Freizeitpädagogen streiken gegen neues Berufsbild
Die Gewerkschaft GPA hat den gegen die Reform ihres Berufsbilds protestierenden Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen die Freigabe für ihre am 15. Juni geplanten Warnstreiks erteilt. Bereits Ende Mai hatten sie gegen ihre Umwandlung zu "Assistenzpädagogen" protestiert. Mit der Maßnahme sollen die derzeit unterschiedlichen Berufsbilder in der schulischen Tagesbetreuung vereinheitlicht werden. Einen genauen Umsetzungszeitpunkt gibt es indes noch nicht.
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Die Berufsgruppe der Freizeitpädagoginnen und -pädagogen war vor rund zehn Jahren geschaffen worden, um trotz Lehrermangels den Personalbedarf beim Ausbau der schulischen Tagesbetreuung decken zu können. Damit gibt es aber nun an den Schulen drei verschiedene Personengruppen, die am Nachmittag für die Schüler zuständig sind. Neben den Lehrern sind dies Erzieher und eben die Freizeitpädagogen. Letztere dürfen aber "nur" die Freizeitgestaltung übernehmen. In der individuellen Lernzeit, in der die Schüler unter fachlicher Hilfestellung ihre Hausaufgaben erledigen, dürfen nur Lehrer und Erzieher eingesetzt werden.
Das will die Regierung nun ändern. Etabliert werden soll die neue Personalkategorie "Assistenz- und Freizeitpädagog/innen", konkretisierte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz in St. Pölten. Zu Betreuung und Freizeitgestaltung sollen demnach die Aufgabenbereiche Lernunterstützung und digitale Unterstützung hinzutreten.
Streng genommen dürfen derzeit etwa Freizeitpädagogen schulrechtlich Kinder nicht bei Lehrausgängen begleiten (weil ja Unterricht). Dazu kommt, dass Direktoren gegenüber Freizeitpädagogen kein Weisungsrecht haben, weil sie unterschiedliche Dienstgeber haben - Lehrer sind beim Bund oder beim Land beschäftigt, Freizeitpädagogen bei den Gemeinden (bzw. von diesen dominierten Vereinen).
Die Vereinheitlichung der Berufsbilder entspricht langjährigen Forderungen von etwa Rechnungshof, Arbeiterkammer oder Gemeinde- sowie Städtebund. Die mögliche Ausgestaltung liegt Arbeitnehmervertretungen aber im Magen: Laut einem Entwurf sollen die Mitglieder der neuen Personalkategorie (anders als Freizeitpädagogen) künftig Matura haben müssen, dafür wird die Ausbildung von zwei auf ein Semester verkürzt. Zwar werden bereits im Beruf befindliche Personen ohne Zusatzerfordernisse übernommen - allerdings befürchtet man Gehaltseinbußen. "Die Beschäftigten werden den Verschlechterungen ihrer Ausbildung und ihrer Arbeitsbedingungen nicht tatenlos zusehen", so GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einer Aussendung. "Dieser unausgereifte Husch-Pfusch-Entwurf gehört in die Tonne, die Verhandlungen zurück an den Start." Unterstützt wird der Streik auch von SPÖ-Bildungssprecherin Petra Tanzler.
Polaschek verwies im Rahmen der Pressekonferenz in St. Pölten in Bezug auf einen Zeithorizont für die Umsetzung auf weitere Beratungen. "Wenn die Gespräche zu einem guten Ende finden, dann werden wir entsprechend die Umsetzung planen können. Aber es gibt nichts Konkretes, es gibt keine konkreten Zielvorgaben, es gibt keine Zeitpläne. Wir sind dabei, ein Konzept zu erarbeiten."
Freizeitpädagogen sollen in Verhandlungen miteingebunden werden
In St. Pölten vor Ort waren auch Vertreter von "Bildung im Mittelpunkt" (BiM). Explizit gefordert wurden von ihnen u.a. Verhandlungen mit den tatsächlich von der Reform Betroffenen. "Es wurde Stimmung gemacht zu einem Zeitpunkt, wo wir noch in informellen Gesprächen waren. Es hat noch nichts Offizielles gegeben, es hat noch keine abschließenden Gespräche auch mit den Ländern gegeben", hob Polaschek zu den bisherigen Protesten hervor. Die geforderten Verhandlungen könne es erst geben, wenn "ein freigegebenes und fertiges Konzept" vorliege. Aktuelle "Ängste und Sorgen" seien "auf Vermutungen aufgebaut". Eine Abwertung des Berufsbildes des Freizeitpädagogen könne er generell nicht erkennen.
Begrüßt wurde die geplante Reform am Dienstag von Niederösterreichs Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP). Sie verwies darauf, dass der Wunsch nach mehr Personal an den Schulen merkbar sei. "Es wird noch Gesprächsbedarf geben", die Reform sei "eine nicht kleine Herausforderung", betonte aber auch sie. Eine nahende "qualitative Aufwertung des Schulbetriebs" ortete Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl, der die angedachte Kompetenzbereinigung hervorhob.
Von Wiens Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) wird der Entwurf hingegen kritisch gesehen. Man befürchte, dass die geplanten Änderungen zu Personalmangel im Bereich der Freizeitpädagogik führen werden, hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme. "In der Folge könnte das hohe Niveau an Ganztages- und Ferienbetreuung an Wiener Schulen nicht aufrechterhalten werden", warnte er.
Das System dürfe durch die Reform nicht gefährdet werden, verlangte Wiederkehr. Es dürfe nicht zu Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen der Freizeitpädagoginnen und -pädagogen kommen. "Die Stadt Wien ist seit Jahren Vorreiterin beim Ausbau der Ganztagesschulen und weist die höchste Quote an Tagesbetreuung unter allen Bundesländern auf", gab er zu bedenken.
Fachkräftemangel spürbar
Der Fachkräftemangel mache auch vor der Freizeitpädagogik nicht halt, so Wiederkehr. Durch höhere Ausbildungserfordernisse wie etwa Matura und eventuell schlechtere Arbeitsbedingungen könnte schon bald Personal fehlen. Ebenfalls unklar sei neben vielen anderen Punkten die Abdeckung der unterjährigen Ferien, die in Wien derzeit von der städtischen "Bildung im Mittelpunkt GmbH" mit abgedeckt würden.
Ins selbe Horn stieß der Verband Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), also die Vereinigung der österreichischen Sozial- und Gesundheitsunternehmen. Man warnte vor derart einschneidenden Änderungen. "Wir brauchen einen sofortigen Planungsstopp der einseitigen Politik des Bildungsministeriums und einen umgehenden Branchengipfel mit allen betroffenen Stakeholdern", urgierte SWÖ-Vorsitzender Erich Fenninger.
Deutlich positiver äußerten sich Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer (WKÖ)."Rasch wirkende Maßnahmen, die Pädagoginnen und Pädagogen an den Schulen entlasten, einen besseren Betreuungsschlüssel für die Schülerinnen und Schüler und die Möglichkeit einer Vollanstellung am jeweiligen Schulort für engagierte Assistenz- und Freizeitpädagogen", resümierte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer die geplanten Neuerungen. Auch die stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel erwartet sich eine Entlastung der Lehrkräfte sowie eine Aufwertung der pädagogischen Betreuung.