"Digitalisierung in der Neurochirurgie: Tausende Bilddaten für eine OP"
In keiner anderen medizinischen Fachdisziplin ist die Digitalisierung so weit fortgeschritten und wichtig wie in der Neurochirurgie. Wenn im menschlichen Gehirn ein gefährlicher Tumor zu entfernen ist, dann geht es immer um die maximale Resektion des Tumors bei größtmöglichem Erhalt aller neurologischen Funktionen.
Um das zu erreichen, wird heutzutage aus den vielen digitalen Bildern, die verfügbar sind, ein 3-D-Modell des Gehirns des Patienten mit der Lokalisierung des Tumors "gebaut" und analog dazu ein Plan des anstehenden chirurgischen Eingriffs angelegt. Dabei werden oft tausende Bilddaten für eine einzige Operation fusioniert.
Vor 20 Jahren gab es diese Möglichkeiten noch nicht. Mit einfachen 2-D-Bildern ist man in die Operation gegangen, digitale Unterstützung im OP-Saal oder bei der Vorbereitung war nicht verfügbar, vieles musste durch Erfahrungswerte des Chirurgen ausgeglichen werden.
2017 steht uns eine ganze Fülle an digitaler Unterstützung zur Verfügung, um durch das Gehirn des Patienten zu navigieren. Und die Medizinische Universität (MedUni) Wien ist bei der Entwicklung und bei der Anwendung vieler digitaler Systeme weltweit führend. Wir können auf Magnetresonanzbilder (MR) mit und ohne Kontrastmittel zurückgreifen, um strukturelle Details im Gehirn darzustellen, auf funktionelle MR-Bilder, um bei bestimmten Funktionen aktivierte Hirnareale sichtbar zu machen, auf die MR-Spektroskopie, mit der es möglich ist, den molekularen Zustand von Hirngewebe zu analysieren. Dazu kommen die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Analyse von Stoffwechselvorgängen und die Computertomographie, quasi eine computergestützte Röntgenuntersuchung für Schnittbilder durch den Körper und durch Knochen. Zusätzlich haben wir die Möglichkeit, eine sogenannte Faserbahn-Darstellung des Gehirns zu erstellen, die uns die Nervenfaserbündel der weißen Substanz zeigt - zum Beispiel die Pyramidenbahn, einer motorischen Projektionsbahn des Gehirns.
Mit allen diesen digitalen Hilfsmitteln erstellen wir tausende Bilder, die uns während der OP eine präzise Navigation erlauben. Die Lage des Tumors kann dadurch ebenso exakt definiert werden wie die Wahl des Zugangs und - zusammen mit elektrophysiologischem Monitoring - wie weit man im Gehirn operieren darf, ohne neurologische Funktionen zu verletzen. Das ermöglicht eine minimal-invasive Operationstechnik - zum Beispiel mit einer kleineren Schädelöffnung als früher - und damit auch eine präzisere, personalisierte Medizin mit mehr Sicherheit für den Patienten.
Im OP selbst ist es mit Hilfe des Fluoreszenzmarkers 5-ALA möglich, während des Eingriffs relevante Gewebeproben zu entnehmen: Dabei wird Blaulicht vom Operationsmikroskop ausgesendet, das bestimmte Tumorzellen in roter Farbe fluoreszieren lässt. Das ermöglicht die Entnahme der Tumorprobe exakt an der richtigen Stelle, dem sogenannten Hot Spot - sowohl bei der Entfernung als auch bei der Biopsie von Tumoren.
Die Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien setzt wie kaum ein anderes Zentrum weltweit diese digitalen Methoden ein und entwickelt sie stets weiter. Als nächster Schritt wird es möglich sein, die vorbereiteten Bilder während der Operation (intraoperativ) und live upzudaten. Dann kann der Patient während der OP nochmals in ein MRT-Gerät geschoben werden. Etwa um zu kontrollieren, ob der Tumor wirklich zur Gänze erfolgreich entfernt wurde, oder ob es im Fall der Fälle eine Möglichkeit gibt, noch mehr zu entfernen. Dieses Projekt wurde an der MedUni Wien bereits vereinbart und wird in den kommenden Jahren umgesetzt werden - dann ist aus heutiger Sicht das Optimum erreicht.