Corona - Kontroverse um Tiroler Isolation
Das Land Tirol gehört angesichts des Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für ein Monat isoliert. Diese Meinung vertritt die Virologin Dorothee von Laer von der Medi-Uni Innsbruck. Gleichzeitig übt die Beraterin der Bundesregierung scharfe Kritik am Land Tirol im Umgang mit den Corona-Mutanten und warnt vor einem "zweiten Ischgl". Laut "Presse" prüft das Gesundheitsministerium bereits Reisebeschränkungen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) lehnt eine Isolation allerdings ab. Infektiologe Günter Weiss würde eine Isolation nur befürworten, wenn Tirol eine einsame Insel wäre.
Diese Meldung wurde aktualisiert. Neu: Ablehnende Reaktion von LH Platter; Ablehnende Reaktion von Infektiologen Günter Weiss
Tirol gilt inzwischen als europäischer Hotspot der südafrikanischen Mutante des Coronavirus. Diese ist nicht nur ansteckender, sondern könnte auch zu Re-Infektionen führen bzw. könnte die Impfung nicht so gut gegen sie wirken. Dazu kommen weitere beunruhigende Neuigkeiten: Laut von Laer sind zumindest zwei bis drei eigenständige Tiroler Mutationen der südafrikanischen Variante aufgetreten. Welche Eigenschaften diese haben, weiß man aber noch nicht.
Auch im Gesundheitsministerium ist man besorgt und schließt Reisebeschränkungen nicht aus: "Derzeit werden die Verdachtsproben aus Tirol endausgewertet. Sobald diese Ergebnisse vorliegen, werden wir mit dem Land Tirol auf Basis dieser Ergebnisse sofort das Gespräch über weitere notwendige Maßnahmen zur Eingrenzung führen. Eine möglichst breite Testung in der betroffenen Region ist der erste Schritt dazu", heißt es auf "Presse"-Nachfrage. Binnen 48 Stunden werde man mehr wissen.
Expertin warnt vor "zweitem Ischgl"
"Es gibt einen starken Anstieg. Aber das Land Tirol mauert und verschleiert wieder", wird von Laer in "Kurier" zitiert. Die Virologin wirft dem Land Tirol Untätigkeit beim Einfangen der Virusvariante vor und warnt vor einem "zweiten Ischgl". "Sie habe bereits vor einer Woche angeboten, Sequenzierungen durchzuführen. "Stattdessen werden die Proben weiter an die AGES geschickt, von wo sie dann nach ein bis zwei Wochen wiederkommen. Wir sequenzieren hier in zwei bis drei Tagen", erklärt die Virologin.
Geht es nach ihr, müssten drastische Maßnahmen ergriffen werden, über die von einer Taskforce beraten werden müsste. "Aber ich bin der Meinung, man müsste Tirol für ein Monat isolieren - vom Rest von Österreich und dem Ausland."
LH Platter gegen Isolation von Tirol
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erteilte am Donnerstag einer möglichen Isolation Tirols aufgrund der Ausbreitung der südafrikanischen Coronavirus-Variante eine Absage. "Das gibt die Datenlage nicht her", sagte er im Landtag. Man müsse "natürlich immer auf der Hut sein", gab er zu bedenken. Dennoch müsse darauf geachtet werden, "dass die Verhältnismäßigkeit gegeben ist". Stattdessen setze man in Tirol verstärkt auf "Testen und Tracen", erklärte der Landeschef.
Infektiologe Günter Weiss sieht Tirol nicht als Insel
Der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, hat sich klar gegen eine mögliche Isolation Tirols aufgrund der Ausbreitung der südafrikanischen Coronavirus-Variante ausgesprochen. "Wir sind nicht auf einer Insel, wo wir über so etwas reden könnten und wo es Sinn machen würde. Wir sind mitten auf einem Kontinent, auf dem diese Mutation auch schon in vielen Ländern aufgetaucht ist", sagte Weiss im APA-Interview.
Man werde nicht verhindern können, dass eine Mutation auch in andere Regionen gelange. Auch mit einer etwaigen Verlängerung des Lockdowns kann der renommierte Mediziner, der auch dem Beraterstab im Gesundheitsministerium angehört, nichts anfangen: "Das ist keine gute Idee". Die Maßnahmen bzw. Lockerungen, die die Bundesregierung diese Woche verkündet hatte, seien "sehr gut und sehr vernünftig" und sollten auch wie vorgesehen bundesweit gelten. Es gehe nun darum, die "Menschen wieder ins Boot zu holen".
Isolation lässt nur Frustration steigen
Maßnahmen wie Isolation oder ein weiterer Lockdown würden hingegen die "Frustration" steigen lassen und dazu führen, dass viele Menschen sagen: "Wir kommen aus dem Schlamassel nie mehr heraus. 'Wir hauen den Hut drauf'". Die Mutationen seien eine "natürliche Konsequenz der Pandemie": "Je mehr Erkrankte weltweit, umso häufiger treten solche Mutationen auch auf. Und die verbreiten sich halt in gewissen Regionen". Man werde zur Erkenntnis kommen, dass eine Abschottung oder Quarantäne die Ausbreitung "vielleicht ein bisschen verlangsamen, aber sie nicht aufhalten kann". "Wir werden mit diesen Mutationen leben müssen", sagte Weiss. Die Virologin Dorothee von Laer hatte wegen der Südafrika-Mutante eine Isolation Tirols sowie eine Verlängerung des Lockdowns gefordert.
"Bei allen Kalkulationen und Modellen ist der 'Faktor Mensch' die Variable, die man wahrscheinlich am wenigsten berücksichtigt hat, die aber gleichzeitig die größte Rolle spielt", sprach sich Weiss für einen weiteren Schritt in Richtung Normalität aus - unter Einhaltung der ohnehin verstärkten Hygienevorschriften: "Nur wenn die Menschen mittun, wird eine Modellrechnung funktionieren". Es gehe nun in erster Linie darum, das "Infektionsmanagement, die Infektionsaufspürung und die Infektionsidentifizierung noch effizienter zu machen".
Es müsse nun die "Umsicht regieren" und es bestehe "kein Grund zu Panik und Kopflosigkeit", wenngleich das Auftauchen der britischen und südafrikanischen Mutanten eine "besorgniserregende Entwicklung" sei. In erster Linie gehe es darum, Verdachtsfälle schnell abzuklären und rasch in Quarantäne zu bringen. Hier merkte Weiss an, dass K1- und K2-Personen 50 Prozent der Neuinfektionen in Tirol ausmachen. Dies seien solche, die sich schon in Quarantäne befinden. "Das ist ein guter Wert", so der Infektiologe.
Deshalb mache es auch immer wieder Sinn, dass man diese PCR-Testungen auf Mutationen und die Teil-Sequenzierungen mache, um eine Einschätzung zu haben, weil sich die Viren auch immer etwas anders verhalten. Es gebe zwar Hinweise darauf, dass die südafrikanische Variante ansteckender sei, wobei es noch nicht so viele Daten wie bei der britischen Mutation gebe.
Schnelle Testmöglichkeiten wichtig
"Entscheidend ist auch ein niederschwelliger Zugang zur Testung. Es ist wichtig, dass man sich, wenn man Symptome hat, schnell testen lassen kann und schnell ein Ergebnis vorliegt", so der Mediziner. Darüber hinaus gelte es, die Risikogruppen noch stärker zu schützen - etwa durch nochmalige Verstärkung der Hygienekonzepte - neben der Einhaltung der allgemeinen Hygienemaßnahmen.
Und letztlich das eine Mittel, das die Pandemie beenden könne: die Impfung. Darauf müsse ein unbedingter Fokus gelegt werden. "Es ist sehr entmutigend und frustrierend, wie langsam das geht", spielte Weiss auf die offenbare Impfstoffknappheit in Kontinentaleuropa an - im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa Israel, den USA und Großbritannien. Auch sprach sich der Experte für die Einsetzung des russischen Impfstoffes "Sputnik" aus: "Was Sinn macht ist, dass dieser Impfstoff bei der Europäischen Arzneimittelbehörde zur Zulassung eingereicht wird. Dort werden die Daten geprüft. Und wenn das passt, wird er zugelassen. Jeder Impfstoff, der zugelassen wird und effizient ist, ist eine Bereicherung".