Corona - Blutgerinnung für "Brain Fog" nach Covid-19 verantwortlich
Laut epidemiologischen Untersuchungen dürften allein in der WHO-Region Europa im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie in den vergangenen drei Jahren rund 36 Millionen Menschen Long Covid-Symptome entwickelt haben. Oft gehören dazu auch kognitive Störungen. Britische Wissenschafter haben anhand von zwei Blutgerinnungsmarkern jetzt einen deutlichen Zusammenhang zu einer durch Covid-19 verstärkten Neigung zu Thrombosen als Ursache entdeckt.
"Hohe Konzentrationen an zwei Proteinen während einer Covid-19-Erkrankung wurden bei Patienten gefunden, die später kognitive Störungen inklusive 'Brain Fog' entwickelten", schrieb die Universität Oxford zu der Studie, die vor kurzem in "Nature Medicine" publiziert worden ist. Es handelt sich um ein Teilprojekt der britischen PHOSP-COVID-Studie (https://www.phosp.org/), die mit bis zu 10.000 Patienten den Verlauf von Covid-19-Erkrankungen nach einem notwendigen Spitalsaufenthalt langfristig untersuchen soll.
Maxime Taquet von der Abteilung für Psychiatrie der Universität Oxford und seine Co-Autoren haben im Rahmen ihrer Studie eindeutige Hinweise für die Ursache von Gehirnleistungsstörungen nach akuter SARS-CoV-2-Infektion gesammelt. Sie nahmen 1.837 Erwachsene (mittleres Alter: 57,9 Jahre; 36,6 Prozent Frauen) in ihre Untersuchung auf, die ins Spital eingewiesen worden waren. Dabei waren natürlich auch Labortests auf Entzündungs- und Blutgerinnungsparameter durchgeführt worden. Nach sechs Monaten und nach einem Jahr erfolgten Nachuntersuchungen.
"Einer von acht (Covid-19-)Patienten bekommt innerhalb von sechs Monaten nach der akuten Infektion eine Diagnose von neurologischen oder psychiatrischen Problemen. Unter diesen Symptomen sind kognitive Defizite (inklusive 'Brain Fog') ganz besonders beunruhigend. Sie sind häufig, halten lange an und können die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen", schrieben Taquet und seine Co-Autoren.
Bei der Analyse und den Nachuntersuchungen stießen die Wissenschafter auf folgende Zusammenhänge: Während der akuten Covid-19-Erkrankung im Vergleich zu dem Entzündungsmarker CRP (c-reaktives Protein) erhöhte Werte an dem Blutgerinnungsfaktor I (Fibrinogen) führte in der Folge bei Patienten häufiger zu objektiv messbaren kognitiven Störungen (MoCA-Test; visuell-räumliches Vorstellungsvermögen, Benennung von Objekten, Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnisprobleme etc.). Fibrinogen wird in der Leber gebildet. Erhöhte Werte im Blut deuten ebenfalls auf Entzündungsvorgänge hin, die auch die Blutgerinnung aktivieren.
Erhöhte D-Dimer-Werte
Auch in einem Test für subjektiv wahrgenommene kognitive Probleme (C-PSQ5-Fragebogen; Verwirrung, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Kommunikations- und Verständnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, eine Verlangsamung des Denkens und Schwierigkeiten beim Erinnern) zeigten die Probanden mit erhöhten Fibrinogenwerten signifikant schlechtere Ergebnisse. Möglicherweise steht das im Zusammenhang mit der Bildung von Mikrothromben im Gehirn. Fibrinogen kann aber auch Nervenzellen im Gehirn direkt schädigen.
Der zweite Marker war D-Dimer. Dieses Protein-Fragment ist der klassische Marker für Thrombosen. Schnelltests darauf werden weltweit eingesetzt, um zum Beispiel im Verdachtsfall das Vorliegen einer Lungenembolie auszuschließen oder einen solchen Verdacht zu erhärten. Die britischen Wissenschafter entdeckten auch für erhöhte D-Dimer-Werte im Blut einen signifikanten Zusammenhang mit kognitiven Störungen. Hier allerdings zeigte sich ausschließlich in dem Test für subjektiv wahrgenommene Denkleistungsstörungen eine Korrelation. In dem Test auf objektiv nachweisbare Komplikationen zeigte sich kein Zusammenhang.
Die mögliche Erklärung: Höhere D-Dimer-Konzentrationen im Blut durch Covid-19 dürften das Zeichen von Thrombenbildung in kleinen Blutgefäßen der Lunge sein und auf eine längerfristig verringerte Sauerstoffaufnahme hindeuten. Das wäre wiederum eine mögliche Ursache für Erschöpfungszustände ("Fatigue"-Syndrom) im Rahmen von Long Covid.
"Die Forscher konnten die Ergebnisse in einer Analyse von über 90 Millionen (britischen; Anm.) elektronischen Krankenakten verifizieren. Tierexperimentelle Studien haben ebenfalls gezeigt, dass thrombotische Ereignisse bei der akuten Erkrankung sich auf die spätere Erholung auswirken können", schrieb dazu das Deutsche Ärzteblatt. Auch in diesem Vergleich zeigte sich - ohne Covid-19 -, dass erhöhte Fibrinogen- und/oder D-Dimer-Werte häufiger bei Personen mit Denkleistungsstörungen zu beobachten waren. Die Ergebnisse unterstützten jedenfalls bei einem schweren Covid-19-Verlauf den Einsatz von Arzneimitteln zur Hemmung der Blutgerinnung. Möglicherweise kann das auch spätere Long Covid-Probleme vermeiden oder lindern helfen.