Lehrermangel - Bewerbungslage gut, noch 100 Stellen unbesetzt
Gut eine Woche vor Start des Schuljahrs in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland sind österreichweit noch rund 100 Lehrerposten unbesetzt, wie Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) bei einer Pressekonferenz berichtet hat. Laut Ressort liegt diese Zahl im üblichen Bereich, die es durch Karenzen etc. immer gibt. "Wir werden im kommenden Jahr jede Unterrichtsstunde halten können", betonte Polaschek. Die Bewerbungslage sei gut.
Im Vergleich zum letzten und vorletzten Jahr seien schon viel mehr Stellen fix besetzt, sagte der Minister. Insgesamt gibt es über 125.000 Lehrerinnen und Lehrer. Für heuer wurden rund 8.000 Voll- und Teilzeitstellen neu ausgeschrieben, der Großteil (rund 5.200) davon an den Pflichtschulen (Volks-, Mittel, Sonder- Polytechnische- und Berufsschulen).
Wo es bis zum Schulstart nicht gelingt, noch qualifiziertes Personal zu finden, sollen die Bildungsdirektionen Lehramtsstudierende in fortgeschrittenen Semestern ansprechen. In Einzelfällen stehen auch Pensionistinnen und Pensionisten in den Klassen.
Mehr Interessierte als im Vorjahr
Mit den Bewerbungszahlen zeigte sich Polaschek höchst zufrieden. Fast 14.200 Interessierte hätten sich gemeldet, 3.000 mehr als im Vorjahr. Unterm Schuljahr wird es wegen Schwangerschaften, Krankenständen etc. wie üblich noch weitere Ausschreibungen geben.
Ein "Erfolgsfaktor" ist für Polaschek die Digitalisierung des gesamten Bewerbungsprozesses: Heuer wurden zum zweiten Mal alle Lehrerstellen zum selben Zeitpunkt digital auf der Plattform www.klassejob.at ausgeschrieben, Interessierte müssen sich also nicht mehr bei mehreren Bildungsdirektionen bewerben.
"Ein großer Personalpool" seien außerdem die Quereinsteiger in der Sekundarstufe (v.a. Mittelschule, AHS, BMHS). Mit dem im Vorjahr breit ausgerollten Modell "wird der Personalpool nachhaltig größer und entlastet die Situation", so der Minister. Insgesamt beginnen im kommenden Schuljahr 500 Quereinsteiger ihre Berufslaufbahn als Lehrer, das sind sechs Prozent der neue Lehrkräfte. Im Vorjahr waren es 700.
Quereinsteiger brauchen Zertifizierung
Bei dem Modell können Absolventinnen und Absolventen mit passendem Studium (etwa Betriebswirtschaft für das Fach Mathematik) und passender Berufserfahrung (z.B. Statistiker, Wirtschaftsprüfung) mit einem regulären Lehrervertrag an den Schulen arbeiten, berufsbegleitend müssen sie ein Quereinsteiger-Studium an einer Pädagogischen Hochschule (PH) abschließen. Voraussetzung für den Einsatz als Quereinsteiger ist eine erfolgreiche Zertifizierung.
Dafür haben sich bisher 7.500 Personen beworben, rund 3.700 wurden für jeweils konkrete Unterrichtsfächer zertifiziert. "Das zeigt, dass das Auswahlverfahren ein durchaus strenges ist", so Polaschek. Anders als Deutschland oder die Schweiz leiste sich Österreich auch in einer Situation, wo man Lehrer suche, trotzdem Qualität, betonte auch Andreas Schnider, der die Zertifizierungskommission leitet.
Das Zertifizierungsverfahren sei dabei stark auf den Bedarf an den Schulen abgestimmt. Mit Informatik, Mathematik und Digitaler Grundbildung gebe es gerade in jenen Bereichen Zertifizierungen, wo viele Lehrer gesucht werden. Die neuen Perspektiven der Quereinsteiger seien zudem eine Bereicherung für die Schulen. Diese würden Erfahrungen aus Wirtschaft, Forschung, Industrie, Umweltmanagement und Medien mitbringen - "Kompetenzen, die wir alle in den Schulen brauchen". Er hoffe deshalb, dass das Modell auch dann bestehen bleibe, wenn der Personalengpass behoben wurde.
Wenig "Queraussteiger"
Berichte, wonach viele Quereinsteiger schon bald nach ihrem Einstieg die Schulen wieder verlassen, sind für Schnider nicht nachvollziehbar. Bisher seien maximal 20 Personen wieder ausgestiegen, das seien ein bis zwei Prozent. Die Motive werden gerade in einer Begleitstudie erhoben.
Verhältnismäßig viele Quereinsteiger an den Schulen gibt es übrigens in den naturwissenschaftlichen Fächern, hier waren die Stellen laut Bildungsministerium am schwierigsten mit regulären Bewerberinnen und Bewerbern zu besetzen. Am mühsamsten gestaltet hat sich die Personalsuche im Pflichtschulbereich bzw. in Niederösterreich, Wien, der Steiermark und Salzburg.
Kritik an Polaschek kam von der Opposition. Die FPÖ sah in einer Aussendung eine "reine PR-Veranstaltung der ÖVP". "Wir sind noch immer Lichtjahre davon entfernt, den Lehrermangel nachhaltig zu bekämpfen", konstatierte Bildungssprecher Hermann Brückl. Lücken mit Lehramtsstudenten und pensionierten Pädagogen zu stopfen, könne keine Dauerlösung sein. "Es ist einfach falsch, wenn der Minister vorgaukelt, dass er den eklatanten Lehrkräftemangel auch nur ansatzweise im Griff hätte", befand auch NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Sie wiederholte ihre Forderung nach 20.000 zusätzlichen Pädagoginnen und Pädagogen vom Kindergarten bis zur Matura, dazu brauche es allerdings eine echte Rekrutierungsoffensive und umfassende Reformen, die den Beruf wieder attraktiver machen.