Chancen auf Prävention von Gelenksrheuma
Bisher werden rheumatische Erkrankungen als chronische Leiden angesehen. Aktuelle Studien weisen jetzt erstmals darauf hin, dass eine gezielte frühe Behandlung bei Personen mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung von Rheumatoider Arthritis (RA; Gelenksrheuma) das Auftreten von Symptomen und Schäden an Gelenken möglicherweise verhindern oder zumindest verzögern kann.
Entsprechende aktuelle Erkenntnisse werden in den kommenden Tagen (30. August bis 2. September) beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Leipzig diskutiert. "Mehrere internationale Studien befassten sich zuletzt mit der Frage, inwieweit Patienten mit einem hohen Risiko für eine rheumatoide Arthritis von einer vorbeugenden medikamentösen Behandlung profitieren", schrieb die deutsche Fachgesellschaft.
"Perspektivisch könnten diese Erkenntnisse die Behandlung von Menschen mit Rheuma grundlegend verändern, da Erkrankungssymptome schon vor Ausbruch verhindert werden können", sagte Andrea Rubbert-Roth, stellvertretende Leiterin der Klinik für Rheumatologie am Kantonsspital St. Gallen (Schweiz). Doch derzeit ist es noch schwierig Risikopersonen ausreichend sicher zu identifizieren.
"Wir kennen zwar die Auslöser - z.B. das Rauchen oder Feinstaubbelastung - und wissen auch, dass sie Rheuma fördernde Faktoren im Blut verursachen. Wenn Betroffene zum Zeitpunkt der Messung keine muskuloskelettalen Beschwerden aufweisen, bedeutet der Nachweis aber nicht zwangsläufig, dass diese Personen später eine rheumatoide Arthritis entwickeln wird", erläuterte die Expertin.
Eine niederländische Studie hat Methotrexat (MTX), ein etabliertes Medikament zur Behandlung von RA (auch: chronische Polyarthritis), als potenziellen präventiven Ansatz untersucht. Es wurde Probanden verabreicht, die bereits unter nicht-entzündlichen Gelenkschmerzen litten. Während MTX das Auftreten klinischer RA-Symptome nicht vollständig verhinderte, legen die Studienergebnisse aber nahe, dass das Medikament den frühen Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen kann.
Erfolgreiche Studie mit Abatacept
Eine noch vielversprechendere Strategie setzt auf das Medikament Abatacept, ein Biotech-Medikament, dass dämpfend auf das Immunsytem wirkt. Neue Studien zeigen, dass eine frühzeitige Behandlung mit Abatacept bei Personen, die muskuloskelettale Beschwerden aufweisen und entzündliche Veränderungen in bildgebenden Untersuchungen (MRT; Magnetresonanzuntersuchung) zeigten, das Auftreten von RA-Symptomen reduzieren kann.
"Die in Deutschland durchgeführte ARIAA-Studie ergab, dass Abatacept signifikant seltener zur Entwicklung einer klinischen RA führte und die entzündlichen Veränderungen im MRT verringerte. Nach 18 Monaten, also zwölf Monate nach Ende der Therapie, wurde eine RA bei 35 Prozent der Abatacept-Patienten, jedoch bei 57 Prozent der Placebo-Patienten beobachtet. Auch die MRT-Ergebnisse waren besser nach einer sechsmonatigen Therapie mit Abatacept", teilte die deutsche Rheumatologengesellschaft mit.
"Gegenüber der Studie mit MTX waren hier Probanden eingeschlossen, die aufgrund mehrerer Faktoren ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko hatten, was dem Ergebnis große Aussagekraft verleiht", resümierte Andrea Rubberth-Roth. Abatacept blockiere die T-Zellen, die bei der frühen rheumatoiden Arthritis eine wesentliche Bedeutung haben. Beide Studien sind noch nicht als Vollpublikation erschienen. Eine weitere Studie (APIPPRA), die in Großbritannien und den Niederlanden stattfand, bestätigte diese vielversprechenden Ergebnisse und unterstrich die gute Verträglichkeit einer frühen Intervention bei Hochrisikopatienten. Die langfristige Wirksamkeit dieser Behandlungsansätze wird derzeit weiter erforscht.
"Die Möglichkeit, das Auftreten von Rheumatoider Arthritis zu beeinflussen, eröffnet den betroffenen Personen neue Perspektiven auf eine verbesserte Lebensqualität. Entscheidend wird aber sein, Risikopatienten zu erkennen und den richtigen Zeitpunkt für den Start einen präventiven Behandlung auszumachen. Denn jede medikamentöse Behandlung bringt auch Belastungen mit sich", sagte Christoph Baerwald, Kongresspräsident der DGRh und emeritierter Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig.