Klimaschutz: Großteil der politischen Maßnahmen zeigt wenig Wirkung
Nur wenige politische Klimamaßnahmen, meist in bestimmten Kombinationen, führen zu deutlichen Emissionsreduktionen. In lediglich 63 Fällen wurde eine Wirkung der über 1.500 untersuchten Maßnahmen in substanziellem Ausmaß erzielt. Ein Erfolgsfaktor sind vor allem Steuer- beziehungsweise Preisanreize, ergibt die Analyse von Politikinterventionen aus 41 Ländern in mehr als zwei Jahrzehnten durch ein internationales Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung.
Quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr und sowohl in Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern habe sich gezeigt, dass es auf den richtigen Mix der Maßnahmen ankomme, so Studienleiter Nicolas Koch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Nur auf Subventionen oder Regulierung zu setzen, reiche nicht. So hätten die Forschenden keinen Fall mit deutlicher Emissionsreduktion gefunden, wenn ein Verbot - etwa von Kohlekraftwerken - ohne Begleitmaßnahmen eingeführt worden sei. Erst im Zusammenspiel mit Instrumenten wie CO2- und Energiesteuern würden sich Erfolgsfälle zeigen.
Forscher: In Österreich deutlicher Nachholbedarf
Als substanzielle Effekte sehe man Emissionsreduktionen in einer Größenordnung von acht Prozent oder mehr gegenüber dem zu erwartenden Pfad, wenn es keine politischen Eingriffe gebe, erklärte der österreichische Co-Autor Moritz Schwarz, der an der Universität Oxford und Technischen Universität Berlin forscht, im Gespräch mit der APA. Die 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik haben den Angaben zufolge zu Rückgängen von durchschnittlich 19 Prozent geführt. In Österreich konnte keine einzige substanzielle Emissionsreduktion im Gebäude-, Strom- oder Industriesektor identifiziert werden, verwies Schwarz auf deutlichen Nachholbedarf.
Einzig im Verkehrssektor habe sich eine Episode einer erfolgreichen Reduktion im Jahr 2006 gezeigt, die durch verbesserte Methoden nun im Gegensatz zu Vorstudien identifiziert werden konnte. "Durch Reformen im Bereich der Lkw-Maut und der Erhöhung der Mineralölsteuer konnten die Verkehrsemissionen in Österreich um 11,3 Prozent gesenkt werden", sagte Schwarz. Das heiße nicht, dass andere Maßnahmen nicht gegriffen hätten, aber es seien keine wirklich großen Effekte nachweisbar, die nicht durch generelle Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklungen erwartbar wären. Er hält für entscheidend, "dass wir in Österreich einen effektiven Mix aus Preis- und Steueranreizen sowie regulatorischen Maßnahmen finden, um unsere Klimaziele erreichen zu können".
Im Gebäudebereich seien die großen Stellschrauben unter anderem Gebäudestandards, Raumordnung, Stadtplanung und Anreize zur Umstellung auf umweltfreundliche Heizsysteme. Als effektive Maßnahmen im Verkehrssektor sieht Schwarz Preisanreize im Bereich von Mineralölsteuern und speziell CO2-Steuern. Diese seien zum Teil auch isoliert umgesetzt schon sehr wirksam. Im Industrie- und Stromsektor stehe Österreich grundsätzlich ganz gut da und habe durch den europäischen Emissionshandel auch keine schlechte Ausgangslage zur Emissionsreduktion.
Soziale und gesellschaftspolitische Auswirkungen mitdenken
Bei allen klimapolitischen Maßnahmen müssten soziale und gesellschaftspolitische Auswirkungen mitgedacht werden, um die Unterstützung der Bevölkerung nicht zu verlieren, betonte der Experte. Entsprechende Effekte könnten beispielsweise abgefedert werden, wenn man regulatorische Eingriffe mit Förderungen kombiniere. Die aktuelle Diskussion um das heimische "Dieselprivileg" wollte der Forscher nicht kommentieren, nur so viel: "Reformen bei der Förderung von fossiler Energie, also kontraproduktiven Anreizen, haben historisch gesehen Erfolge gebracht. Man muss sich aber überlegen, wo ein Anreiz, der ja einen Hintergrund hat, so verändert werden kann, dass er zwar zu einer nachhaltigen Dekarbonisierung beiträgt, aber auch seine soziale und wirtschaftliche Funktion erfüllt", so Schwarz.
Internationale Erfolgsbeispiele im Verkehrsbereich sind laut den Autoren die Ökosteuerreform ab 1999 und die Einführung der Lkw-Maut im Jahr 2005 in Deutschland sowie Emissionsreduktionen in den USA durch Steueranreize, Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge und CO2-Effizienzstandards. Im Industriesektor habe China mit der Einführung von Emissionshandelssystemen, dem Abbau von Subventionen auf fossile Brennstoffe und stärkeren Finanzierungshilfen bei Energieeffizienzmaßnahmen gepunktet. Im Stromsektor in Großbritannien habe die Einführung eines CO2-Mindestpreises, ein breiter Mix mit Subventionen für erneuerbare Energien und ein Ausstiegsplan aus Kohlekraftwerken zu substanziellen Effekten geführt. Generell seien Preismechanismen in der Industrie und im Stromsektor besonders wirksam, im Gebäude- und Verkehrssektor eine Kombination aus Anreizen und Regulierungen.
Dashboard "Climate Policy Explorer" veröffentlicht
In der von PIK und MCC geleiteten Studie, die in der Fachzeitschrift "Science" erschienen ist, habe man einen neuen Ansatz verfolgt, ergänzte der ebenfalls aus Österreich stammende Co-Autor Felix Pretis, der an den Universitäten von Victoria (Kanada) und Oxford (Großbritannien) forscht. Anders als in vorherigen Arbeiten hätte man nicht einzelne Klimaschutzmaßnahmen analysiert, sondern nach drastischen Emissionsreduktionen gesucht und diese dann möglichen Interventionen zugeordnet. Die Auswertung berücksichtige 1.500 Maßnahmen aus der Zeit von 1998 bis 2022 von energetischen Bauvorschriften über Kaufprämien für klimafreundliche Produkte bis hin zu CO2-Steuern.
Ein begleitend veröffentlichtes Dashboard - der "Climate Policy Explorer" - soll die Ergebnisse der Studie nach Ländern und Politikmaßnahmen interaktiv nachvollziehbar machen.
Service: Fachpublikation: https://dx.doi.org/10.1126/science.adl6547, "Climate Policy Explorer" ab Freitag online: http://climate-policy-explorer.pik-potsdam.de/