"Ökohaus-Wettbewerb als 'Californian Dream'"
Erstaunlicherweise endet die Diskussion, wie, ob und mit welchem Erfolg junge Menschen für Lehrinhalte interessiert werden können, meistens bei der Altersgruppe der 14- bis 15-jährigen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, sieht es nicht viel besser aus. Die Natur beobachten und mit ihr, nicht gegen sie leben, ist ganz offensichtlich etwas für sehr junge oder sehr alte Menschen, "Öko-Freaks" ausgenommen.
Geht es gar um Ästhetik, so scheint es geradezu verpönt, der Natur und dem schonenden Umgang mit ihr mental oder gar praktisch zu nahe zu kommen. Nicht besser, wenngleich sehr anders, sieht es mit der Beziehung zu den Vereinigten Staaten aus. Um als geistig reger Europäer akzeptiert zu werden, wird eine ablehnende Haltung zu den USA fast vorausgesetzt. Maximal Obama darf man mögen. Sich an einem Öko-Wettbewerb in den USA zu beteiligen, geht also eigentlich doppelt nicht - ein "No-No-Go". Diese Abwehr-Mechanismen werden lediglich durch die Teilnahme international hochgelobter technischer Universitäten an diesem Wettbewerb wie Stanford oder Caltech etwas entschärft.
Ganz anders die Studierenden, die das Zielpublikum des Wettbewerbs "Solar Decathlon" sind, der vom US-Ministerium für Energie alle zwei Jahre ausgelobt wird. Die konnten der Einladung zum Wettkampf im nachhaltigen Hausbau in Kalifornien durchaus viel abgewinnen - by the way auch ich und meine beiden Kollegen, Gregor Pils und Andreas Claus Schnetzer (Projektmanagement). Zugleich war der Ehrgeiz unserer Vertretung in den USA erwacht zu zeigen, dass Österreich in diesem Bereich viel zu bieten hat. Das war der Anfang unseres "Californian Dream". Nicht lange nach unserer erfolgreichen Bewerbung begann der Ernst des Lebens. Die Zusammenstellung eines interdisziplinären Teams rief teilweise verständnisloses Kopfschütteln hervor: mit Fachhochschulen im ländlichen Bereich zusammenarbeiten - macht man das als Angehörige einer hauptstädtischen universitären Bildungseinrichtung? Niemand aus unserem inzwischen fest verschweißten Team möchte diese Entscheidung missen - bot sie doch ungeahnte Möglichkeiten, wie z. B. unter Anleitung verständnisvoller Zimmermänner mit den zahlreichen gesponserten Akkuschraubern (an dieser Stelle sei auch für unsere vielfach bewunderte "Baukluft" mit LISI-Logo gedankt) lange Schrauben in Dielen zu versenken, oder zu lernen, wie Dachbahnen verschweißt werden und PV-Module am Dach installiert werden.
Doch der Reihe nach - am Anfang stand das Entwerfen von Häusern der Zukunft "in Freiheit", das allzu rasch durch zahlreiche limitierende Randbedingungen eingeschränkt werden musste, wie z. B. durch die Anzahl der Container, die für den Transport zur Verfügung gestellt werden konnten: Sechs waren im Budget vorgesehen, mehr nicht. Vielleicht war dies die emotional schwierigste Etappe. Alle mussten zugunsten eines gemeinsamen Ziels zurückstecken, niemand konnte seinen Entwurf einfach so umsetzen. Zumindest hundertmal wurde umgeplant und gestalterisch, funktional oder kostentechnisch optimiert. Dann kam der Bau, nicht in Wien, sondern im tiefsten Kärnten, weitab von urbanen Freizeitmöglichkeiten und harte Arbeit, die außer den Studenten der FH Salzburg niemand gewohnt war. Drei Monate, die für die meisten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gingen und den Projektmanagern alles abverlangte, was sie geben konnten.
Dennoch durfte in dieser Zeit auch auf anderes nicht vergessen werden: die regelmäßigen Projektabgaben, wo alle Bau-Details genau beschrieben werden mussten und Statik, "Health & Safety" eine gleich große Rolle spielten, wie die Gestaltung des Innenraums oder die Plakate die zur Information der Besucher außen am Haus angebracht werden sollten. All das floss in die abschließende Bewertung/"Zertifizierung" unseres Wettbewerbsprojektes LISI ein, das mit dem Slogan "Living Inspired by Sustainable Innovation" seinem österreichischen Namen Ehre machen sollte. Nicht zuletzt wollten wir uns durch das Design einer "Uniform" für die festlichen und repräsentativen Anlässe des Wettbewerbs (Studenten: Sakko und Gilet mit Stecktuch, natürlich fakultativ; Studentinnen: Faltenrock und Wickeljacke) durchaus mitteleuropäisch von US-amerikanischer T-Shirt-Ästhetik abheben. Eine befreundete Mode-Designerin wusste gekonnt mit dem Klischee des Dirndlrocks zu spielen und unsere Studentinnen dafür zu begeistern.
Wir waren eines der drei Teams, die rechtzeitig mit dem Bau ihres Hauses fertig waren (keine Strafpunkte!), und alle verliebt in unsere LISI. Keiner durfte mit schmutzigen Schuhen das Haus betreten oder den Küchenbereich verschmutzen. Die Pflanzen auf den Terrassen wurden liebevoll umsorgt, der weiße Vorhang (lt. Presse das "Kleid unserer Prinzessin") perfekt drapiert, Schäden sofort ausgebessert und repariert. Der Wettbewerb und damit die Stunden der Präsentation waren gekommen. Besonderes Augenmerk hatten wir auf den Teil-Wettbewerb "Kommunikation" gelegt. Aus Erfahrung von anderen Wettbewerben wusste ich, dass wir uns sehr sorgfältig darauf vorbereiten mussten, weil Kommunikation an österreichischen Schulen erst langsam größere Bedeutung erlangt. Wir hatten daher viel Energie und Zeit in die Entwicklung von Logo, Homepage und Bildgrafik investiert. Die Kooperation mit "Creative Media" der FH St. Pölten hatte sich entlang dieser verbindenden Achsen gut entwickelt und sicherte uns mit einem "intuitive Tablet" zur Steuerung des Wohnkomforts den Sieg in diesem Teilbereich.
Die Wettbewerbssituation hatte alle Studierenden zu Höchstleistungen animiert. Jede und jeder fühlte sich für das gemeinsame Ziel, mit unserem selbstgebauten Haus LISI den Wettbewerb zu gewinnen, verantwortlich. Schon früh hatten zwei begabte "Renderer" ein schönes Promotion-Video erstellt, das durch die Visualisierungen der Leitvorstellungen von LISI uns bei vielen Sponsoren die Türen geöffnet hatte. Natürlich gab es hin und wieder auch Differenzen im Team, doch waren diese in Relation zur Gesamtaufgabe klein. Ich bin überzeugt, dass die am Projekt mitarbeitenden Studierenden mit dem Gesamtsieg des Solar Decathlon 2013 nicht nur einen image-trächtigen Preis erhalten haben, sondern vor allem für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Natur in der Zukunft gewonnen werden konnten. Das macht für mich den Erfolg dieses Wettbewerbs aus.
Ob ich nochmals am Wettbewerb teilnehmen möchte? Nein, aber ich würde mit meinen Erfahrungen gerne eine Gruppe unterstützen, die den gleichen Weg gehen möchte, z. B. bei der Teilnahme am "Solar Decathlon Europe 2016" in Aachen und ihr auf den Weg geben - take it LISI!