Was junge Menschen "machen" können
Laufroboter bauen, mit einem 3D-Scanner Büsten erstellen oder Palatschinken drucken: Das Angebot, sich als "Macher" zu betätigen, ist auch für Kinder und Jugendliche im Wachsen. Vor allem Kurse und Workshops rund um neue Technologien sind beliebt.
"Das große Schlagwort ist Digitalisierung, darum sind 3D-Drucker und Lasercutter so reizvoll", erklärte Gerlinde Heil, Leiterin des Vereins Science Pool, der unter anderem Workshops in Schulen und Kindergärten durchführt. Eltern würden natürlich auf diesen Trend aufspringen. "Sie wollen, dass ihre Kinder nicht zurückbleiben und die Fertigkeiten aufweisen, die sie selbst in ihrer Jugend ja noch nicht vermittelt bekommen haben. Es ist neu, toll und cool. Aber es ist nicht wichtiger als die Basis zu verstehen", so Heil gegenüber APA-Science.
Deshalb umfasse das Angebot des Science Pools nicht nur digitale Sachen, sondern etwa auch Spinnräder und Dampfmaschinen. "Es ist notwendig, Mechanik, Werkzeuge oder einen Pleuel zu verstehen. Ich kann keine digitale Welt aufbauen, wenn ich nicht gelernt habe, die analoge Welt zu beherrschen. Das eine ist ohne das andere nicht möglich", ist die Expertin überzeugt. Schon Kindergartenkindern ab vier Jahren könne man Stromkreise näher bringen. "Sie verstehen, dass da Elektronen herumlaufen und etwas zum Leuchten oder Wackeln bringen", sagte Heil. Beim Bau kleiner Roboter wiederum würden die Kinder sehr schnell merken, dass sie selber etwas herstellen können.
Klassische "Maker"-Angebote eher ungeeignet
Klassische "Maker"-Angebote wie Happylabs seien auf eine andere Zielgruppe ausgerichtet und für junge Menschen daher weniger geeignet. "Labs und Spaces haben das Problem, dass die Infrastruktur meist nicht in Gruppengröße vorhanden ist. Wenn ich eine Klasse mit 25 Schülern bei mir habe und nur zwei 3D-Drucker zur Verfügung stehen würden, dann könnte der Großteil nur zuschauen wie der Drucker druckt. Das ist relativ öde", so Heil. Außerdem sei die Schwelle bei herkömmlichen Maker-Labs für junge Leute ziemlich hoch: "Die wissen, dass dort die absoluten Spezialisten sind, die ganz tolle Sachen machen. Da gehen Jugendliche nicht so gerne rein. Bei uns kommen sie in einer Gruppe. Das ist einfacher als sich als Einzelner ein Herz fassen zu müssen."
Für die Älteren würden konkrete Projekte angeboten, bei denen man als Coaches zur Verfügung stehe und mit ihnen plane und entwerfe. Sie könnten auch die Werkstatt benutzen, aber nur nach Anmeldung. An Science-Labs, also Workshops, die am Science Pool-Standort in Wien stattfinden, würden jährlich rund 12.000 Personen teilnehmen. Bei den Science-Clubs, die einmal in der Woche im Kindergarten oder der Schule angeboten werden, machen laut Heil rund 7.000 Kinder im Jahr mit. Darüber hinaus gibt es Ferienprogramme und viele andere Formate, die beispielsweise von Ministerien oder dem Land Niederösterreich beauftragt sind.
Rund 250.000 junge Menschen pro Jahr erreicht
"Insgesamt erreichen wir ungefähr 250.000 junge Menschen pro Jahr - inklusive Großveranstaltungen, wie die Lange Nacht der Forschung, die wir für Wien organisieren, oder Initiativen wie 'Science Experts'", erklärte Heil. Beispiele, was von jungen Leuten so entworfen und gebaut wurde, sind im "Museum der Nerdigkeiten" - einer Sammlung außergewöhnlicher Exponate - zu sehen. "Hier kann man Laser-Harp spielen, mit einem 3D-Scanner Büsten erstellen, einen Kaffee mit dem eigenen Porträt auf dem Milchschaum zubereiten oder Palatschinken drucken", so die Wissenschaftsvermittlerin.
Das verbindende Kernelement von (Vor-)Wissenschaft und Makertum sei Partizipation: "Ich möchte es wissen, ich möchte es können, ich möchte es tun." Die Entwicklung des Making aus der Nerd-Nische heraus, hin zu einer breit akzeptierten und als cool angesehenen Sache, habe viele positive Effekte: "Es hilft dabei, die Leute zu aktivieren und wirkt entmystifizierend. Sie lassen sich nicht von Science-Theatern berieseln, sondern erkennen, dass sie ein Teil der Wissenschaft sein können", strich Heil hervor.
Angebot wird vor allem von Privilegierten genutzt
Dass die diversen - meist kostspieligen - Angebote, vor allem von privilegierten Kindern und Jugendlichen genutzt werden, bestätigte Heil: "Das ist definitiv so. Die Schere geht weit auf. Man muss sich wirklich anstrengen, um Kinder zu erreichen, die sonst nicht zu diesen Angeboten finden würden." Öffentliche Stellen und Sponsoren seien für das Thema offen, "aber das Geld wächst nicht auf den Bäumen". Beim Verein Science Pool würden Familien und Personen, die es sich leisten können, für die Workshops bezahlen. Der damit erzielte Überschuss laufe in Angebote für jene, die dazu nicht in der Lage sind.
Der Mädchen-Anteil bei den Science Pool-Programmen liegt derzeit bei rund 40 Prozent. Da Kinder aber immer noch verschieden erzogen würden, gehören Buben und Burschen - etwa ab dem Volksschulalter - eher zur Maker-Szene als Mädchen, so Heil: "Da kann man aber ein bisschen gegensteuern, indem eigene didaktische Formate geschaffen oder Angebote entwickelt werden, die beispielsweise etwas mehr von der ästhetischen als der technischen Seite kommen. Zum Ziel führen letztlich beide Wege."
Eine neue Schiene ist derzeit in Vorbereitung: Künftig werden auch Workshops für ältere Personen, die in ihrem Berufsleben nicht mehr von der Digitalisierungswelle erfasst wurden, angeboten. "Da gibt es großes Interesse, auch wenn es für viele schwierig ist, da noch mithalten zu können."
Von Stefan Thaler / APA-Science