"Anerkennung ist die einzig wahre Währung"
WissenschaftlerInnen stehen zueinander in einem Verhältnis von Konkurrenz und Kooperation. Im Wettbewerb werden die wissenschaftliche Leistungen ermittelt, die für die Scientific Community als originell und weiterführend - bis hin zum wissenschaftlichen Durchbruch - gelten. Doch eine wissenschaftliche Leistung zählt nur dann, wenn sie von anderen aufgegriffen wird. Das Zitieren einer veröffentlichten Arbeit ist daher der erste Schritt von Anerkennung, die durch die Scientific Community erfolgt.
Auszeichnungen als die öffentlichen Zeichen von Anerkennung sind nichts Neues in der Wissenschaft. Je stärker die Konkurrenz, die sich in der Regel in Internationalität ausdrückt, desto höher das Prestige. Auszeichnungen kommen in zwei Varianten vor, deren Ursprünge unterschiedlich sind. Die ältere Variante wurzelt im Mäzenatentum. Dem Mäzen steht frei, wofür er Preise aussetzt und wie sie vergeben werden. In der Geschichte der Wissenschaften wurden Preise auch gerne als Ausschreibungen für die Lösung bestimmter Probleme ausgesetzt.
Die höchste Auszeichnung dieser Art ist bis heute der Nobelpreis. Die im Jahr 1895 von Alfred Nobel unterzeichnete Nobelstiftung vergibt seit 1900 nach einem detailliert geregelten Verfahren in den von ihm angegebenen Sparten Preise für Leistungen "zum größten Wohl der Menschheit". Eigenbewerbungen sind unzulässig und gegen die Entscheidungen der Jury kann nicht berufen werden. Der Nobelpreis erzielte von Anfang an große internationale Aufmerksamkeit. Er war der erste internationale Preis auf wissenschaftlich-intellektuellem Gebiet, just zur selben Zeit, als die Olympischen Spiele nach einer 1.500 Jahre währenden Pause neu erfunden wurden. Der Nobelpreis galt als eine Art intellektueller Olympiade. Als eine geglückte Kombination von zeitlosem Mäzenatentum und hervorragender wissenschaftlicher Urteilsfähigkeit bei der Auswahl hat er bis heute nichts von seiner Faszination verloren.
Die zweite Variante ist die des zeitgenössischen Wissenschaftsbetriebs. Sie beherrscht die Vergabe von großteils öffentlichen Mitteln zum Zweck der Forschungsförderung durch ein Wettbewerbsverfahren. Sie ist die Antwort auf die enorme Ausweitung des Bedarfs an Fördermitteln, der Knappheit öffentlicher Gelder und des Überschwappens des Wettbewerbsgedankens auf die Universitäten. Längst ist der Druck zum Einwerben von Forschungsmitteln und der erfolgreichen Teilnahme in Wettbewerben unabdingbarer Bestandteil jeder wissenschaftlichen Karriere geworden.
Doch die Formen wissenschaftlicher Anerkennung sind sehr differenziert. Die inzwischen üblich gewordene Erwartung der Einwerbung von Drittmitteln muss bisweilen als Surrogat für die Qualität wissenschaftlicher Leistung herhalten. Am anderen Ende des Spektrums steht die Auszeichnung, die ein ERC Grant heute in Europa darstellt. Ähnlich wie im Sport können WissenschaftlerInnen in verschiedenen Ligen spielen. Auch hier gilt: Je internationaler, desto härter der Wettbewerb und desto größer der Wert der erzielten Anerkennung. Dahinter stehen unterschiedlich anspruchsvolle peer-review Verfahren. Um die Besten der Besten zu finden, bedarf es wissenschaftlich ausgezeichneter BegutachterInnen, deren Urteilsfähigkeit sich in einem transparenten und fairen Verfahren bewähren muss.
Jede wissenschaftliche Karriere beruht auf wissenschaftlicher Anerkennung. Diese beginnt mit dem Ziel möglichst viel in den "besten" wissenschaftlichen Fachzeitschriften, vor allem jenen mit einem möglichst hohen Impakt Faktor, zu publizieren. Das Publikationsverhalten wiederum, als Teil des track record, wird zu einem wichtigen Faktor bei den Erfolgschancen im Wettbewerb um Forschungsmittel. Die durch Publikationen erworbene Reputation wird so in reale Mittelzuweisung "umgetauscht". Diese ermöglichen es dem Principal Investigator ein eigenes Forschungsteam zu gründen oder auszubauen, was sich wiederum in intensiverer Publikationstätigkeit niederschlägt.
Der amerikanische Wissenschaftssoziologe Robert K. Merton hat dieses kumulative Phänomen der wissenschaftlichen Anerkennung als den "Matthäuseffekt" in der Wissenschaft beschrieben. Es bewirkt, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Es führt zu Verzerrungen des wahren Wertes wissenschaftlicher Beiträge, da anerkannte Wissenschaftler mehr Anerkennung für dieselben oder äquivalenten wissenschaftlichen Leistungen erhalten, als weniger anerkannte.
Erfolge in der Wissenschaft schaffen Pfadabhängigkeiten. Diese führen unweigerlich zur Konzentration, denn Exzellenz zieht Exzellenz an. Insofern ist das System nicht fair. Andererseits findet Forschung, besonders im Bereich der Grundlagenforschung, unter Bedingungen sehr großer Ungewissheit statt. Anerkennung als die einzig wahre Währung der Wissenschaft bewirkt, dass WissenschaftlerInnen bereit sind, sich dieser Ungewissheit und dem damit verknüpften Risiko des Scheitern, immer wieder auszusetzen. Aufgabe der für die Forschungsförderung Verantwortlichen ist es, den Wettbewerb fair und transparent zu gestalten. Aufgabe der Politik ist es, jene Rahmenbedingungen schaffen, die im weltweiten wissenschaftlichen Wettbewerb so etwas wie Chancengleichheit bieten.
Doch letztlich bemisst sich der Wert einer Währung an dem, wofür sie "real" steht - dem Zuwachs an wissenschaftlichem Wissen und dessen Nutzen für die Gesellschaft. Was der Mäzen Alfred Nobel richtig erkannte und mehr Menschen heute erkennen sollten.