Österreich will Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen verringern
2011 ist ein Jahr, das man in der Rohstoffbranche so schnell nicht vergessen wird. China, zu diesem Zeitpunkt mit 97 Prozent der weltweiten Fördermenge Quasi-Monopolist beim Abbau von Seltenen Erden (SE), drosselte die Exporte drastisch. Es war ein Weckruf für die Hightech-Industrien weltweit, Alternativ-Strategien zu entwickeln und in die Forschung zu investieren. Auch in Österreich wurde dazu an der Montanuni Leoben eine umfassende Studie in Auftrag gegeben.
Was auf den Exportstopp folgte, war eine Kettenreaktion: Auf der ganzen Welt wurden rund 400 Erkundungsbohrungen zu Seltenen Erden durchgeführt, gleichzeitig wurde fieberhaft nach Alternativen und besseren Recyclingmöglichkeiten geforscht. Inzwischen hat sich der Weltmarkt erholt, die Preise für Technologiemetalle sind im Keller. Von den Hunderten Explorationsprojekten sind heute nur mehr eine Handvoll geblieben. Geblieben ist aber auch eine gewisse Restunsicherheit, denn dem derzeitigen Frieden kann jederzeit wieder eine Versorgungskrise folgen, sind sich Experten sicher. Strategiepapiere und Studien zeichnen unterschiedliche Szenarien.
Der 2014 aktualisierte Bericht der EU-Kommission, "Critical Raw Materials", kommt laut dem Rohstoffexperten Albert Schedl von der Geologischen Bundesanstalt (GBA) bei Versorgungsrisiken zu einer differenzierten Bewertung: "Die schweren Seltenen Erdelemente (SEE) haben demnach ein weit höheres Versorgungsrisiko als die leichten. Mittlerweile haben sich seit 2014 die Versorgungsengpässe durch die Wiederinbetriebnahme von SEE-Bergbauen außerhalb Chinas und einem Preisverfall nach Aufhebung des chinesischen Exportverbots teilweise aber wieder deutlich entschärft."
Studie über kritische Rohstoffe
In Österreich bestimmen die Fachbereiche Nichteisenmetallurgie, Rohstoffmineralogie, Abfall-/Recyclingwirtschaft und die Aufbereitungstechnik die Diskussion, erklärte Schedl gegenüber APA-Science. Die bisher umfassendste Bestandsaufnahme für Österreich hat Stefan Luidold vom Institut für Nichteisenmetallurgie an der Montanuniversität Leoben im Auftrag des Infrastrukturministeriums (BMVIT) vorgenommen. In der Studie "Kritische Rohstoffe für die Hochtechnologieanwendung in Österreich" (2012/13) wurden strategische Empfehlungen erarbeitet, "die Abhängigkeit der heimischen Industrie von kritischen Rohstoffen ... zu verringern".
Hinsichtlich des geologischen Potenzials wurden, basierend auf der Kenntnis der Lagerstätten und Geologie in Österreich, drei Gruppen identifiziert: "Für erstere (Wolfram, Magnesit, Grafit etc.) sind mit hoher Wahrscheinlichkeit noch unentdeckte Lagerstätten vorhanden. Für die zweite Gruppe (Seltene Erden und Platinmetalle) ist das Geopotenzial vernachlässigbar und für die dritte (Antimon, Kobalt etc.) lässt sich mit den vorhandenen Informationen das Potenzial nicht klar abschätzen", heißt es in der Studie.
"Grundsätzlich sollte man nicht auf eine einzige Strategie setzen, sondern sehen, dass man eine Gesamtstrategie mit mehreren Standbeinen hat. Natürlich können wir über Recycling eine gewisse Grundversorgung herstellen, nur dass man ohne Primärmaterial auskommt, wird nicht möglich sein", fasst Luidold im Gespräch mit APA-Science zusammen. Die Abhängigkeit von Importen ist hoch, selbst bei dem in Österreich reichlich vorhandenen Element Wolfram ist trotz intensiven Abbaus noch Importbedarf gegeben.
16 Empfehlungen für F&E
Um die Verfügbarkeit besonders kritischer Rohstoffe für die Industrie zu verbessern, listet die Studie allein für den Bereich Forschung und Entwicklung 16 Empfehlungen auf. Forschungsbedarf ist laut Luidold, der auch das Christian Doppler Labor für Extraktive Metallurgie von Technologiemetallen leitet, vor allem im Recyclingbereich gegeben, um "eine breitere Palette an Feststoffen, Abfällen, Rückspenden" wiederverwerten zu können (siehe auch Kreislaufwirtschaft und Substitution als Lösung). Generell sei Österreich beim Recyceln von Metallen im europäischen Vergleich relativ stark aufgestellt. Man dürfe aber nicht vergessen, "dass die ganzen Prozesse auf die klassischen Massen-Metalle zugeschnitten sind".
Angeraten wird etwa die "Entwicklung von Prozessketten, welche die Gewinnung einer möglichst hohen Anzahl an Rohstoffen aus Primär- und Sekundärquellen ermöglichen", "geowissenschaftliche Untersuchungen zur eindeutigen Bewertung der derzeit als 'bedingt sicherungswürdig' eingestuften Rohstoffvorkommen" oder "Entwicklung und Optimierung von Methoden zur Identifizierung und zum Screening von kritischen Rohstoffen in Abfällen". Allgemeine Empfehlungen reichen von der "Schließung des Recyclingkreislaufs" über "Unterbindung des Exports bestimmter Abfallfraktionen (Alt-Kfz, etc.)" bis zu "Verstärktes 'Design for Recycling' durchsetzen" oder der "Einhebung von ökosozialen Lenkungssteuern".
Volatile Forschungsaktivitäten
Die Volatilität des Rohstoffmarkts spiegelte sich, beginnend mit ungefähr 2009, in den vergangenen Jahren in der Forschung rund um die Technologiemetalle wieder, erinnert sich Luidold: "Bei den Seltenen Erden haben wir gemerkt, dass es hier relativ rasche Wechsel bei den Forschungsprojekten zu den Recyclingtätigkeiten gegeben hat."
Während man sich in den ersten zwei, drei Jahren auf die Potenziale bei Nickel-Metallhydrid-Akkus konzentriert habe, "weil die von der Technologie her prozesstechnisch noch die einfachste Aufgabenstellung waren", habe sich der Fokus danach auf Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen gerichtet. In den letzten Jahren wiederum war der Hauptschwerpunkt das Recyceln von SE-haltigen Permanentmagneten. "Das heißt, man hat eine direkte zeitliche Abfolge gesehen, das hat sich immer innerhalb von ein paar Jahren wieder geändert. Es ist eine schnelllebige Branche, leider auch in Forschung und Entwicklung", so der Privatdozent. Allgemein gehe es darum, die Rohstoffbasis für die Gewinnung dieser kritischen Rohstoffe zu vergrößern, unabhängig davon, "ob das Recyclingtätigkeiten sind oder ob das aus Erzen und Konzentraten kommt".
Rohstoff-Kompetenz in Österreich
Neben den Instituten für Abfallwirtschaft und Recycling an der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität für Bodenkultur liefert etwa das an der Montanuni angesiedelte "Regional Innovation Center on Raw Materials for East- and South-East Europe - RIC ESEE" einen weiteren Impuls für die Forschung. "Österreich hat also bereits Kompetenzen in der Gewinnung von hochwertigen Rohstoffen aus Schrotten aufgebaut, sowohl in der Wissenschaft als auch in der industriellen Umsetzung", erklärte die Rohstoff-Expertin Marianne Hörlesberger vom Austrian Institute of Technology (AIT).
Am AIT selbst nähere man sich dem Thema Rohstoffe auf unterschiedlichen Wegen: Forschung und Entwicklung für die neuesten Energiespeichermaterialien, z.B. für Postlithiumtechnologien finden etwa in der Business Unit Electric Drive Technologies statt. Das Leichtmetall Kompetenzzentrum Ranshofen forscht im Bereich der Metallurgie in Zusammenarbeit mit der Industrie. Das AIT Innovation Systems Department wiederum beschäftige sich mit den Einflussfaktoren auf Forschung, Industrie und Gesellschaft und erarbeite Zukunftsbilder und Szenarien auch für die Werkstoffforschung und Werkstoffindustrie. Dabei werden laut Hörlesberger auch die Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik analysiert und bewertet.
So wurden im Projekt "Austrian Materials Foresight" in Zusammenarbeit mit der ASMET (The Austrian Society for Metallurgy and Materials) und dem Außeninstitut der Montanuniversität Leoben "die Einflussfaktoren auf Werkstoffe und Materialen erarbeitet, bewertet und daraus Zukunftsszenarien entwickelt": Wie könnten sich Arbeitswelt und Forschungslandschaft auf die konkreten Bedürfnisse und den sich immer schneller entwickelnden technischen Fortschritt einrichten? Der Projektbericht schlägt laut der Expertin weitreichende Maßnahmen, von der Forschungsförderung bis hin zu Marketing, vor.