Forscher: Ratten gründen Freundschaft durch gegenseitige Hilfe
Ratten zeigen Empathie gegenüber eingesperrten Artgenossen und befreien sie, wenn es ihnen möglich ist. Damit gewinnen sie gleichsam Freunde, mit denen sie sich koordinieren und gemeinsam Probleme lösen, berichtet der österreichische Verhaltensbiologe Michael Taborsky im Fachblatt "iScience". Ihr Verwandtschaftsverhältnis zueinander hat hingegen keinen Einfluss auf ihre Kooperationsbereitschaft. "Erlangte Hilfe zählt demnach mehr als gemeinsame Gene", erklärte er der APA.
"Bisher war völlig unklar, warum Ratten eingeschlossene Artgenossen befreien, also welche Fitnessvorteile solches Verhalten bieten könnte, damit es sich in der Evolution durch natürliche Selektion etablieren und ausbreiten kann", so Taborsky, der emeritierter Professor an der Universität Bern (Schweiz) ist: "Ein Experiment mit der Wildform von Wanderratten (Rattus norvegicus) sollte die Folgen und Gründe ihrer Kooperationsbereitschaft aufdecken." Er führte die Studie gemeinsam mit Sacha Engelhardt und Niklas Paulsson durch.
Versuche mit Ratten-Weibchen
Die Forscher sperrten jeweils ein Weibchen in eine durchsichtige Plastikröhre mit einem von außen verschlossenen Türchen. In der Hälfte der Fälle wurden sie von einer Artgenossin, die das Türchen öffnen konnte, aus dieser misslichen Lage befreit. Bei der anderen Hälfte bekamen die eingeschlossenen Tiere keine Hilfe von der anderen Ratte und wurden stattdessen von den Forschern herausgelassen.
Beim zweiten Teil des Experiments konnten die vorher eingesperrten Ratten mit dem anderen Tier, das sie entweder vorher freigelassen hatte oder nicht, durch gemeinsamen Einsatz an Futter gelangen. Sie mussten gleichzeitig an zwei Stangen ziehen, um ein Tablett mit Haferflocken in ihre Reichweite zu holen. "Mit Partnern, die sie zuvor aus der Röhre befreit hatten, zogen sie um knapp fünfzig Prozent häufiger gemeinsam an dem mit Futter bestückten Tablett als mit den nicht kooperativen Partnern, die sie vorher also nicht befreit hatten", so die Forscher. "Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Befreiung eines Sozialpartners dessen Kooperationsbereitschaft erhöht", so Taborsky: "Demnach werden durch selbstlos erscheinende Hilfe Sozialpartner verfügbar gemacht, mit denen man, wenn nötig, gemeinsam nützliche Aufgaben lösen kann."
Zwei Rattengeschwister zogen hingegen nicht öfter gemeinsam am Tablett, als miteinander nicht verwandte Weibchen. "Die Familienangehörigkeit spielt bei der Bereitschaft für gemeinsame Aufgaben also offenbar keine Rolle", erklärte er. Die Motivation zu kooperieren gründet demnach wohl eher auf erfahrener Hilfe als auf dem Einfluss von Verwandtschaft, spiegelt also eher Gegenseitigkeit als Nepotismus wider.
Service - Studie online: https://go.apa.at/YtA40BQN