"Versorgung der europäischen Industrie mit Technologiemetallen - Beispiel Wolfram"
Die österreichische Wolfram Bergbau & Hütten AG (WBH) ist ein weltweit führender Produzent von Wolframmetall- und Wolframkarbidpulvern und betreibt einen untertägigen Bergbau im Salzburger Land und ein Hüttenwerk in der Steiermark. Wolfram wird von der Europäischen Union als Critical Raw Element geführt und gehört außerdem zur Gruppe der sogenannten Konfliktminerale. Obwohl jedes Metall seine spezifischen Herausforderungen hat, möchten wir hier beispielhaft einige allgemein akzeptierte "Wahrheiten" hinterfragen.
Europa ist nicht per se arm an Rohstoffen, doch können wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Beschränkungen zu einer Abhängigkeit von Importen führen, selbst wenn das geologische Inventar durchaus einen gewichtigen Anteil an Eigenversorgung erlauben würde.
Wolfram zum Beispiel ist deshalb als Critical Raw Material geführt, da 85 Prozent der Weltbergbauproduktion aus China stammen. Gleichzeitig gibt es in Europa zahlreiche gute Lagerstätten, die stillliegen.
Um die Abhängigkeit von China zu verringern, hat die WBH über die letzten Jahre den Zukauf von Zwischenprodukten aus China minimiert. Die Versorgung der WBH ruht nun hauptsächlich auf drei Säulen: eigenem Bergbau, Zukauf von Konzentraten von Gruben weltweit und Recycling. Damit können wir einen wichtigen Beitrag zur sicheren Versorgung der europäischen Industrie mit dem unabkömmlichen Spezialmetall Wolfram sicherstellen. Gleichzeitig steht das Unternehmen in allen drei Bereichen Herausforderungen gegenüber, die auf eine unzureichende Akzeptanz der Rohstoffindustrie (Vorurteil "schmutzig") und Mangel an politischem Willen, ein "level playing field" gegenüber außereuropäischer Konkurrenz sicherzustellen, beruhen.
Europäischer Bergbau kämpft damit, dass niemand der nicht direkt profitiert (Stichwort Arbeitsplätze) einen Bergbau in seiner Nähe haben möchte - oft aus Unwissenheit, was dies wirklich bedeutet. Es muss den Opponenten von Bergbauprojekten aber klar sein, dass Erz nicht aus Containern kommt: Wenn es nicht hier abgebaut wird, dann woanders, in Entwicklungsländern, mit oft weniger strengen Auflagen - und insgesamt häufig einer schlechteren Umweltbilanz.
Ähnliches gilt für Sozialstandards und die mögliche Unterstützung von Konflikten: je kürzer die Handelskette ist, umso mehr Einfluss kann die europäische Industrie nehmen. Ein Teil der bei der WBH verarbeiteten Erzkonzentrate stammt aus Zentralafrika, wo wir durch Präsenz vor Ort und Teilnahme an Traceability-Programmen Sorge tragen, dass unsere Versorgung ethisch einwandfrei ist. Gleichzeitig geben wir Hilfe zur Selbsthilfe und pochen auf kontinuierlicher Verbesserung der Arbeitsmethoden. Es ist daher kontraproduktiv, wenn es (wie jetzt zum Beispiel bei der von der EU Kommission vorgeschlagenen Konfliktmineralregulierung) eher einen Anreiz gibt, die Wertschöpfung so weit wie möglich aus der EU heraus zu verlagern.
Konfliktmineralregeln haben schon bislang dazu geführt, dass Produzenten in betroffenen Regionen von westlichen Firmen mit einem Boykott belegt wurden, auch wenn sie ethisch einwandfrei produzieren. "Besser nichts aus Afrika kaufen, so ist man sicher." Dies führt zu Kollateralschäden durch eigentlich gut gemeinte Initiativen.
Bürokratische Hemmnisse verbauen auch Chancen im Recyclingbereich. Sekundärrohstoffe sind wertvolle Rohstoffe für die Industrie, werden von der Politik aber wie "Abfall" behandelt. Natürlich soll unnötiger Transport von tatsächlichem Abfall verhindert werden. Wenn die Transporthemmnisse aber hochwertige Rohstoffe betreffen, für deren Verarbeitung in Europa nur wenige Spezialbetriebe ausgerüstet sind und deshalb grenzüberschreitender Transport notwendig ist, dann ist dies kontraproduktiv.
Aufgrund berechtigter Fragen von NGOs und Konsumenten wird auch die verarbeitende Industrie zunehmend sensibler, was die ethische Herkunft ihrer Rohstoffe angeht. Die beste Antwort auf diese Herausforderung sind rückwärtige Integration, europäischer Bergbau, kurze, transparente Lieferketten und Recycling. Dies würde gleichzeitig die Versorgungssicherheit der verarbeitenden Industrie erhöhen. Doch das regulative Umfeld, lokale Empfindlichkeiten, aber auch kurzsichtige Entscheidungen der verarbeitenden Industrie führen dazu, dass genau das Gegenteil eintritt: Ein zunehmender Teil der Wertschöpfung wird so weit weg wie möglich verlagert. Im Falle der Seltenen Erden hat dies auch schon zu einem Verlust an Technologieführerschaft geführt.
Im Bereich Wolfram haben wir zurzeit noch die Möglichkeit, uns auf eine Kombination von europäischem Bergbau, Kleinbergbau als Chance zur Entwicklung in Entwicklungsländern und Recycling zu stützen. Hüttenwerke in Europa haben das Know-how für beste Produkte und liefern einen signifikanten Anteil am benötigten Rohstoff für die europäische weiterverarbeitende Industrie. Damit dies weiter so ist, braucht der Rohstoffsektor ein konkurrenzfähiges Umfeld.
Wenn die einzelnen nationalen Regierungen und die Europäischen Institutionen die Befürchtungen in Bezug auf die gesicherte Versorgung der europäischen Industrien mit kritischen Rohstoffen wirklich ernst nehmen, dann ließe sich dies am besten durch konsequente Förderung der Entwicklung einheimischer "upstream"-Industrie, Verschlankung von Genehmigungsverfahren und einer positiven Einstellung zur Rohstoffindustrie erreichen. Multinationale Forschungsprojekte wie EIT (European Institute of Innovation and Technology) und KICs (Knowledge and Innovation Communities) sind begrüßenswerte Initiativen, aber sie zielen ins Leere, wenn die praktische Umsetzung durch die oben genannten Einflüsse quasi unmöglich gemacht wird. Außerdem sind die Forschungsfelder im Rohstoffbereich zum Teil redundant und können fast als Feigenblatt für den Mangel an wirklicher praktischer Förderung von Rohstoffgewinnung angesehen werden.
Abschließend muss sich die verarbeitende Industrie fragen lassen, ob sie sich für geringe, kurzfristige Kostenvorteile in Abhängigkeit von (zumeist asiatischen) Lieferanten von Zwischenprodukten und Komponenten begeben will, die mit Sicherheit eine zukünftige Monopolstellung ausnutzen werden, sobald die europäische Rohstoffindustrie dem Verdrängungswettbewerb zum Opfer gefallen ist.