"Warum der Hightech-Fortschritt unbedingt im Kreislauf geführt werden muss..."
...oder wieso es ohne weiterentwickelte Produkte, veränderten Konsum und der Einführung einer wirklichen Kreislaufwirtschaft keine nachhaltige Zukunft geben kann.
Erbium, Yttrium, Neodym, Europium: Auch wenn ihre Namen für viele Menschen noch exotisch klingen mögen, eines ist sicher: Ohne die insgesamt 17 chemischen Elemente der Gruppe der Seltenen Erden wäre unser modernes Leben, wie wir es kennen, einfach nicht möglich. Seltene Erden werden beispielsweise bei der Herstellung von Konsumgütern wie Computern, Plasma-Bildschirmen, Mobiltelefonen, Lautsprechern, Festplatten und Energiesparlampen eingesetzt. Aber auch bei der Herstellung von grünen Technologien wie Windkraftanlagen und Elektroautos sind sie unverzichtbar. Da der Abbau von Seltenen Erden problematisch ist, sollte die Sekundärgewinnung dieser wichtigen Zukunftsrohstoffe im Fokus der europäischen Bemühungen stehen. Allerdings wird es auch damit nicht getan sein, denn gerade bei Konsumartikeln wie Handy oder PC muss es zu einer anderen Art der Herstellung und Nutzung kommen.
Der Abbau dieser Stoffe ist aufwendig - zur Gewinnung der Seltenen Erden werden diese Verbindungen hoch erhitzt und mit Salz- und Schwefelsäure sowie anderen aggressiven Chemikalien getrennt; darüber hinaus kommen Seltene Erden meist in Verbindung mit radioaktiven Stoffen vor. Beim Abbau von Seltenen Erden fallen daher große Mengen an giftigen Abfällen wie Uran, Thorium, Schwermetallen, Fluoriden oder Säuren an, die in sogenannten Auffangbecken gelagert werden. China produziert derzeit ungefähr 95 Prozent der Seltenen Erden weltweit, rund zwei Drittel davon stammen aus der Stadt Baotou in der inneren Mongolei. Das Auffangbecken dieser Mine ist so groß, dass man es auf Satellitenaufnahmen aus dem All sehen kann. Da dieses Becken noch dazu undicht sein soll, dürfte seit mittlerweile 20 Jahren giftiges Material aus dem Becken sickern und das Trinkwasser der Region schwer verunreinigen.
Um die Umwelt zu schonen und auch um die Export-Abhängigkeit Europas zu verringern wäre es naheliegend, Seltene Erden zu recyceln. Das ist allerdings nicht so einfach - die Verfahren sind technisch aufwendig, teuer und es besteht auch noch Entwicklungsbedarf. Daher werden je nach Gerät und Rohstoff derzeit sehr unterschiedliche Mengen recycelt und insgesamt leider nur ein sehr geringer Teil. Eine weitere Herausforderung neben den bereits genannten ist auch die der Gerätesammlung - so werden allein aus Europa geschätzte 8 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr illegal nach China exportiert.
Aber auch in Afrika landen Unmengen alter IT-Geräte, die eigentlich fachgerecht in Europa recycelt werden sollten, wo zumindest die theoretische Möglichkeit des Recyclings Seltener Erden bestünde. Oft werden die Produkte als funktionstüchtige Second-Hand-Ware beim Zoll deklariert, was oft nur als Deckmantel zur Entsorgung defekter Geräte fungiert. Oder der Export läuft ganz einfach illegal. Vor Ort werden die Geräte meist unter freiem Himmel, ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen für die ArbeiterInnen oder Umweltauflagen, zerlegt und wertvolle Bestandteile wie Kupfer händisch entnommen. Die Kunststoffteile werden verbrannt und es entstehen giftige Dämpfe. Das Einatmen dieser Dämpfe sowie das Berühren der Materialien bei der Sammel-Arbeit haben schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie Hautkrankheiten, offene Wunden oder Atemwegserkrankungen. Weiters werden aus dem Elektromüll und deren Asche Giftstoffe wie Dioxin ausgeschwemmt, welche ins Grundwasser gelangen. Gerade in Ghana sind es oft Kinder, die dieser extrem gesundheitsschädlichen Tätigkeit nachgehen müssen.
Weltweit stellt Elektroschrott ein gravierendes Problem dar: Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass die Elektronikindustrie weltweit jährlich 41 Millionen Tonnen E-Schrott erzeugt. Da diese Industrie eine der weltweit größten und am schnellsten wachsenden ist, wird angenommen, dass 2017 sogar schon 50 Millionen Tonnen Elektroschrott weltweit produziert werden wird. Dieser Entwicklung muss entgegengewirkt werden. Eine der dringendsten Handlungsbereiche ist es, eine längere Nutzung der Geräte zu erwirken um den Rohstoffbedarf zu reduzieren. Auch andere, weniger ressourcenintensive Formen des Konsums sind unabdingbar. So könnte etwa eine sharing economy, die darauf abzielt, dass nicht mehr jede Einzelperson alle Gegenstände des täglichen Bedarfs selbst besitzt, sondern dass einzelne Geräte von mehreren Personen gemeinsam genutzt werden, ebenfalls zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.
Um eine längere Nutzungsdauer zu erreichen, müssen schon bei der Produktion gravierende Änderungen vorgenommen werden. Die Geräte müssen eine längere Haltbarkeit aufweisen, aufrüstbar und auch "clever designed" sein - einzelne defekte Teile sollten leicht ersetzbar sein.
Im Allgemeinen wird es wichtig sein, speziell Seltene Erden bei der Herstellung und im Lebenszyklus der Produkte besser zu nutzen - durch noch effizienteren Materialeinsatz und durch von Anfang an geplante Wiederverwertung und Recycling-Fähigkeit der Einzelteile, aber vor allem durch eine längere Lebensdauer der Geräte.
Da leider nicht zu erwarten ist, dass die Hersteller von sich aus diese Umstellung vollziehen werden ist die europäische und internationale Politik aufgerufen, sich dafür in Form von legislativen Rahmenbedingungen einzusetzen; so sollte beispielsweise der Hersteller verpflichtend Ersatzteile vorrätig halten müssen und für eine lange Haltbarkeit seiner Produkte sorgen und bürgen. Darüber hinaus muss auch ein geschlossener Lebenszyklus der Produkte und eine geschlossene Wertstoffwirtschaft angestrebt werden.
Dies gilt natürlich auch für grüne Technologien, die uns unabhängig von Öl, Gas und Kohle machen werden müssen. Neben der bereits oben genannten langen Haltbarkeit, der technischen Aufrüstbarkeit und hoher Ressourcen-Effizienz müssen Seltene Erden so gut es geht im Wirtschafts-Kreislauf geführt werden. Besonders schlecht recycelbare Stoffe aus der Gruppe oder besonders umweltbelastende Bestandteile sollten so schnell wie möglich durch alternative Rohstoffe oder alternative Technologien ersetzt werden.
Auch wenn der Aufbau eines flächendeckenden Recycling-Programms für Seltene Erden in Europa eine Herausforderung ist, hat es langfristig gleich eine ganze Menge an Vorteilen. Denn bei der Sekundär-Produktion seltener Erden würden keine radioaktiven Abfälle anfallen und auch andere negative Umweltauswirkungen wie Luftemissionen, Grundwasserverschmutzung könnten vermieden werden. Darüber hinaus könnte Europas Exportabhängigkeit reduziert werden - kurz: Es wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.