Hightech-Implantate im Kommen
Selbstauflösende, aber relativ gering belastbare Kunststoff-Implantate gibt es bereits am Markt. Weltweit wird deshalb an biodegradierbaren (selbstauflösenden) metallischen Materialien für sogenannte lasttragende Anwendungen, hauptsächlich aus speziellen Magnesium-Legierungen, geforscht. Auch das Austrian Institute of Technology (AIT) fährt auf dieser Spur.
Implantate, die von selbst "verschwinden" machen dort Sinn, wo ein Implantat nach Erfüllung seiner Aufgabe entfernt werden muss oder eine Entfernung wünschenswert wäre, erklärt Walter Ettel, zuständig für Business Development im Health & Environment Department, Geschäftsfeld Biomedical Systems gegenüber APA-Science. Von Vorteil sind selbstauflösende Implantate im wachsenden Körper von Kindern.
Das AIT hat in Zusammenarbeit mit Partnern aus Forschung und Industrie Magnesiumlegierungen entwickelt, die biologisch hoch verträglich, dabei hochfest und langsam degradierend sind. "Diese Legierungen befinden sich gerade in der präklinischen Erprobungsphase an der Medizinischen Universität Wien", so der Forscher.
Die Entwicklung dieser selbstauflösenden Magnesiumlegierungen erfolgt im Rahmen verschiedener Projekte in Zusammenarbeit etwa mit dem Leichtmetall Kompetenzzentrum Ranshofen (LKR) in Oberösterreich oder der ETH Zürich.
Verbesserung permanenter Implantate
Bei der Gruppe der permanenten Implantate richten die AIT-Experten ihr Augenmerk darauf, bereits zugelassene Metalle und Legierungen, vor allem Reintitan- und Titanlegierungen, zu optimieren. Eine Vorreiterrolle in Österreich und international eine Spitzenposition komme dem AIT bei der Weiterentwicklung der ECAP-Technologie zu. Bei diesem Verfahren (ECAP - Equal Channel Angular Pressing), das als grundlagennahe Technologie schon seit den 70er-Jahren an Universitäten angewendet wurde, werden metallische Werkstoffe durch Druck mechanisch umgeformt. "Die chemische Zusammensetzung ändert sich nicht, auch die geometrische Form bleibt erhalten, nur die Eigenschaften werden optimiert", erläutert Ettel. Da kein neuer Werkstoff enstehe, erspare man sich die für neue Materialien üblichen langwierigen Zulassungsverfahren.
"Implantate aus ECAP-optimierten Werkstoffen sind in der biologischen Umgebung länger haltbar, lassen sich aufgrund der optimierten Eigenschaften kleiner dimensionieren und können durch die weitaus höhere Festigkeit für Anwendungen mit extremen Belastungen verwendet werden", so Ettel.
Alle Patientengruppen würden von diesen verbesserten Materialien profitieren, ist Ettel überzeugt. "Besonders natürlich jüngere Menschen, wo kleinere und festere Implantate bessere Beweglichkeit und höhere Belastbarkeit bei Arbeit und Sport ermöglichen", erläutert er. Aber auch älteren Patienten, die etwa im Zuge einer Hüftoperation ein lange haltbares Implantat benötigen, komme die durch das technologische Verfahren erzielte Steigerung der Dauerwechselfestigkeit - die Belastungsgrenze, die ein dynamisch belasteter Werkstoff ohne nennenswerte Ermüdungs- bzw. Ausfallerscheinungen ertragen kann - bei Titan-Legierungen zugute.
Was die optimierten, permanenten Materialien betrifft, so soll in Kürze ein "Research Studio Austria HighPerformBioMat" im Rahmen des "Research Studios Austria"-Förderprogramm des Wissenschaftsministeriums starten. "In Kooperation mit industriellen Verwertungspartnern werden zunächst spezielle Eigenschaftsprofile definiert, dann Kleinserien mit den entsprechenden Parametern hergestellt und die Eigenschaften charakterisiert", erklärt der Forscher. Spätestens in zwei Jahren, also zur Halbzeit des auf vier Jahre angelegten Research Studios, müssen ECAP-optimierte Materialien für die Anwender aus der Industrie zur Verfügung stehen, lautet die Auflage.
Selbstauflösende Implantate bei Kindern
Das Laura Bassi Centre BRIC (BioResorbable Implants for Children) an der Medizinischen Universität Graz hat sich auf Implantatmaterialien bei Kindern spezialisiert. Kindliche Frakturen benötigen im Vergleich zu jenen von Erwachsenen eine flexiblere Unterstützung. Im Rahmen des BRIC-Projekts werden therapeutische Unterschiede genauer erforscht: Wie lange soll ein Implantat im Körper des Kindes verbleiben, welche Stabilität und Mechanik muss gewährleistet sein? Oberstes Ziel sei jedoch die Entwicklung eines resorbierbaren Werkstoffs, heißt es seitens des Zentrums.
Zwar existierten bereits derartige auf Milch- oder Zuckermolekülen basierende Implantate. Diese führten aber zu einer Übersäuerung der Zelle und würden chronische Entzündungen im Körper hervorrufen. Das BRIC-Forschungsteam arbeitet daher an der Entwicklung eines alternativen biokompatiblen Materials auf Basis von 3-Hydroxybuttersäure. Die Materialien werden in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Wien, der Universität für Bodenkultur Wien und der Technischen Universität Graz entwickelt. Bis zu seiner Anwendung in der Kindertraumatologie und -orthopädie sei jedoch noch eine mehrjährige gemeinsame Forschungsarbeit aller Projektpartner notwendig, heißt es weiter.
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science