoffröhren (enthalten Seltene Erden), als zukünftige Technologie zeichnen sich LEDs ab (ebenfalls Seltene Erden, aber in deutlich geringeren Mengen). Auch der Ausbau der Windkraftnutzung führt zu einem steigenden Bedarf an Neodym, das als Material für Hochleistungsmagnete zu effizienterer Stromerzeugung beiträgt.
In Elektronikgeräten findet sich ein breites Spektrum von kritischen Rohstoffen, von Seltenen Erden im Leuchtstaub von TV-Geräten und Leuchtstoffröhren, Tantal als Kondensatormaterial bis zu Edelmetallen auf Leiterplatten und Kontakten. In Europa und auch in Österreich wurde die Technologie für das Recycling dieser Produkte deutlich weiterentwickelt, orientiert sich allerdings an den Hauptmassenströmen wie Stahl-, Aluminium- und Kupferschrott. Für eine weitere Verfeinerung zur Rückgewinnung kleiner Massenströme fehlt teils die notwendige Aufbereitungstechnologie, vor allem verhindern aber niedrige Marktpreise für die zurückgewonnenen Materialien eine Umsetzung.
Windkraftanlagen könnten für die Rückgewinnung interessant werden, da es sich um eine beschränkte Zahl von Anlagen handelt, die zum Teil große Neodym-Magneten enthalten. Allerdings ist erst in mittelfristiger Zukunft mit relevanten Mengen zu rechnen, die Nutzungsdauer derartiger Anlagen liegt bei 20 bis 30 Jahren. Es gibt auch keine Vorkehrungen zur Erfassung dieser Materialströme, wirtschaftliche Anreize sowie gesetzliche Vorgaben könnten hier unterstützend wirken. Bei den derzeit zur Verwertung anfallenden Fahrzeugen ist die Konzentration an kritischen Rohstoffen deutlich geringer als in der Elektronik, allerdings führt die Markteinführung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen zu einem verstärkten Einsatz von Hightech-Werkstoffen, beispielsweise für Batteriesysteme von Elektrofahrzeugen, der auch für die Rückgewinnung interessant werden kann.
Gleichzeitig ist heute die Recyclingrate der meisten dieser Rohstoffe gering (häufig < 1 Prozent), teils weil die Zielmaterialien in sehr geringen Konzentrationen vorliegen, teils weil aufgrund der Rohstoffpreise aufwendige Aufbereitungsprozesse derzeit nicht wirtschaftlich sind.
Das Identifizieren besserer Lösungen bringt eine Reihe von Forschungsfragen mit sich, die deutlich über rein technische Fragen der Recyclingtechnologien hinausgehen. Um weniger Ressourcen zu verbrauchen, muss die intensivere Nutzung von Produkten durch Leasing und durch Konzepte, die Produkte durch Dienstleistungen ersetzen umgesetzt werden, praktikable Geschäftsmodelle abseits der bereits etablierten Bereiche wie Fahrzeug- oder Kopiererleasing fehlen allerdings. Recycling besteht, genauer betrachtet aus einer Kette von Prozessen, von der Sammlung über Aufbereitung zu den endgültigen Verwertungsverfahren, jeder Verlust in dieser Kette multipliziert sich im Gesamtergebnis. Daher muss auch die Erfassung der zu verwertenden Produkte gesteigert werden. Mit welchen benutzerfreundlichen Sammelsystemen dies beispielsweise bei Elektroaltgeräten erreicht werden kann ist Gegenstand laufender Studien. Finanzielle Anreize für den Endverbraucher für die Rückgabe von Produkten nach ihrer Nutzung könnten ebenfalls zu einer höheren Sammelquote beitragen.
Bei den zu verwertenden Fahrzeugen ist das Problem anders gelagert, deutlich mehr als die Hälfte der Fahrzeuge geht nach ihrer Nutzung durch Exporte ins Ausland verloren, überwiegend in Regionen mit fehlenden Verwertungsstrukturen wie Nordafrika oder Zentralasien.
Informationsasymmetrie zwischen Produzenten und Recyclingunternehmen über Aufbau und Inhaltsstoffe neuer Produktgenerationen erschwert die Verwertung. Verwertungsbetriebe haben in der Regel keinen Zugang zu Materialinformationen der Hersteller, wertvolle Bauteile gehen dadurch im Aufbereitungsprozess verlosen, überdies können dadurch Schadstoffe freigesetzt werden. Abhilfe könnten hier Demontageinformationen liefern, mit deren Hilfe bei der Verwertung die relevanten Rohstoffe in einem Produkt identifiziert und gezielt ausgebaut werden können.
Auch in der Recyclingtechnologie ist Weiterentwicklung notwendig. Darüber hinaus sollte es eine EU-weite Abstimmung der Behandlungskapazitäten geben, da für viele kleine Mengenströme parallel arbeitende Anlagen in mehreren Ländern wirtschaftlich kontraproduktiv sind.