Klimaaktivist: Forschung "noch mehr gefordert"
Zu lange wurden auch seitens der Forschung Fragen zum Klimawandel und ökologischen Verwerfungen "eher als Randthema behandelt", sagte der Forscher und Klimaaktivist Johannes Stangl im Vorfeld der Alpbacher Technologiegespräche zur APA. Hier befasst sich am Donnerstag ein Arbeitskreis mit dem Beitrag der angewandten Forschung zu den nötigen Veränderungen. Technologien und Ideen für Verbesserungen seien oft schon da, es hapere aber gewaltig bei deren Umsetzung, meint Stangl.
Während etwa technische Entwicklungen, wie günstige Solarpaneele, viele ursprünglichen Erwartungen übertroffen hätten, hinke deren Nutzung in Österreich noch hinterher, so der Wissenschafter, der zur Zeit am Complexity Science Hub (CSH) in Wien tätig ist. Ähnlich sei es bei Ansätzen zur Vermeidung von Verkehr und der Optimierung von Lieferketten: "Wir müssen die Technologien, die wir auch dank jahrzehntelanger Forschung haben, innovativ einsetzen und vor allem schnell ausrollen." Es brauche hier tatsächlich ein größeres Umdenken und Anpacken in Wirtschaft und Politik, als sich in der vagen Zukunftshoffnung auf saubere Energie aus einer "Wundertechnologie" wie der Kernfusion zu ergehen.
Stangl hat sich selbst u.a. von letzterem Bereich zum Studium der Physik und der Computer- und Datenwissenschaften motivieren lassen, um dann einzusehen, dass diese Technologie in der aktuellen Situation absehbar nicht helfen wird können. Die größere Frage sei nun, wie man sozial gerecht ökologischer wirtschaften kann, und wie das rasch auf den Weg gebracht werden kann, so der in der Fridays for Future-Bewegung aktive Wissenschafter: "Da braucht es mehr als nur Technik."
Neue Technologie zu den Menschen bringen
Hat man eine potenziell vielversprechende neue Technologie, müsse mehr getan werden, um diese zu testen und zu den Menschen zu bringen. "Es liegen viele Ideen herum. Es bräuchte aber einen eigenen Plan, wie man das gut vernetzt und in die Umsetzung bringt", gibt sich Stangl etwa in Bezug auf Mobilitätslösungen wie Carsharing am Land überzeugt: "Das gehört aber von der Politik angetrieben."
Der "Sicherung unserer Lebensgrundlagen" würden sich künftig voraussichtlich immer mehr Wissenschaftsbereiche stärker annehmen. Derart sollten auch Forschungsförderungsprogramme noch mehr in diese Richtungen ausgelegt werden. Hier sei zwar schon viel im Werden, aber: "Ganz klar braucht es auch massive staatliche Investitionen. Man hat es ja bei Corona gesehen: Wenn die Politik bereit ist, eine Krise richtig als solche zu begreifen, dann gilt auch das Paradigma 'koste es, was es wolle'." Das brauche es auch im Bezug auf die Transformationen "ungekannten Ausmaßes, die auf uns zu kommen". Gleichzeitig müsse weiter Grundlagenforschung betrieben werden, um auch "unerwartete Durchbrüche zu erzielen", so Stangl.
Grundaussage "die gleiche, wie vor 30 Jahren"
Am neuen IPCC-Bericht lasse sich erkennen, wie im naturwissenschaftlichen Bereich menschgemachte, höchst bedenkliche Entwicklungen immer exakter festgemacht und in die Zukunft projiziert werden können. Die Grundaussage sei aber "die gleiche, wie vor 30 Jahren". Zumindest jetzt sollte man sie auch wirklich hören und danach handeln.
Angesprochen auf konkrete Empfehlungen aus dem immer genaueren Problemaufriss geizen auch 2021 noch viele Wissenschafter mit Ansagen, und ziehen sich auf die Rolle des Mahners zurück. Stangl: "Ich denke, es wächst jetzt eine neue Generation von Wissenschaftern heran, die hier doch ein erweitertes Wissenschaftsverständnis hat." Unter Klimawissenschaftern würden sich immer mehr "aus einer falschen neutralen Position" herauswagen - auch weil es schwer ist, in derart existenziellen Fragen wirklich neutral zu bleiben, glaubt Stangl. Zukünftig könnten Forscher durchaus lauter in gesellschaftlichen Debatten mitreden: "Wissenschafter aller Disziplinen sind noch mehr gefordert, die Gesellschaft nicht nur zu informieren, sondern auch zu aktivieren."
(Diese Meldung ist Teil einer Medienkooperation mit dem AIT - Austrian Institute of Technology)