50 Jahre IIASA: "Best gehütetes Geheimnis" mit Blick auf große Fragen
Das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien feiert am 4. Oktober seinen 50. Geburtstag. Die im Schloss Laxenburg angesiedelte, in der Welt der Wissenschaft weithin bekannte Einrichtung ist dem Großteil der Besucher des beliebten Schlossparks aber vermutlich kein Begriff. Lange Zeit war man eine Art "best gehütetes Geheimnis" in Österreich, das ändere sich aber, so IIASA-Generaldirektor für Wissenschaft, Wolfgang Lutz.
Am kommenden Dienstag (4.10.) steigt am IIASA eine kleinere Geburtstagsfeier, am 16. und 17. November lädt man dann in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zu einer Jubiläumskonferenz in Wien. Die international renommierte Forschungseinrichtung wurde 1972 auf Initiative der USA und der UdSSR gegründet. Das IIASA sollte eine wissenschaftliche Brückenfunktion zwischen Ost und West einnehmen. Heute zählt man 22 nationale Mitgliedsorganisationen, sowie neuerdings eine Organisation, die 17 Staaten aus der Region Subsahara-Afrika vertritt.
Die großen Fragen der Menschheit
Auf "die großen Fragen der Menschheit" referenziere man laut Lutz seit nunmehr 50 Jahren. Die Forschungsarbeit fokussiert auf Fragen der Energieversorgung und -zukunft, zur Technologieentwicklung, zur Ernährungssicherheit, zum Klimawandel, Landnutzung, Biodiversität, gesellschaftlicher Ungleichheit oder zur Bevölkerungsentwicklung, so der österreichische Demograph, der die Funktion als wissenschaftlicher Leiter interimistisch bis nächsten Sommer bekleidet, im Gespräch mit der APA.
Am Schlosspark als vom Menschen gestaltetes, mehr oder weniger natürliches Umfeld lasse sich vieles über die Forschungstätigkeit des Instituts ablesen, so Lutz. In diesem Fall handle es sich um eine "erfreuliche Zusammenarbeit zwischen Mensch und Natur, das ist aber nicht überall der Fall". Um das Berechnen und Modellieren des Einflusses des Menschen auf die Erde bemüht man sich mit dem Ansatz der "angewandten Systemanalyse". Eine aktuelle Grundfrage sei, wie sich eine nachhaltige, beständige Nutzung der natürlichen Ressourcen bei gleichzeitig attraktiver Lebensgestaltung für den Menschen organisieren lässt ("Resilient Wellbeing"). "Wie geht es weiter mit der Menschheit auf diesem Planeten" und "was kann man dazu aus wissenschaftlicher Sicht sagen", fasst Lutz zusammen.
Daten und Fakten für Diskussionen liefern
Zu den teils hochpolitischen Diskussionen wolle das IIASA die Daten und Fakten liefern. Die langfristige Forschungsstrategie wird durch das IIASA-Council definiert, in dem Vertreter der Mitgliedsländer (meist die jeweiligen Akademien der Wissenschaften) sitzen. Die Expertise aus Laxenburg ist u.a. auch im Weltklimarat (IPCC) gefragt. Die Wissenschafter publizieren regelmäßig in hochrangigen Fachzeitschriften zu vielfältigen Themen. Vom Grundverständnis her versuche man die Forschungsfelder möglichst von allen Seiten und mit allen Konsequenzen zu beleuchten. Stütze man sich etwa nur auf wirtschaftliche Faktoren, vergesse man mitunter auf die sozialen Aspekte. Solche "suboptimalen" Erkenntnisse wolle man vermeiden.
Die Gründung im Jahr 1972 fiel zeitlich mit der vom "Club of Rome" erstellten Studie "The Limits to Growth" (Die Grenzen des Wachstums) zusammen. In der folgenden Dekade wurde das IIASA zur Heimat der internationalen Modellierungscommunity, sagte Lutz. Eine der Hauptautorinnen des einflussreichen Berichts, die Umweltwissenschafterin Donella Meadows (1941-2002), habe in Laxenburg in Kooperation u.a. mit Gerhart Bruckmann wichtige Akzente gesetzt.
Von Beginn an unterhielt das IIASA auch enge Verbindungen in den damaligen Ostblock. In Zeiten vor dem Internet lief über das Institut die einzige Computerverbindung in den Osten, so Lutz: "Das hat natürlich sofort Gerüchte über Spionagetätigkeiten befeuert."
Ein großes Thema ist die "Science Diplomacy" aber auch weiter. Diese ist heute breiter gefächert als die einstige West-Ost-Achse. Man sei jetzt auch mehr ein "Nord-Süd-Institut". Erst kürzlich sind in einem Verbund mehrere Staaten des südlichen Afrikas dem IIASA gemeinschaftlich beigetreten. In Zukunft werde der asiatische Raum mit der zukünftigen "Supermacht" China auch für das Institut und den wissenschaftlichen Austausch eine noch größere Rolle spielen.
Problemfall Ukraine-Krieg
Aktuell bemühe man sich überdies stark darum, sowohl die historisch guten wissenschaftlichen Kontakte in die Ukraine und nach Russland weiter am Laufen zu halten. Man beachte hier natürlich alle EU-Sanktionen, es werde aber auch einmal einen Tag nach dem Krieg geben "und die großen Menschheitsprobleme" werden nicht verschwunden sein, daher brauche es weiter den Dialog.
"In den UN-Gremien und internationalen Wissenschaftsorganisationen wird das IIASA sehr wohl als viel beachtete Stimme wahrgenommen", sagte Leiter des Wiener Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital (WIC), zu dem auch das Vienna Institute of Demography der ÖAW und das IIASA-World Population Program gehören. Ob und wie all das dann in konkrete Politik auf Länderebene einfließt, stehe auf einem anderen Blatt. Hier brauche es Persönlichkeiten, die das Wissen in die Politik und die Gesellschaft tragen. Dies wolle man künftig verbessern, so der Wissenschafter, der auch die Verbindungen zu österreichischen Wissenschaftseinrichtungen ausbauen möchte.
Service: Internet: https://iiasa.ac.at; Informationen zur Konferenz: https://iiasa.ac.at/events/iiasa50/austria