"Open Innovation: Status quo und Chancen"
Open Innovation wird nicht nur in der Managementliteratur und auf Innovationskongressen diskutiert, sondern zunehmend auch in der breiteren Öffentlichkeit thematisiert. Erst jüngst hat sich auch die Bundesregierung dazu entschlossen, die Entwicklung einer Open Innovation Strategie für Österreich voranzutreiben. Open Innovation wird als neues Paradigma interpretiert, das nicht nur auf wirtschaftliche AkteurInnen beschränkt ist, sondern auch Anwendungspotenzial für Wissenschaft und Zivilgesellschaft hat bzw. diese involviert (1). Im Zentrum steht die Idee, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen AkteurInnen, wie Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Universitäten, KundInnen, BürgerInnen, Internet-Communities und die öffentliche Hand, gemeinsam neue Technologien, Produkte und Lösungen entwickeln und durchsetzen.
Empirische Daten über die tatsächliche Verbreitung von Open Innovation in Österreich sind bislang rar. In einer aktuellen gemeinsamen Studie des Austrian Institute of Technology (AIT) und des Austria Wirtschaftsservice (AWS) wurde erstmals die Verbreitung von Open Innovation-Strategien in der österreichischen Wirtschaft untersucht. Dabei wurden Daten zu offenen Innovationsstrategien an 95 Unternehmen des Produktions- und Dienstleistungssektors erhoben. Diese Unternehmen aller Größenklassen gelten allesamt als innovationsaktiv, d.h. sie haben in der Vergangenheit bereits aktiv Innovationen am Markt eingeführt.
Es gibt unterschiedliche Formen und Varianten von Open Innovation, die von der Einbindung der Kunden mithilfe des Lead User-Ansatzes über die Ausschreibung von Ideenwettbewerben im Internet bis hin zum Engagement bei der Entwicklung von Open Source-Software reichen. Die Erhebung zeigt, dass bereits zwei Drittel der untersuchten Unternehmen mit KundInnen, LieferantInnen und Forschungseinrichtungen interagieren, um neue Ideen zu entwickeln. Dies steht im Einklang mit anderen Studien, die belegen, dass KundInnen, LieferantInnen und WettbewerberInnen die wichtigsten Quellen für Innovation darstellen (2). Neuere und internetbasierte Formen von Open Innovation, wie Crowdsourcing und Entwicklung von Open Source-Software, oder neue Wege zur Kommerzialisierung von Innovation, etwa durch Corporate Venturing, werden jedoch erst von einer kleinen Anzahl von Unternehmen durchgeführt: Rund fünf bis zehn Prozent der untersuchten Unternehmen nutzen derartige Methoden. Immerhin knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen passen im Zuge der Öffnung des Innovationsprozesses bereits das Geschäftsmodell an, z. B. indem sie neue Dienstleistungen anbieten.
In Bezug auf die Verbreitung von Open Innovation kann zusammenfassend konstatiert werden, dass rund ein Fünftel der Unternehmen ohne Interaktion mit Externen innovieren und in diesem Sinne eine traditionelle "geschlossene" Innovationsstrategie verfolgen. Methoden wie die Organisation von Kreativitätsworkshops mit eigenen MitarbeiterInnen oder betriebliche Vorschlagswesen kommen hier zur Anwendung. Knapp mehr als die Hälfte der Unternehmen kooperieren gemeinsam mit ausgewählten PartnerInnen bei Innovationsaktivitäten und rund ein Viertel der untersuchten Unternehmen können bereits heute als Unternehmen klassifiziert werden, die eine avanciertere Open Innovation-Strategie verfolgen. Während sich in Bezug auf die Verbreitung von Open Innovation-Strategien zwischen den Branchen und der Unternehmensgröße kaum Unterschiede festmachen lassen, liefert die Erhebung Befunde, dass Unternehmen, die mehr in Forschung und Entwicklung investieren, auch in stärkerem Ausmaß auf Open Innovation setzen.
Warum werden Open Innovation-Strategien verfolgt?
Die Identifikation von Kundenbedürfnissen und Technologietrends sind die beiden wichtigsten Motive für die Öffnung des Innovationsprozesses, die jeweils mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen als relevant oder sehr relevant einstufen. Weiters versprechen sich Unternehmen kürzere Produktentwicklungszeiten, den Zugang zu neuen Märkten und die Reduktion des Risikos für das Scheitern eines Innovationsprojekts.
Im Rahmen der Unternehmensbefragung wurden auch die Barrieren für die Einführung von Open Innovation-Strategien untersucht. Dabei erklären rund zwei Drittel der Firmen, dass sie bei einer Öffnung große Bedenken haben, dass der Schutz von kritischem, internem Know-how nicht mehr gewährleistet werden kann und dieses aus dem Unternehmen abfließen könnte. Hier empfehlen sich entsprechende strategische Vorkehrungen und die genaue Definition, bis zu welchem Grad Prozesse geöffnet werden und was der Geheimhaltung unterliegen muss. Unternehmen stehen dabei auch vor der Frage, wie Verträge gestaltet werden können und welche rechtlichen Schutzmöglichkeiten bestehen. Auch das Geschäftsmodell bleibt hier häufig nicht unberührt, was etwa von rund einem Drittel der untersuchten Unternehmen als besonders herausfordernd betrachtet wird. Denn die Öffnung des Innovationsprozesses nach außen setzt auch eine entsprechend offene Unternehmenskultur nach innen voraus, eine vor allem von großen Unternehmen häufig geäußerte Hürde für die Etablierung von Open Innovation.
Lassen sich positive Effekte auf die Performance von Unternehmen nachweisen?
Die Studie liefert in der Tat empirische Evidenz, dass Unternehmen, die Innovationsprozesse aktiv öffnen, höhere Profite erzielen. Des Weiteren zeigt sich, dass Unternehmen, die sich stärker nach außen öffnen, höheren Innovationsoutput in Form von Weltneuheiten kreieren.
Die Untersuchung illustriert damit zusammenfassend, dass bereits heute der Großteil der Unternehmen die Innovationsprozesse öffnet, wenngleich anspruchsvollere Internet-basierte Methoden, wie Crowdsourcing oder die Nutzung von Kunden-Communities, noch wenig verbreitet sind. Open Innovation-Strategien werden von unterschiedlichsten Unternehmen aktiv implementiert und beschränken sich nicht auf spezifische Branchen und Konsumgütermärkte. Die österreichischen Unternehmen profitieren sehr stark von den neuen offenen Innovationsmodellen, trotz der potenziellen Gefahr, damit spezifisches Unternehmens-Know how preiszugeben. Dieser Nachteil wird aber nachweislich durch einen höheren Innovationsgrad der Produkte, ein besseres Verständnis der Kundenwünsche, die frühzeitige Erkennung von neuen Technologietrends und schnelleren Entwicklungszeiten mehr als wettgemacht.
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(1) Der Begriff Open Innovation wurde durch Henry Chesbrough geprägt, der 2003 mit seinem Buch "Open Innovation. The New Imperative for Creating and Profiting From Technology" fordert, dass Unternehmen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Partner - von der Ideengenerierung bis hin zur Kommerzialisierung am Markt - kooperieren sollten.
(2) Auswertungen des Community Innovation Survey zeigen, dass die Bedeutung externer Quellen für die Ideengenerierung in den letzten 20 Jahren sukzessive zugenommen hat (vgl. Dachs und Leitner 2009, Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2015).
Referenzen
Chesbrough, H. (2003): Open Innovation. The New Imperative for Creating and Profiting From Technology, Harvard University Press, Boston.
Dachs, B., Leitner, K-H. (2009): Open Innovation als neues Innovationsmodell: Empirische Befunde und Perspektiven für Österreich, Wirtschaftspolitische Blätter, 3, S. 183-198.
Enkel, E. (2011): Open Innovation. Wie machen es die Besten?, Zeitschrift für Führung und Organisation (zfo), 80. Jahrgang, S. 415-421.
Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2015. Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat gem. § 8 (2) FOG über die Lage und Bedürfnisse von Forschung, Technologie und Innovation in Österreich, Wien.
Leitner, K-H., Felder, C., Kasztler, A., Rhomberg, W. (2015): Neue Innovationsmodelle: Potentiale und Herausforderungen für die österreichische Wirtschaft und Innovationspolitik, Projekt für die Austria Wirtschaftsservice GmbH, AIT-IS-Report, Vol. 10, Wien.