Mit "Checkliste" gegen "suboptimale Kommunikation" bei der Corona-Impfung
Angesichts wieder steigender Covid-19-Zahlen schwirren viele Fragen zum richtigen Zeitpunkt für Auffrischungsimpfungen durch die Luft. Anhaltspunkte in der mittlerweile für viele Menschen unübersichtlichen Situation könne eine "Checkliste" geben, so Experten am Donnerstag vor Journalisten. Wegen auch unterschiedlicher Empfehlungen von Impfgremien und insgesamt "suboptimaler Kommunikation" müsse man Menschen "ein Werkzeug für die eigene Entscheidung in die Hand geben".
Das erklärte der Genetiker Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) bei einem von der Akademie organisierten "Science Update" im Vorfeld des bis Freitag laufenden "Clemens von Pirquet Symposiums: Covid-19 Pandemie und das Impfwesen einst und heute" in Wien. Verwirrung habe etwa das Nationale Impfgremium (NIG) mit der für viele überraschenden allgemeinen Empfehlung zum vierten Stich am Ende des Sommers gestiftet - inklusive der Ansage, dass eine eben durchgemachte Infektion nicht unbedingt als "Booster" anzusehen wäre.
Die Immunologin Sylvia Knapp von der Medizinischen Universität Wien hielt fest, dass es wissenschaftlich belegt ist, dass eine Auffrischung nicht früher als vier bis sechs Monate nach dem letzten "Event" stattfinden sollte. Eine Infektion sei jedenfalls als ein solches "Event" anzusehen. Für Elling gilt es jetzt daher die Argumente auf den Tisch zu legen und Menschen dabei zu helfen, ihr individuelles Risiko bewerten zu können, und dann entsprechend zur Impfung zu gehen. Das ohne externe Hilfe für sich einzuschätzen sei mittlerweile alles andere als einfach, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass viele Menschen bereits mehrere Impfungen und mitunter auch Erkrankungen durchgemacht haben, räumten die Experten ein.
Impfen wirkt
Für den seit über 50 Jahren in den USA tätigen österreichischen Virologen Peter Palese von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York ist "impfen, impfen, impfen" immer noch das Mittel der Wahl bei der Eindämmung der Pandemie. Diese rücke mittlerweile allerdings "näher an die Influenza-Situation" mit saisonalen Wellen.
Österreich sieht Elling gerade in einem "Nachschlag der BA.5-Welle". Hier handelt es sich um einen Abkömmling der Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Erregers. Die Chance, dass auch kommende Wellen - ein aussichtsreicher Kandidat als Antreiber der nächsten sei der BA.275.2-Typ - von einem Omikron-Subtyp getragen werden, sei aus heutiger Sicht eher hoch.
Personalsituation in Spitäler wieder angespannter
Bleibt es so, würden auch die erwartbar hohen Infektionszahlen eher nicht die Kapazitäten der Normal- und Intensivstationen in Österreich sprengen. Man sehe aber in Wien schon teilweise, dass die Personalsituation in den Spitälern angespannter wird. So könne auch heuer der Herbst und Winter bis zu einem gewissen Grad "leider business as usual" werden, sagte Elling.
Von daher ist es laut Knapp auch "nicht das Klügste, die Pandemie für beendet zu erklären". Viel eher sollte betont werden, dass durch durchgemachte Infektionen und Impfungen eine für derartige Erkrankungen "normale Immunantwort" aufgebaut wird, die langfristig nicht vor Ansteckung, aber eben vor schweren Verläufen schützt.
Das mittelfristige Ziel müsse sein, kommende Covid-19-Wellen, auch in Verbindung mit den üblichen Influenzawellen im Frühjahr möglichst kontrolliert ablaufen zu lassen, so die Experten. Weiter gedacht, sei es aber keine Frage, dass eine neue Pandemie - wahrscheinlich mit einem Coronavirus - auf die Menschheit zukommt. Daher brauche es Investitionen in "eine solide medizinische Versorgung" und "in fundierte Wissenschaft", betonte Palese.
Neue Corona-Mutationen nicht auszuschließen
In Zukunft könne man weder eine weitere Pandemie noch gefährlichere Corona-Mutationen ausschließen, waren sich die Experten einig. So könnten etwa Elling zufolge neue Varianten durch lange Krankheitsverläufe entstehen oder durch Kontakte zwischen Mensch und Tier überspringen. Dennoch sei "gar keine Frage", dass man für zukünftige Pandemien besser gerüstet sei, betonte Palese. Sowohl die Erkennung von Krankheiten als auch die Entwicklung von Impfstoffen ginge mittlerweile deutlich schneller vonstatten. Im Falle des Coronavirus könne man, so Elling, mittlerweile in gewisser Hinsicht schon von einer Endemie sprechen: "Aber auch eine Endemie muss nicht angenehm sein."
"Es sollte eine Lehre aus der Pandemie sein, dass es nicht geschickt ist, wenn man infiziert in die Arbeit geht", sagte Knapp. Auch Elling plädierte für ein gesellschaftliches Miteinander: "Wir werden versuchen müssen, einerseits die Immunschwächeren nicht komplett in ihrem Leben zu behindern und zum anderen das System nicht zu sehr herauszufordern."
Service: Informationen zum Symposium: http://go.apa.at/mzX92QUI