Experten vor COP29-"Nachspielzeit" zwischen Enttäuschung und Ärger
Die UNO-Klimakonferenz COP29 in Baku ist am Freitagnachmittag in die erwartete Verlängerung gegangen. Trotzdem zuvor neue Dokumente mit Vorschlägen für finanzielle Zugeständnisse von Industriestaaten eingebracht wurden, ist es vorerst zu keiner Einigung gekommen. Insgesamt regiere vor der nunmehrigen "Nachspielzeit" weitestgehend Enttäuschung und Ärger - vor allem um die heurige COP-Präsidentschaft und -Verhandlungsführung.
"Wirklich verhärtete Fronten" seien im Laufe der Woche zu beobachten gewesen, erklärte etwa die ehemalige Generalsekretärin des Weltklimarates (IPCC), Renate Christ, in einem von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" organisierten Pressegespräch. Trotzdem wäre es "sehr schlimm, das jetzt abzubrechen". Christ war zwar selbst nicht vor Ort, folgte dem Prozess aber intensiv online. Ihrer Erfahrung von rund 30 derartigen Konferenzen nach könne sie aber festhalten, dass sie noch nie so starke Kritik an einer Präsidentschaft und den Verhandlungsführern erlebt habe. Ähnlich Reinhard Mechler vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ), der Aussagen des Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Aliyev, zu "Öl und Gas als Geschenk Gottes" als "beschämend" bezeichnete.
Warnung vor einem Zurückfallen hinter die COP28
Letztlich müsse man nun auch darauf achten, dass man bei einer etwaigen Schlusserklärung nicht quasi hinter jene der COP28 in Dubai im Vorjahr zurückfalle, sagte Christ. Das erst vor knapp zwei Stunden lancierte neue Dokument habe sie zwar noch nicht eingehend studieren können. Auf den ersten Blick stimme da und dort aber die Zahlenarithmetik grundlegend nicht. Vieles sei nicht nachvollziehbar oder Punkte zur Gelder-Verteilung "sehr vage".
Käme in Baku ein Aus vor einer Einigung, bringe das Probleme für den gesamten, durchaus fragilen Prozess rund um das Pariser Klimaabkommen mit sich. So müssten die Länder nämlich ihre Emissionseinsparungszusagen bzw. -ziele im Februar aktualisieren - und eigentlich deutlich nach oben korrigieren. Auf der aktuellen COP werde aber weiter viel mehr über Finanzströme und Klimawandelanpassung und sehr wenig über CO2-Einsparungen gesprochen, sagte Christ.
250 Milliarden "sind zu wenig"
Rund um den Hauptpunkt der vergangenen Tage, die jährlichen Zahlungen für Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen, die der globale Norden an den Süden zu erstatten hat, sei die Diskussion zuletzt "rhetorisch sehr aufgeladen" gewesen: "Alle waren enttäuscht", so Mechler, der bis vor kurzem selbst in Baku war. Wenn jetzt die Industriestaaten offenbar 250 Milliarden Dollar (240 Milliarden Euro) jährlich anbieten, sei man noch weit von den geforderten 1,3 Billiarden entfernt, die der globale Süden fordert.
Diese unglaublichen Zahlen ließen sich wissenschaftlich nachvollziehen, sie seien "valide". So kam man kürzlich bei einer Analyse auf einen Bedarf von mehr als 600 Mrd. Dollar für Klimaschutz, auf 187 bis 359 Milliarden Dollar für Klimawandelanpassung und 128 bis 937 Milliarden Dollar für die Abdeckung der Kosten der Folgen der Erderhitzung in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Klar sei: 250 Milliarden "sind zu wenig".
Kein Optimismus für eine Erhöhung bei der Klimafinanzierung
Mechler zeigte sich, Stand heute, "nicht optimistisch, dass die Zahlen deutlich erhöht werden". Man sollte sich aber vor Augen halten, dass es hier "nicht um Almosen für globalen Süden" geht. Nicht nur dort wird die Veränderung zur existenziellen Bedrohung, spielte Mechler u.a. auf die jüngsten Überschwemmungen in Ostösterreich an: "Wir leben im Klimanotstand nicht in der Klimakrise."