"Ciência Viva": Wie Portugal der Wissenschaft Leben einhauchte
Zum Start der Initiative "Ciência Viva" ("die lebendige Wissenschaft") im Jahr 1996 war in Portugal das Interesse an Wissenschaft klein und die Skepsis groß. In der Pandemie erlangte das Programm zur Wissenschaftsvermittlung internationale Aufmerksamkeit, weil die hohe Durchimpfungsrate der Bevölkerung darauf zurückgeführt wurde. Aktuell hat sich Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) anlässlich eines Arbeitsbesuchs das Erfolgsmodell angesehen.
Ins Leben gerufen vom damaligen Wissenschaftsminister und Physiker José Mariano Gago nahm "Ciência Viva" 1998 als Verein mit öffentlichen Institutionen und Forschungslaboren als Mitgliedern seine Tätigkeit auf und galt bald als eine Art soziale Bewegung für die Wissenschaft. Aufgabe sei nicht Wissenschaft zu kommunizieren, sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen die Wissenschaft auf der gesellschaftlichen Bühne auftreten kann, heißt es von der Organisation.
Portugal als Vorreiter bei der Wissenschaftsakzeptanz
Folgt man aktuellen Rankings, scheint das gelungen, hat sich Portugal seither von einem Nachzügler zu einem Vorreiter bei der Wissenschaftsakzeptanz entwickelt. Eine der wichtigsten Maßnahmen war die Etablierung von Wissenschaftszentren im ganzen Land, erklärte Ana Noronha, Geschäftsführerin von "Ciência Viva", anlässlich des Arbeitsbesuchs des österreichischen Ministers.
Inzwischen gibt es 21 dieser in Partnerschaft mit wissenschaftlichen Communities und lokalen Behörden gegründeten "Science Centers", weitere fünf sind in Vorbereitung. Sie fungieren als Lernorte und Räume zur Interaktion mit Forschenden. Bespielt werden dabei Orte, die in den lokalen Gemeinschaften schon davor bekannt waren - etwa ein altes Kloster, ein ehemaliges Gefängnis oder stillgelegte Minen und Fabriken.
Science Centers haben es in kleineren Gemeinden oft einfacher
"Ein Center muss gewollt sein. Am Papier eines in jeder größeren Stadt zu planen, bringt nichts. In einer kleinen Gemeinde ist es oft sogar einfacher als in Städten, wo es bereits Museen, Ausstellungsräume und wissenschaftliche Einrichtungen gibt", sagte Noronha. Dabei widmen sich die "Science Centers" ganz unterschiedlichen Themen von Geowissenschaften über Biologie bis zu Astronomie, die Marke und das Ziel bleiben aber gleich.
Eine Forschungseinrichtung, eine motivierte Gemeinde und ein entsprechendes Gebäude stehen meist am Anfang eines neuen Zentrums. Daraus wird ein Netzwerk modelliert, das auch örtliche Unternehmen umfassen kann. Oft gibt es auch deutliche Auswirkungen auf die Region. So habe die Gründung eines "Science Centers" in einer verlassenen Mine dazu geführt, dass sich nach und nach eine Schule, Restaurants, eine Bäckerei und ein Hotel angesiedelt hätten. Finanziert wird der Start mit lokalen, nationalen und EU-Geldern, den laufenden Betrieb übernehmen die Kommunen.
Auch an Kinder und Familien gerichtet
Neben den Zentren gibt es knapp 900 Wissenschaftsclubs an Schulen, Science Cafes zu aktuellen Themen, Space Camps für Kinder und spezielle Angebote für Teenager, "die später hoffentlich mit ihren Kindern wieder zu uns kommen", so Noronha. Im Sommer werden mehr als 370 Aktivitäten offeriert, die stark auf die ganze Familie ausgerichtet sind, etwa Exkursionen, bei denen versucht wird, alle einzubinden. Dazu kommen umfangreiche Schulangebote, bei denen ganze Klassen für eine Woche an das Zentrum geholt werden, Wissenschafter an Schulen gehen oder Lehrkräfte zu Themen wie Künstlicher Intelligenz ausgebildet werden.
Von "Ciência Viva" unterstützt werden auch lokale Treffpunkte in Gegenden mit vielen bildungsbenachteiligten Menschen, wo beispielsweise Kinder und Jugendliche jeden Donnerstag nach der Schule Roboter programmieren oder auch Pflanzen aus der Umgebung unter dem Mikroskop untersuchen können. Mit wenig Mitteln wird so eine Möglichkeit geboten, mit Forschenden in Kontakt zu kommen und die Freizeit zu gestalten. Aber auch ältere Menschen kommen öfters vorbei, um sich beispielsweise ihre Herkunftsorte auf Google Maps zeigen zu lassen.
Geplant ist auch die Eröffnung der ersten von insgesamt 16 "Ciência Viva-Farmen", um den Zentralraum besser zu erschließen. Dadurch soll der ländliche Raum stärker mit Wissenschaftsvermittlung bespielt werden. Mit Schwerpunkt auf ein regionales Produkt, etwa Oliven oder Kirschen, könnten Themen wie die digitale Transformation der Landwirtschaft, Nachhaltigkeit oder Klimawandel beleuchtet werden. Open Labs und zahlreiche Aktivitäten seien hier denkbar.
Hingewiesen wird von den Akteuren auf die notwendige langfristige Ausrichtung eines Projekts wie "Ciência Viva". Die erzielten Erfolge seien auf ein gutes Vierteljahrhundert an Aktivitäten zurückzuführen. Ein langer Atem scheint also nötig.