Kreislaufwirtschaft und Substitution als Lösung
Die Metalle der Seltenen Erden (SE) kommen in der Natur nicht rein, sondern vergesellschaftet, also gemeinsam mit anderen Bodenschätzen, vor. Die Gewinnung der Metalle ist hochaufwendig und meist mit großen Mengen an giftigen Rückständen verbunden. Solange die Rohstoffpreise nicht steigen, ist der Anreiz, an Alternativen zu SE und Möglichkeiten des Recyclings zu forschen, allerdings gering.
Beim Abbau der SE-Metalle werden erst die Erze durch Behandlung mit Laugen, Säuren oder durch Hochtemperaturchlorierung aufgeschlossen, danach folgt ein Trennverfahren. Die Rückstände werden in künstlichen Damm-geschützten Teichen abgelagert. Da die meisten Lagerstätten von Seltenen Erden radioaktive Materialien (meist Thorium und Uran) enthalten, besteht grundsätzlich das Risiko, dass Radioaktivität in die Luft oder in das Grundwasser austritt. Welche Auswirkungen ein Dammbruch in diesem Zusammenhang haben kann, zeigte sich in Ungarn vor fünf Jahren - die "Rotschlamm-Katastrophe", bei der ein Deponiebecken der Aluminiumhütte MAL AG brach, vergiftete Grund und Boden mit einer Schlacke aus Schwermetallen und Laugen. Dabei kamen sogar Menschen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt.
Radioaktive Strahlung
Die umweltrelevanten Aspekte bei der Gewinnung von SE-Rohstoffen sind für Albert Schedl, Rohstoffexperte an der Geologischen Bundesanstalt, "sicher ein großer einengender Faktor", der die Nutzung vieler Lagerstätten deutlich limitiere. "Das hängt vor allem damit zusammen, dass relativ häufig vorkommende SE-Trägerminerale wie Monazit - auch in Österreich einer der häufigsten SE-Trägerphase - wegen der Beimengung von Thorium und Uran im Kristallgitter zu unerwünschten radioaktiven Produktionsabfällen führen", erklärt er gegenüber APA-Science. Malaysia habe dieses Problem beispielsweise jahrelang nach China ausgelagert, in dem es die gewonnenen Monazit-Konzentrate zur weiteren Verarbeitung direkt nach China exportiert habe.
Dort, im weltgrößten Exportland von Seltenen Erden, werden nicht nur ganze Landstriche zerstört, sondern es braucht auch Energie für das Zermahlen der Gesteinsbrocken - und das geschieht vor allem durch Kohlekraftwerke. So ist laut Engineering IG Metall das Reservoir der größten chinesischen Mine Bayan Obo in der inneren Mongolei auf elf Quadratkilometer angeschwollen. Wie die meisten bekannten Lagerstätten enthalte auch Bayan Obo radioaktive Substanzen, die zusammen mit Schwermetallen aus dem Reservoir, dem Abraum und der offenen Grube mit dem Wind verteilt werden. Entsprechend häuften sich in der Region Fälle von Lungenkrebs und anderen Erkrankungen.
Aber auch in China scheint sich ein neues Umweltbewusstsein durchzusetzen: Das Land will höhere Standards durchsetzen, geplant seien auch Reinigungs- und Kreislaufsysteme, um künftig die im Abwasser vorhandenen Substanzen vollständig wiederzuverwerten.
Grönland: Hohe Vorkommen, hohe Förderkosten
Hauptsächlich sei es die hohe Umweltbelastung, welche mit der Gewinnung verbunden ist, die dazu geführt habe, dass die großen SE-Lagerstätten außerhalb Chinas eingestellt wurden. "Auch im Fall der neugefundenen SE-Lagerstätte in Kvanefjeld auf Grönland - sie ist derzeit eine der größten SE-Lagerstätten der Welt - werden diese Umweltimplikationen wegen der begleitenden Uran-Mineralisationen ebenfalls bereits heftigst diskutiert", führt Schedl aus. Die Pilotanlage auf Grönland - regulärer Abbau findet noch keiner statt - wird teilweise von der EU-Kommission im Rahmen des EURARE-Projekts finanziert, welches die Etablierung einer nachhaltigen SE-Industrie in Europa zum Ziel hat. Kvanefjeld ist allerdings auch das derzeit teuerste SE-Feld der Welt: Das Gebiet ist stark radioaktiv, und allein aufgrund der fehlenden Infrastruktur betragen die Erschließungskosten bis zu gigantischen 2,3 Mrd. US-Dollar. Die gesamten grönländischen Vorräte an Seltenen Erden reichen laut der deutschen Rohstoffagentur übrigens aus, um den gegenwärtigen Weltbedarf für 150 Jahre zu decken.
SE-Lagerstätten mit nicht radioaktiven Trägerphasen wie Bastnäsit oder Xenotim sind Schedl zufolge aus Umweltgründen als SE-Rohstoffe wesentlich interessanter, ebenso die zunehmende Gewinnung von Seltenen Erden, die adsorptiv an Kaolintone gebunden sind, wie dies etwa in China der Fall ist.
Hightech und Menschenrechte hängen zusammen
Marianne Hörlesberger vom Austrian Institute of Technology (AIT) beschäftigt sich mit der Zukunft von Materialien. Im vergangenen Jahr gewann sie gemeinsam mit 18 Projektpartnern den "JEC Innovation Award" für das Projekt 3D-LightTrans, das sich mit der Materialentwicklung für die Automobilbranche auseinandergesetzt hat. "Dabei ging es auch um den gesamten thermoplastischen Produktzyklus", erklärt sie. Die Expertin war an der Austrian Materials Foresight-Studie für Hochleistungswerkstoffe zur Stärkung des Wissens- und Produktionsstandortes Österreich beteiligt. "Ich habe die Methodik und den globalen Blick eingebracht, die Montanuni, die ASMET (internationaler österreichischer, techn. wissenschaftlicher Verein der Metallurgie) sowie Unternehmen aus der Industrie ihre Werkstoff- bzw. Rohstoffexpertise", führt sie gegenüber APA-Science näher aus.
An neuen Roh- und Werkstoffen werde "immer geforscht", ist sie überzeugt - es sei aber eine Frage der Rentabilität. In ihrem Abstract "Wettlauf um Rohstoffe für Hightech" weist sie etwa auf das seit 2004 existierende Graphen hin, das als das neue Wundermaterial gilt und seinen Entdeckern 2010 den Nobelpreis gebracht hat. Das hauchdünne, dennoch hoch leitfähige, stabile und leichte Material könne die Eigenschaften anderer Materialien verbessern, da es enormen mechanischen Kräften standhalte und sehr gute elektro-optische Eigenschaften habe. "Aufgrund seiner elektrischen Leitfähigkeit wäre das Material optimal für den Einsatz in flexiblen Displays, Smartphones, Tablets, Wearable Devices und anderen elektronischen Geräten der nächsten Generation geeignet", so Hörlesberger. Seit 2013 fördert die EU das Projekt Graphen-Flagship mit einer Milliarde Euro. Österreich ist durch Guger Technologies OG, Varta Micro Innovation und die Technische Universität (TU) Wien im Kern-Konsortium vertreten.
Aber auch Graphen stoße an seine Grenzen: Im Vergleich zu Wolframdiselenid zeige es Nachteile, wenn es um das Generieren elektrischer Leistung durch die Absorption von Licht geht, woran die TU Wien gerade forsche, so Hörlesberger.
Kann die weltweite Nachfrage noch steigen?
Die Bedeutung von Seltenen Erden für Hightech-Produkte ist unbestritten - die Frage sei aber, ob Hightech-Produkte auch weltweit weiter nachgefragt würden. "Wir in Europa stellen ja nur einen geringen Teil der Konsumenten dar. Deshalb hängt die Nachfrage stark von der gesellschaftlichen und sozioökonomischen Entwicklung in Ländern wie China, Brasilien oder Indien ab. Kann sich die Mittelschicht dort behaupten oder sogar wachsen? Dann wird die Nachfrage und somit auch die Produktion und der Verbrauch von Rohstoffen steigen", erläutert Hörlesberger die komplexen Zusammenhänge.
Steigt die Nachfrage, steigen die Preise - es sei denn, man kann Hightech-Metalle substituieren bzw. eine Kreislaufwirtschaft etablieren (siehe auch Warum der Hightech-Fortschritt unbedingt im Kreislauf geführt werden muss...). "Der entscheidende Punkt bei der Forschung ist immer die Rentabilität. Solange die Förderung günstiger ist, wird man das nicht stärker verfolgen." So gebe es ja auch Vorkommen von Seltenen Erden in Deutschland, aber es wird geprüft, ob sich der Abbau lohnt. Darüber hinaus starteten in Europa einige Projekte zum Abbau der Metalle der Seltenen Erden, 2009 in Norra Kärr in Schweden, das Kvanefjeld-Projekt von Greenland Minerals and Energy und in Kringlerne auf Grönland.
Auch Stefan Luidold von der Nichteisenmetallurgie an der Montanuniversität Leoben hat festgestellt, dass im Zuge der - von China durch Ausfuhrbeschränkungen künstlich herbeigeführten - massiven Verknappung von SE-Elementen weltweit eine Vielzahl an Forschungsprojekten zu Recycling und Alternativen starteten."Als sich die Preise dann wieder normalisierten, schliefen auch die Projekte ein bzw. endeten und wurden einfach nicht fortgesetzt", beschreibt er die Logik des Markts. Wenn man natürlich immer erst zu forschen beginne, wenn der Hut brenne, sei das nicht optimal. Und auch Hörlesberger merkt an: "Woran jetzt im Labor gearbeitet wird, ist erst in zehn Jahren oder mehr reif für die Anwendung im großen Maßstab."
Die Frage der Kosten sei eine ganz zentrale: "Nehmen Sie das Beispiel der Hochöfen: das sind immense Investitionen - so ein Hochofen soll ja auch hundert Jahre und länger halten. Wenn der CO2-Ausstoß auf Null sinken muss, haben diese Hochöfen ausgedient - und dann muss sich die Industrie gut überlegen, ob sie sich eine totale Umrüstung leisten will oder eine Auslagerung der Primärstahlerzeugung vorzieht."
Spätestens hier kommen für Hörlesberger strategische Überlegungen ins Spiel: "Geht die Produktion weg, geht die Forschung weg. Und damit ist auch das Wissen verloren", warnt sie. Dieser Prozess sei am Beispiel der Textilindustrie gut zu erkennen. "Österreich hatte hier eine Stärke, ehe fast alle Betriebe abgewandert sind oder geschlossen wurden. Heute braucht man Textilien wieder, und zwar im Hightech-Bereich - in der Auto- oder Luftfahrtindustrie etwa. Da ist wertvolles Wissen verloren gegangen und damit auch ein wichtiger Innovationsvorsprung", gibt sie zu bedenken.
Recycling: Ziel ist die Kreislaufwirtschaft
Geht es um das Recycling, sind beim Verwerten "natürlich elektronische Geräte wie Leiterplatten, Festplatten, Computer, Bildschirme oder Handys" zu nennen, erläutert der Experte Luidold. Während die Quote beim Kupferrecycling beinahe 100 Prozent betrage, lasse sich das bei Indium oder Gallium nicht genau beziffern. "Da kommt es immer auch darauf an, ob der rückgewonnene Rohstoff wieder zur Herstellung eines Produkts verwendet werden kann, also ob die Kreislaufwirtschaft funktioniert - darin sind dann naturgemäß auch Unternehmen in anderen Ländern eingebunden."
Im von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und dem Technologieministerium (BMVIT) geförderten Endbericht zu "Kritischen Rohstoffen für die Hochtechnologieanwendung in Österreich", der unter der Federführung Luidolds bzw. der Montanuni in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur (Boku) und der Technischen Universität Wien entstanden ist, wird unter anderem das Potenzial bei der Verwertung von Elektroaltgeräten in Österreich analysiert. Als Bauteile mit relevanten Inhaltsstoffen werden die Gehalte an Edelmetallen in Leiterplatten, Seltenen Erden in Bildschirmbeschichtungen und Leuchtstaub von Leuchtstoffröhren sowie in Festplatten, CD-Laufwerken und anderen Bauteilen genauer quantifiziert. Um die Sammlung von Altgeräten und die spätere Verwertung zu optimieren, wurde in einer vom Institut für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien betreuten Masterarbeit eine getrennte Erfassung von wertstoffreichen Kleingeräten untersucht. Eine getrennte, haushaltsnahe Sammlung dürfte die erfasste Menge an diesen Geräten deutlich steigern, heißt es im Bericht.
Auch auf EU-Ebene ist die nachhaltige Vermeidung von Abfällen jeder Art und Integration von Rückständen in den Lebenszyklus eines anderen Produkts ein Anliegen. So verabschiedete die Kommission im Dezember 2015 ein Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft.
An der Montanuni, die ein CD-Labor für Optimierung und Biomasseeinsatz beim Recycling von Schwermetallen betreibt, laufen diesbezüglich einige Forschungsprojekte, etwa mit Industriepartnern wie Plansee. "Dieses Unternehmen verwendet hauptsächlich Wolfram", erläutert Luidold. Generell sei die internationale Forschung "eigentlich quer über die Welt" verteilt, je nach dem spezifischen Schwerpunkt eines Landes - seien es die USA, Kanada, Australien, Deutschland, oder auch Österreich.
Klimaabkommen als Wettbewerbsnachteil
Eine zu strenge Umweltgesetzgebung befürwortet auch Luidold "aus Sicht der Industrie" nicht: Bis zu einem gewissen Grad würden höhere Auflagen zwar Innovationen antreiben. "Aber werden sie zu streng, wandern Unternehmen ab - daran gibt es nichts zu rütteln". Am Beispiel der erzwungenen Schließung des Bergwerks zum Abbau von Seltenerdmetallen in Mount Pass in Kalifornien gibt er auch zu bedenken, dass die USA darüber gar nicht so traurig gewesen waren und der Westen "Probleme manchmal bereitwillig abschiebt". Aber gleichzeitig begebe man sich sich damit natürlich in eine enorme Abhängigkeit - zudem gingen viele Arbeitsplätze verloren.
Die Möglichkeit, dass aufgrund des Pariser Klimaschutzabkommens nun auch Umweltauflagen in Schwellenländern eingeführt werden, sieht Hörlesberger. "Es besteht die Hoffnung, dass es auch China und Brasilien jetzt ernst nehmen".
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science