Wer "Cluster of Excellence" werden will
Das neue Exzellenzzentren-Programm des Wissenschaftsfonds FWF lockt mit bis zu 70 Mio. Euro für zehn Jahre. Noch 36 Forscherteams sind im Rennen um die mit Abstand höchste Forschungsförderung Österreichs. Wie aus der nun veröffentlichten Liste der Konsortien hervorgeht, reicht das Spektrum der Themen von "Anpassungsfähiges Denken" bis zur "Zukunft der Demokratie im Digitalen Zeitalter", unter den Antragstellern finden sich prominente Namen aus der heimischen Forschungsszene.
Nach der formalen Prüfung der als "Letter of Intent" formulierten Anträge durch den FWF hat sich die Bewerberzahl um einen potenziellen Cluster auf 36 reduziert. Im nächsten Schritt müssen die Konsortien ihr Forschungsvorhaben in einem ausführlichen Konzept vertiefen. Evaluiert werden diese von einer internationalen Jury im Hinblick auf Exzellenz, Innovationspotenzial und Synergien. Sie erstellt bis Sommer 2022 eine Shortlist. Die verbleibenden Teams werden schließlich einen Vollantrag erstellen, die endgültige Entscheidung fällt im Frühjahr 2023. Erwartet wird, dass zwischen vier und sechs Vorhaben tatsächlich realisiert werden können.
Kandidaten für Konsortien
Laut FWF haben 15 Anträge ihren Schwerpunkt in den Bereich Naturwissenschaften und Technik, elf in der Biologie und Medizin und zehn in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Seitens des FWF besteht die Hoffnung, dass sich thematisch ähnliche Konsortien noch zusammenschließen. Unter den Interessensbekundungen scheint es potenzielle Kandidaten dafür zu geben - etwa zwei Anträge zu den Themen "Vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz" unter Leitung der Uni Graz und "Bilaterale Künstliche Intelligenz" mit dem Linzer KI-Pionier Sepp Hochreiter an der Spitze. Mehrfach finden sich auch Initiativen aus dem Gebiet der Materialforschung.
Bereits im Vorfeld zusammengetan hat sich die heimische Quantenphysik. Unter dem Titel "Quantum Science Austria" (quantA) rittert ein Verbund unter der Leitung von Gegor Weihs von der Universität Innsbruck um die Millionenförderung. Mit dabei sind außerdem das Institute of Science and Technology Austria (NÖ), die Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Technische Universität (TU) Wien sowie die Unis Wien und Linz. Konzentrieren will man sich nicht auf konkrete Entwicklungen etwa eines Quantencomputers, sondern "blickt weiter in die Zukunft und geht vollkommen ungelöste Fragen am Rande unseres Verständnisses an", schreiben die Forscher in ihrem der APA vorliegenden Abstract zum Vorhaben.
"Wege zur klimawandelrobusten und klimaneutralen Gesellschaft"
Das omnipräsente Thema Klimawandel findet sich auch in der Liste der Anträge: So möchte ein insgesamt sieben Forschungseinrichtungen zählender Verbund unter der Leitung von Ilona Otto von der Universität Graz "Wege zur klimawandelrobusten und klimaneutralen Gesellschaft" beschreiten. Mit dem Wandel im alpinen Raum, was alpine Geogefahren sowie Ökosysteme anbelangt, wollen sich zwei weitere Cluster unter der Leitung der Universität für Bodenkultur und der Uni Innsbruck auseinandersetzen.
Ein sehr präsentes Thema greift ein Konsortium um Mathias Müller von der Veterinärmedizinischen Universität Wien auf: "Systemmedizin von (entstehenden) Infektionserkrankungen", heißt der Titel des Clusters, der das Thema drohender Infektionskrankheiten bei Menschen und Tieren von der molekularen-, über die zelluläre bis hin zur Ebene des gesamten Organismus bearbeiten will. Das Zentrum, das u.a. die Biologin Christa Schleper von der Uni Wien oder den Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub (CSH) Wien und der Medizinischen Uni Wien vereint. Unter Leitung des Mikrobiologen Michael Wagner von der Uni Wien will sich ein weiteres Konsortium dem Thema "Mikroben - der Schlüssel für die Gesundheit unseres Planeten" widmen.
Medizin..."ein Stück weit neu erfinden"
Im vielfältigen Reigen aus dem biologisch-medizinischen Bereich findet sich auch das Vorhaben "Molekulare Präzisionsmedizin", das von Christoph Bock von der Meduni Wien und vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der ÖAW geleitet wird. Beteiligt sind Forscher aller vier öffentlichen Medizin-Unis sowie u.a. auch Wissenschafter vom IST Austria oder der Uni Wien. Man wolle "die Medizin auf der Grundlage eines präzisen molekularen Verständnisses ein Stück weit neu erfinden", heißt es in einer Projektbeschreibung.
Zum Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften zählt der FWF etwa das Projekt unter Leitung des Sozialforschers Hajo Georg Boomgaarden von der Uni Wien zum Thema "Die Zukunft der Demokratie im Digitalen Zeitalter", den Antrag "Prosoziales Verhalten: Mechanismen und globale Probleme" des Wirtschaftswissenschafters Rudolf Kerschbamer von der Uni Innsbruck oder das Projekt "EurAsische Transformation" der Byzantinistin Claudia Rapp von der ÖAW.
Sechs der 36 Anträge stehen unter der Leitung der Uni Wien, je drei unter Leitung der Medizin-Uni Wien, der Uni Graz, der Uni Innsbruck, der TU Wien und der ÖAW. Uni Wien-Rektor Heinz Engl, "freut sich über die Beteiligung an insgesamt 26 Anträgen". Seitens der Uni Wien sind über 160 Wissenschafter in den Projektanträgen involviert, was auch deren "bisherige exzellente Leistungen" widerspiegle, so der Rektor. Allerdings bedeutet eine Zuerkennung für die beteiligten Institutionen auch einen erheblichen finanziellen Aufwand, kommen doch lediglich 60 Prozent der Mittel für ein Exzellenzzentrum von der FWF, weitere 40 Prozent müssen die Unis und Forschungsstätten selbst aufbringen.
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