Basteln auf hohem Niveau - Exzellenzforschung im Makerspace
Bastler, Heimwerker, Erfinder. Student, Forscher, Hobby-Tüftler. Maker kommen in allen Formen und Farben. Gemeinsam haben sie vor allen Dingen eines: Kreativität. Was als Versuch im universitären Raum startete, ist mittlerweile zu einer globalen Bewegung angewachsen. APA-Science hat die akademische Makerspace-Landschaft in Österreich unter die Lupe genommen.
Die Zahl der Makerspaces weltweit ist in den letzten Jahren stark angewachsen, im Oktober 2017 zählte allein die FabFoundation 1186 Mitglieder - die Foundation umfasst aber nur einen Bruchteil der existierenden Labore. Anzunehmen, dass es nicht bei dieser Zahl geblieben ist.
Österreich hinkt hinterher
Auch in Österreich fasst die Bewegung Fuß - allerdings langsamer als im restlichen europäischen Raum, bedauert Christian Ramsauer, Professor an der Technischen Universität (TU) Graz und Leiter des Instituts für Innovation und Industrie Management. Die akademische Makerspace-Landschaft sehe in Österreich leider noch nicht so aus wie etwa in Deutschland oder Frankreich. Die meisten Einrichtungen sind privat. Von den 13 FabLabs in Österreich gehören nur vier zu Hochschulen: Neben der TU Graz sind das das Smart Production Lab der FH Joanneum sowie die beiden smartlab-carinthia-Standorte der FH Kärnten und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Dennoch kommt Bewegung in die heimische Szene. Das Konzept wird nach und nach von immer mehr Hochschulen übernommen - am Beispiel des Makerlab (MAL) der Pädagogischen Hochschule Wien wird deutlich, dass nicht nur die rein technischen Studiengänge von diesem Angebot profitieren können. Im MAL können Studierende Unterrichtsmaterialien für das Lernen mit digitalen Medien entwickeln. Daraus entstanden ist beispielsweise das digital-analoge Lernspiel Hoorch. Die neueste Version der Spielkonsole, die als didaktisches Medium im Volksschulunterricht eingesetzt werden kann, kann im Mai auf der Maker Faire Vienna getestet werden.
TU Graz eröffnet neuen Makerspace
Seit 25. April ist die Makerspace-Liste in Österreich um eine Werkstätte länger - zumindest theoretisch. Da fand an der TU Graz die offizielle Eröffnung des "Labor für Innovation", des bisher größten akademischen Makerspace in Österreich, statt. Ramsauer, der den Trend während seiner Forscherjahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der Harvard Business School kennengelernt hat, etablierte das Konzept bereits 2014 als FabLab an der Grazer Universität, um das sich nach und nach das Labor für Innovation herum gebildet hat.
Heute bietet das Labor auf einer Fläche von 800 Quadratmetern interessierten Tüftlern neben 3D-Drucker, Lasercutter, Fräsmaschine, etc., auch Zugang zu einem Präsentationsraum mit Bühne und Leinwand, wo Maker die Möglichkeit haben, ihre Produkte an die Industrie zu bringen. So könne der ganze Innovationszyklus von der Idee über den Bau bis hin zum Pitch an einem Ort durchgeführt werden.
"Wir sind hier seit vielen Jahren auf wissenschaftlich hohem Niveau unterwegs"; so Ramsauer. Besonders erfreut ist er darüber, dass das jährliche ISAM-Symposium (International Symposium on Academic Makerspaces), getragen von führenden amerikanischen Universitäten wie dem MIT oder Yale, 2021 an der TU Graz stattfinden wird - und damit zum ersten Mal außerhalb der USA. "Es freut mich außerordentlich, dass wir in Europa auf diesem Gebiet sehr weit vorne sind."
Was macht den Macher aus?
Wer ein Maker ist, und wer nicht, lässt sich nicht so einfach definieren. Sie haben Bezüge zur Hacker-Bewegung. Es gibt Überschneidungen mit der Do-It-Yourself-Kultur, wo der Gedanke im Mittelpunkt steht, aus eigener Kraft technische Probleme zu lösen. Ein wichtiger Punkt ist der freie Zugang - sowohl zu Wissen und Software, als auch zu den Gerätschaften und Einrichtungen. Dieser Open-Source-Gedanke ist auch Teil der Fab-Charter und Voraussetzung für die Mitgliedschaft.
An der TU Graz steht das Labor für Innovation deshalb jeden Donnerstagnachmittag allen offen. "Wir haben seit 2016 über 1.100 Registrierungen von allen möglichen Menschen, die die Maschinen regelmäßig benutzen", betont Ramsauer. "Das sind Studierende, Pensionisten, Schüler, Schmuckdesigner,..." Der Zugang zu den Geräten ist dabei kostenlos, denn das Ziel sei es, die Hemmschwelle möglichst niedrig zu halten. Das Equipment, das Ramsauer für das Labor besorgt hat, ist deshalb besonders einfach zu bedienen. "Jeder, der kreativ und neugierig ist, kann sich Dingen wie 3D-Druck ganz leicht nähern. Wenn ein 16-Jähriger aus dem Gymnasium zu uns kommt, kann er mit den Maschinen trotzdem etwas bauen."
Das Maken unterscheidet sich auch durch die Beschäftigung mit Hightech-Geräten vom klassischen Heimwerken. "Die Digitalisierung ist ein starker Treiber dieser Community. Ohne Digitalisierung gibt es sie nicht", ist Ramsauer überzeugt. Wichtigstes Werkzeug der Maker sei dabei vermutlich der 3D-Drucker. Das Verfahren, bei dem dreidimensionale Gegenstände Schicht für Schicht erzeugt werden, ist zwar seit den 80er Jahren erhältlich, hat aber erst im vergangenen Jahrzehnt den Weg in den Heimgebrauch gefunden. Die Technologie wird ständig verbessert und die Anwendung vereinfacht - etwas, womit sich unter anderem die Bickel Group des Institute of Science and Technology (IST) Austria beschäftigt.
Digital designen leicht gemacht
Die Forschergruppe arbeitet interdisziplinär zwischen Informatik, Materialwissenschaft und digitaler Fertigung. "Wir entwickeln computergestützte Methoden, die das Potenzial neuer digitaler Herstellungsmethoden wie etwa 3D-Druck auszuloten versuchen", erklärt Post-Doc Thomas Auzinger. Im Rahmen eines ihrer Forschungsprojekte entsteht beispielsweise eine Software, die die Ausstattung von im 3D-Drucker hergestellten Formen mit mechanischen Funktionalitäten erleichtern soll.
"Wenn man sich ein Auto als Beispiel hernimmt", so Auzinger, "dann braucht das Achsen, Zahnräder, Getriebe, damit es wirklich funktioniert. Ein Auto selber zu bauen ist ziemlich aufwendig - wenn man nur ein bisschen was verändert, es länger oder größer macht, dann fällt gleich alles auseinander. Wir haben deshalb die manuelle Designtätigkeit durch einen automatisierten Algorithmus ersetzt, der sicherstellt, dass die Funktionalität gewährleistet ist; dass die Achsen an der richtigen Stelle sind, dass die Zahnräder ineinandergreifen,..." Das erleichtere dem Benutzer einen Design-Aspekt der digitalen Herstellung.
Bastler unter Informatikern
Um solche und ähnliche Softwareprogramme zu validieren, müssen sie getestet werden. Die Tätigkeit der Forscher umfasst deshalb neben dem Arbeiten am Computer auch das Hantieren mit 3D-Drucker, Lasercutter und ähnlichen Gerätschaften. "Da ist handwerkliches Geschick und Kreativität gefragt", erklärt Auzinger. "Wir sind sozusagen die Bastler der Informatik. Das haben wir mit den Makern glaube ich gemeinsam: Das Maker-Wesen ist stark als Hobby verankert. Leute machen das oft nicht, weil sie es in ihren Lebenslauf schreiben wollen, sondern aus eigener Motivation und Passion." Das treffe auch auf Auzinger und seine Kollegen zu.
Die Maker-Szene ist auf die Forschungsprojekte der Gruppe bereits aufmerksam geworden. Regelmäßig erhalten die Forscher Anfragen: "Das sind Leute, die sich dafür interessieren und mehr erfahren wollen, Leute, die unsere Produkte sofort einsetzen wollen." Angedacht sei es, aus einigen dieser Prototypen User-taugliche Werkzeuge für die Community zu machen - bis jetzt müssen sich Interessenten aber mit einem Newsletter-Update begnügen.
Das Interesse von Industrie und Makern an solchen Entwicklungen ist verständlich. "In Europa haben wir keine natürlichen Ressourcen", so Ramsauer. "Unser Gehirn ist das wichtigste. Unternehmen sind unter Druck, neue Innovationen hervorzubringen." 3D-Druck und Co. machen es möglich, Ideen und Konzepte aus dem Kopf heraus in die Realität zu bringen, wo man sie ansehen und testen kann.
"Ich war ein Maker, bevor es Maker gab"
Bastlerische Exzellenzforschung betreibt auch Anton Fuhrmann, Forscher am VRVis -Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung. "Ich war schon Maker, bevor es Maker gegeben hat", erklärt Fuhrmann lachend. "Heutzutage sieht Virtual Reality so aus: Man geht in einen Mediamarkt, kauft sich PC und Brille, setzt sie auf und schon ist man drin. Ich arbeite damit seit 1996, damals haben wir uns am Institut für Computergrafik (Anm.: heute "Institut für Visual Computing & Human-Centered Technology" der Technischen Universität Wien) die erste VR-Umgebung gekauft - das war aber noch sehr rudimentär. Ich musste die Geräte zuerst zusammenbauen und adaptieren, damit sie funktionieren. Da waren Sachen dabei, die nicht nur Basiswissen in Programmieren und elektrischer Verdrahtung, sondern auch den Griff zu Hammer, Säge und Lötkolben erfordert haben."
Seither hat sich in diesem Bereich einiges getan, Aufbau und Bedienung sind einfacher geworden, VR hat es auch in private Haushalte geschafft. Fuhrmann legt für viele Projekte dennoch immer noch Hand an. "Ich habe in dem Bereich viele Projekte gemacht, die man nicht von der Stange kaufen kann", so Fuhrmann. So hat er beispielsweise für Neurobiologen vom Biozentrum der Universität Wien eine virtuelle Umgebung für handgroße Jagdspinnen gebaut.
"Es war ein bisschen wie ein Hamsterrad, das in zwei Richtungen geht", beschreibt Fuhrmann das Laufgehege, das er für die Tiere konstruiert hat: Eine Kugel mit einem Meter Durchmesser, auf der die Spinnen laufen, umgeben von einem Zylinder, auf den eine virtuelle Umgebung projiziert wird. Dort könne man ihnen Sachen vorgaukeln, die in der Realität nicht möglich wären. Zum Beispiel wenn sich die Kugel um 90 Grad, die Umgebung sich aber um 180 Grad dreht. So könne man feststellen, ob die Spinne mehr auf visuelle Stimuli reagiert, oder ob sie ihren Beinen vertraut. "Die Gefährdung war dabei nicht durch die Spinnen, sondern durch meine Frau, die mir gesagt hat, dass sie sich scheiden lässt, wenn ich eines der Tiere mit nach Hause bringe."
Internet der Schildkröten, Internet des Toasts
Auch in seiner Freizeit ist Fuhrmann häufig am Basteln - so fertigte er etwa ein 'Internet of Turtles' für das Haustier seiner Tochter an: ein kleines Gerät im Kühlschrank, das Temperatur und Luftfeuchtigkeit misst und ihn über sein Handy benachrichtigt, wenn die Werte zu stark abweichen, "damit die Schildkröte überlebt und meine Tochter mir nicht die Hölle heiß macht." Sein letztes privates Projekt war für seinen Sohn. "Er gibt immer Toast in den Toaster, und dann vergisst er darauf - bis der Toast wieder kalt ist. Also haben wir gemeinsam ein 'Internet of Toast' gebastelt, das ihm in dem Moment, wo der Toast raus springt, eine Nachricht aufs Handy schickt.
Von der Maker-Bewegung hat er sowohl privat als auch beruflich profitiert. "In Österreich gibt es deswegen mittlerweile genügend Läden, die seltsame, elektronische, elektromechanische Einzelstücke zu kulanten Preisen anbieten. Vieles, was früher mit einem logistischen Aufwand verbunden war, wie spezielle Displays, Leuchtdioden oder integrierte Schaltkreise, ist heutzutage bei entsprechenden Geschäften ganz einfach zu bestellen. Das ist sehr angenehm geworden."
Sich selbst würde er trotzdem nicht unbedingt als Maker bezeichnen. "Wenn man sich die Definitionen ansieht, bin ich einer", erklärte Fuhrmann, "aber der Begriff wäre mir so nicht eingefallen. Am Institut (Anm.: der TU Wien) haben sie mich immer MacGyver genannt, das kommt vielleicht eher hin. Oder doch kreativer Chaot? Ich bekomme Sachen zum Laufen; nicht unbedingt auf die eleganteste Weise, aber so, dass sie ihren Zweck erfüllen."
Von Anna Riedler / APA-Science