"Digital Healthcare soll Assistenz im Alltag sein"
Der tiefgreifende demografische Wandel der Gesellschaft führt zu einer steigenden organisatorischen und finanziellen Belastung im Gesundheitswesen. Für DienstleisterInnen, GesundheitsexpertInnen und auch PatientInnen stellt sich die Frage, wie höhere Effizienz bei gleichbleibender Qualität von Behandlungs- und Versorgungsmethoden zukünftig gewährleistet werden kann.
In den Zielen der europäischen Gesundheitsstrategie werden digitale Technologien und eHealth-Konzepte explizit als Innovationsmotor für ein modernes Gesundheitswesen genannt. Telemedizinische Anwendungen ermöglichen ortsungebundene Behandlung, intelligente Kleidung misst kontinuierlich körperbezogene Parameter, assistive Roboter helfen in der Pflege und Smartphone-Apps übertragen Daten an VertrauensärztInnen und Angehörige.
Neben der Euphorie um die technischen Möglichkeiten der individualisierten Versorgung gibt es aber auch Befürchtungen hinsichtlich mangelnder Transparenz und Datensicherheit und einem Verlust des persönlichen PatientInnenkontakts.
Welche Voraussetzungen benötigen Forschung & Entwicklung im Bereich Digital Healthcare? Welche Ausbildungen und Qualifikationen werden in den zukünftigen Gesundheitsberufen erforderlich? Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit das Wohl der PatientInnen auch in Zukunft an erster Stelle steht?
Im Forschungsschwerpunkt Digital Healthcare untersucht und entwickelt die FH St. Pölten bereichsübergreifend moderne Medientechnik an der Schnittstelle zu Gesundheits- und Sozialwissenschaften und geht damit auch diesen Fragen nach.
Zu den Aktivitäten gehört etwa der Aufbau des Forschungszentrums CARMA (Center for Media Assisted Healthcare & Living) bis zum Jahr 2016. CARMA widmet sich den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft und entwickelt unter anderem Assistenzsysteme, die Selbstständigkeit und Aktivität bis ins hohe Alter ermöglichen. Bei Konzepten für Prävention, Therapie und Rehabilitation, speziell auch bei Jugendlichen, untersucht das Projekt, wie diese durch den Einsatz digitaler Technologien optimiert werden können.
Medientechnik und moderne Technologie begegnet PatientInnen und ÄrztInnen schon heute in vielen Bereichen: bei der E-Card und elektronischen Gesundheitsakte, bei EKG und Blutzuckermessung. Die Frage ist, wie man Technologie in Zukunft kontinuierlich im Gesundheitswesen einbinden kann. Zentral ist, wie Technologie das Leben der Menschen unterstützt, ohne es negativ zu beeinflussen. Mit unseren Aktivitäten im Bereich Digital Healthcare an der FH St. Pölten wollen wir die Schnittstellen zur Technologie vereinfachen und den Menschen zeigen, was möglich ist, ohne dass sie in die totale Überwachung gedrängt werden.
Ein Projekt ist zum Beispiel Sonic GAIT, in dem wir Schuhsohlen mit Sensoren und akustischem Feedback entwickeln, um PatientInnen im klinischen Umfeld zu helfen, sich in der Rehabilitation wieder einen natürlichen Gang anzutrainieren. Im Projekt BRELOMATE geht es darum, Seniorinnen und Senioren, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, mit Medientechnik zu unterstützen, am sozialen Leben teilzuhaben, zum Beispiel um von daheim aus mit einem Tablet an einem Spielenachmittag teilzunehmen, der an einem Stammtisch stattfindet. Das Tablet könnte aber auch benutzt werden, um Gesundheitswerte an ÄrztInnen zu übermitteln.
Man sieht, dass auch ältere Menschen ein Bedürfnis nach Kommunikation und Teilhabe in der digitalen Welt haben. Die Komplexität der Technologien - man muss das Tablet anstecken und aufladen, ein USB-Stecker hat zwei Ansteckrichtungen, es gibt eine komplexe Menüführung - ist jedoch ein technologisches Hindernis. Unsere Aufgabe ist es, diese Technologie zu vereinfachen.
Ich wünsche mir, dass die Zukunft nicht von der Angst vor neuen Technologien und dem gläsernen Menschen getrieben ist. Wichtig sind klare rechtliche Rahmenbedingungen, was man darf und was nicht. Das ist wichtig in der Technologieakzeptanz. Ich wünsche mir nicht, dass wir in zehn, zwanzig Jahren alle einen Chip tragen und die Daten fernauslesbar sind.
Digital Healthcare soll Assistenz im Alltag sein. Und wie schnell sich Technologie ändern kann, sieht man an den letzten Jahren: Wer hätte sich vor zwanzig Jahren vorstellen können, dass wir alle mit einem mit einem Sensor ausgestatteten Computer in der Hosentasche herumspazieren, der auf Spracheingabe reagiert, oder dass assistive Roboter unseren Rasen mähen. Neue Assistenzsysteme werden also kommen.
Kontakt:
Web: http://www.fhstp.ac.at/forschung/institute_bereiche/icmt/team/doppler-jakob
E-Mail: jakob.doppler@fhstp.ac.at
Veranstaltungstipp:
Podiumsdiskussion Digital Healthcare - Chancen und Risiken der Digitalisierung im Gesundheitswesen
08.07.2014, 13.00 - 16.00 Uhr | FH St. Pölten, kleiner Festsaal
Links:
Jakob Doppler: http://www.fhstp.ac.at/forschung/institute_bereiche/icmt/team/doppler-jakob
CARMA: http://go.apa.at/wr4nRDeM