Studie: Enormes Erweiterungspotenzial bei heimischen Nationalparks
Das Erweiterungspotenzial heimischer Schutzgebiete ist laut neuer Studie sehr groß. Eine Analyse des Umweltbundesamts zeigt auf, dass heimische Nationalparks um eine Fläche von 111.000 Hektar vergrößert werden könnten. Das sind 1,3 Prozent der Fläche Österreichs, hieß es in einer Aussendung des Umweltbundesamts am Dienstag. Sowohl die EU-Renaturierungsverordnung als auch die österreichische "Biodiversitätsstrategie 2030+" geben vor, sich mit dem Thema näher zu befassen.
Die Gebiete der sechs heimischen Nationalparks umfassen aktuell eine Gesamtfläche von rund 2.391 Quadratkilometer. Zu den Kernaufgaben der Parks zählen laut offiziellen Angaben Natur- und Artenschutz, Bildung, Forschung sowie Erholung. Bereits seit Frühjahr 2023 soll die Studie "Österreichische Hotspots der Biodiversität zur systematischen Naturschutzplanung", die Erweiterungsflächen zu konkretisieren versucht, schon vorliegen, wie die ob des verspäteten Publizierens verwunderten Autoren im Sommer der APA sagten. Umweltbundesamt und Klimaministerium sprachen in offiziellen Stellungnahmen von keinen Verzögerungen.
Erweiterungen könnten Biodiversität maßgeblich verbessern
Die vom Klimaschutzministerium in Auftrag gegebene Studie lokalisierte nun die Biodiversitäts-Hotspots in Österreich, um ergänzende Schutzinitiativen zu setzen. Zudem gibt es konkrete Optionen, wie die bisher bestehenden Nationalparks erweitert werden könnten. Die zusätzliche Unterschutzstellung der Flächen könnte die heimische Biodiversität maßgeblich verbessern. Dabei geht es um quantitative wie qualitative Verbesserungen, die zur Erreichung der verschiedenen politischen Ziele im Kampf gegen Artensterben und Klimakrise notwendig sind.
"Die Hotspots-Studie und die darin enthaltenen Empfehlungen sind ein Beitrag zur Umsetzung der österreichischen Biodiversitätsstrategie 2030+. Damit haben wir eine wertvolle Grundlage, um Schutz- und Sicherungsmaßnahmen für die gefährdete biologische Vielfalt räumlich zu priorisieren", sagte Helmut Gaugitsch, Bereichsleiter für Biodiversität im Umweltbundesamt.
Besondere Konzentration im östlichen Flachland
Die sogenannten Biodiversitäts-Hotspots sind Regionen mit großer, natürlicher Vielfalt gefährdeter Schutzgüter, hieß es vom Umweltbundesamt. Eine besondere Konzentration ist im östlichen Flachland im Wiener Becken, im Marchfeld, in den March- und Donauauen und im Seewinkel zu sehen. Den Kern dieser Gebiete bilden die Nationalparks Donau-Auen und Neusiedler See - Seewinkel.
Weitere Schwerpunktgebiete sind auch im restlichen Land zu finden. An der Südgrenze beherbergen die Ökoregionen Karawanken, Gailtaler Alpen, Hochobir und Koralpe zahlreiche eigenständige Arten und im Westen das Rheintal und Lechtal, die Lechtaler Alpen und das Oberinntal. In diesen Regionen, genauso wie im Flachland im Südburgenland und in der Südsteiermark, gibt es laut Expertinnen und Experten Potenzial für eine Weiterentwicklung des Schutzgebietsystems.
Die Ergebnisse wurden in fünf zwischen November 2022 und Februar 2023 abgehaltenen Workshops mit Verantwortlichen der sechs österreichischen Nationalparks erarbeitet. Nur die beiden Nationalparks Hohe Tauern Salzburg und Hohe Tauern Tirol sahen kein Erweiterungspotenzial.
Auch kurzfristige Maßnahmen vorgeschlagen
Dabei gehe es aber nicht nur um großflächige Ausdehnungen des Schutzstatus. Auch kurzfristig umsetzbare Arrondierungen sind möglich, um negative Effekte im Fall intensiver Landnutzung angrenzend an Nationalparks zu reduzieren. Viele Projekte dazu seien bereits in Planung. "Schließlich wurden auch potenzielle Korridorflächen identifiziert. Sie können eine überregionale, grüne Infrastruktur schaffen und für die notwendige Vernetzung von Lebensräumen sorgen", hieß es vom Umweltbundesamt.
WWF sieht in Österreich dringenden Handlungsbedarf
Positive Reaktionen auf die Analyse kamen von der Naturschutzorganisation WWF. Derzeit könnten nur maximal drei Prozent der Staatsfläche als streng geschützt angesehen werden, das EU-Ziel für 2030 liege aber bei zehn Prozent. "Gerade Österreich hat dringenden Handlungsbedarf", hieß es von Georg Frank, Leiter des flächenbasierten Naturschutzes beim WWF Österreich. Über 80 Prozent der nach Fauna-Flora-Habitat-geschützten Arten und Lebensraumtypen seien in keinem günstigen Erhaltungszustand.
Die letzte Gründung eines Nationalparks liege mehr als 20 Jahre zurück. WWF fordert sowohl Landesregierungen als auch die künftige Bundesregierung dazu auf, die nötigen "politischen, finanziellen und personellen Weichen" zu stellen, um Schutzgebiete zu erweitern, neu zu schaffen und zu vernetzen.
Studie basiert auf umfassender Datenbasis
Die Analyse wurde erstmals durchgeführt und basiert auf einer umfassenden Datenbasis. Verbreitungsdaten von 2.668 gefährdeten, nach EU-Recht zu schützenden und von endemischen, also nur in Österreich vorkommenden Schutzgütern wurden berücksichtigt. Dazu zählen neben Lebensraumtypen auch Farn- und Blütenpflanzen, Wirbeltiere, Insekten und andere wirbellose Tiere. Alle Daten wurden anhand eines Rasters von 6,25 mal 5,55 Kilometer aggregiert und analysiert, insgesamt waren es 2.625 Rasterzellen, teilte das Umweltbundesamt mit. Diese wurden zu 76 Ökoregionen zusammengefasst.