Flughafen-PV-Strom würde für drei Frankfurt-Flüge pro Woche reichen
Der Flughafen Wien hat 2022 eine der größten Photovoltaik-Anlagen Österreichs in Betrieb genommen. 55.000 Paneele liefern 24 Megawatt Peak und 30 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Der Airport schafft es damit, ab 2023 den Flughafenbetrieb CO2-neutral zu führen. Für das Fliegen gilt das allerdings nicht. Denn die CO2-Bilanz der Luftfahrt entscheidet sich nicht an den Flughäfen, sondern bei den Flügen.
Mit dem aus der Photovoltaik-Anlage des Flughafens erzeugten Strom würden sich - umgewandelt in Kerosin - laut Berechnungen von Experten pro Jahr theoretisch rund 150 Flüge - oder pro Woche rund drei Flüge - nach Frankfurt durchführen lassen, wie voneinander unabhängige Berechnungen des Umweltbundesamts und der Universität für Bodenkultur (Boku) für die APA zeigen.
Aus den 30 Millionen Kilowattstunden Strom ließe sich demnach pro Jahr Kerosin für rund 150 Frankfurt-Flüge gewinnen. Das Umweltbundesamt kam auf 130 Flüge jährlich und Boku-Professor Tobias Pröll auf rund 140 Flüge jährlich. Zum Vergleich: Zwischen Wien und Frankfurt gibt es aktuell rund 20 Flüge täglich.
Die Berechnungen hängen davon ab, wie viel synthetisches Kerosin - auch SAF oder E-Fuel genannt - sich aus Strom erzeugen lässt und wie viel Kerosin ein Flugzeug auf der Strecke Wien-Frankfurt verbraucht. Generell geht bei der Umwandlung von Strom in Kerosin viel Energie verloren. Das Umweltbundesamt ging in seiner Berechnung der Energieverluste in den verschiedenen Umwandlungsschritten - Strom zu Wasserstoff, Wasserstoff zu Methan, Methan zu E-Fuel - von einem Wirkungsgrad von 12,5 Prozent aus.
Unterschiedliche Angaben zu Kerosinverbrauch
Pröll rechnete vor, dass sich die Gesamteffizienz für die Herstellung von synthetischem Kerosin aus elektrischer Energie unter optimistischen Annahmen auf 35 Prozent steigern ließe. Er nahm für die Umwandlung von Strom in Wasserstoff via Elektrolyse einen Wirkungsgrad von 67 Prozent an, für die Fischer-Tropsch-Synthese, die aus Wasserstoff und CO2 ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen erzeugt, einen Wirkungsgrad von 75 Prozent und am Schluss bei der Raffinierung des Kohlenwasserstoffgemischs ließe sich die Kerosinausbeute auf 70 Prozent maximieren. "Die restlichen 30 Prozent sind als Benzin und Flüssiggas ebenfalls nutzbare Raffinerieprodukte, aber nicht fürs klassische Fliegen", erklärte Pröll vom Institut für Verfahrens- und Energietechnik.
Prölls Rechnung ergibt, dass aus 30 Gigawattstunden (GWh) Strom rund 10,5 GWh Kerosin erzeugt werden könnten, das entspricht ziemlich genau einer Million Liter Kerosin. Beim Spritverbrauch beruft sich der Boku-Experte auf Angaben von Atmosfair. Demnach benötigt ein Airbus A320 von Wien nach Frankfurt pro Fluggast 43 Liter Kerosin, bei einem mit 168 Passagieren vollbesetzten A320 wären dies insgesamt 7.224 Liter Kerosin. Mit einer Million Liter Kerosin ließen sich somit rund 140 Oneway-Flüge nach Frankfurt durchführen.
Das Umweltbundesamt, das einen niedrigeren Wirkungsgrad bei der Umwandlung angenommen hat, schätzt, dass sich aus 30 GWh Strom nur 3,7 GWh E-Kerosin herstellen lassen. Beim Spritverbrauch setzt das Umweltbundesamt hingegen einen niedrigeren Wert als Pröll an. Demnach werden bei einem internationalen Flug im Schnitt 48 Kilowattstunden pro Kilometer verbraucht, womit 3,7 GWh einer Flugleistung von 78.000 Kilometern oder 130 Flügen nach Frankfurt entsprechen.
Austrian Airlines selbst gibt an, bei einem Airbus A320 im Schnitt rund 3.000 Kilogramm Kerosin für die Strecke Wien-Frankfurt (oneway) zu benötigen. Der ICAO-Emissionsrechner kommt auf einen Spritverbrauch von rund 4.000 Kilogramm für die Strecke.
Weg zum Fliegen ohne Erdöl noch weit
Der Greenpeace-Experte Herwig Schuster, der eine ähnliche Anzahl an Flügen errechnete, betonte, dass es gut sei, dass der Flughafen Wien in Photovoltaik investiere. Jedes zusätzliche Paneel sei wichtig, also auch die 55.000 des Airports. Gleichzeitig zeige die Berechnung, welche enormen Energiemengen die Luftfahrtindustrie benötige und wie weit der Weg zum Fliegen ohne Erdöl noch sei. "Für Greenpeace ist eine deutliche Reduktion der Flüge daher unvermeidbar", so Schuster.
Der Flughafen Wien erklärte, dass man stets betont habe, dass es bei der Photovoltaikanlage um den Flughafenbetrieb, nicht um den Flugverkehr gehe. "Die Kapazitäten der Photovoltaik-Anlage des Flughafens für Vergleiche zu neuen Antriebsformen von Flugzeugen heranzuziehen, ist irreführend, denn dafür ist diese Anlage nicht vorgesehen", hieß es in einem Statement zur APA.
Auch die eFuel Alliance Österreich, die sich dafür einsetzt, Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin zu erhalten und künftig synthetisch aus Ökostrom zu erzeugen, hält einen derartigen Vergleich für nicht zielführend. "Der Flughafen kann nur bei seinen eigenen CO2-Emissionen und seinem eigenen Energieverbrauch ansetzen. Das tut der Wiener Airport in nachahmenswerter Manier", sagte eFuel-Alliance-Geschäftsführer Stephan Schwarzer.
Der Flughafen Wien hatte seine Bemühungen, klimaneutral zu werden, 2022 stark beworben und sich damit bei Klimaschützern dem Vorwurf des Greenwashing ausgesetzt. Sie verweisen darauf, dass Flugreisen auch dann klimaschädlich seien, wenn der Flughafen klimaneutral ist.
Apropos klimaneutrales Fliegen: Boku-Experte Pröll merkte an, dass selbst Fliegen mit 100 Prozent synthetischem Kerosin noch klimaschädlich sei, weil durch das Verbrennen von Kerosin in Flughöhe zusätzliche atmosphärische Effekte entstehen. "Es ist erschreckend: Selbst bei 100 Prozent dekarbonisiertem Flugbenzin reduziert sich die Klimawirkung eines Fluges nur auf etwa die Hälfte gegenüber fossilem Kraftstoff", so Pröll.