Forscher fordern Klima-Investment und Versiegelungs-Stopp
Mit einem Offenen Brief zur Klima- und Umweltpolitik wenden sich am Montag zahlreiche Forscherinnen und Forscher an die künftige Bundesregierung und die Landespolitik. Die Experten rund um die "Wissenschafterin des Jahres 2024", die Ökologische Ökonomin Sigrid Stagl, fordern darin Innovationspakete im Bausektor, der Industrie, in Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, der Mobilität, in der Gesundheit sowie einen Bodenversiegelungs-Stopp. Nichtstun komme jedenfalls teuer.
"Aktiver transformativer Klimaschutz ist die ökonomisch günstigste Strategie", argumentieren die rund 135 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner aus unterschiedlichsten Fachbereichen in ihrem Papier. Darunter finden sich neben Stagl etwa der Sozialökologe Helmut Haberl, die Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, ihr Klimawissenschafter-Kollege Daniel Huppmann, der Wirtschaftswissenschafter Karl Aiginger, der Glaziologe Georg Kaser, der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal, der Biodiversitätsforscher Franz Essl oder die Politologin Barbara Prainsack.
Warnung vor BIP-Reduktion durch Klimakrise
Durch die Verwerfungen im Rahmen der sich zuletzt stark verschärfenden Klimakrise, die sich etwa an aufeinanderfolgenden Jahren mit Temperaturrekorden weltweit ablesen lässt, drohe auch Österreich eine spürbare Reduktion des Bruttoinlandsproduktes (BIP). So hat die Hochwasserkatastrophe in Niederösterreich im vergangenen Herbst Schäden in der Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro, "ohne Berücksichtigung der Schäden an der Infrastruktur", verursacht, heißt es. Sehe man auf Prognosen zu künftigen Verheerungen, würden Investitionen in Klimaschutz lediglich rund 15 bis 30 Prozent der zu erwartenden Schadenssummen ausmachen.
Getätigt werden müssten diese Aufwendungen für Klimaneutralität, die insgesamt bis 2040 in Richtung 1,3 bis 2,3 Prozent des BIP gehen könnten, bei gleichzeitigen "Abbau fossiler Subventionen", etwa in einem umfassenden Paket im Bereich Bauen und Wohnen. Als Handlungsfelder werden hier etwa Heizen und Kühlen mittels Erdsonden, moderne Gebäudesanierungen, der Ausbau z.B. von Photovoltaik auf Gebäuden oder Investitionen in den Holzbau genannt. In der Industrie brauche es etwa ein Umdenken in Richtung " konsequente Kreislaufführung von Rohstoffen, insbesondere von Kohlenstoff". Zur Finanzierung sollte ein "Austrian Innovation and Transition Fund" eingerichtet werden, so die Forscher in Richtung der Regierungsverhandler von FPÖ und ÖVP.
Kritik an "Abhängigkeit von teuren und knappen Rohstoffimporten"
"Zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktivität und Ernährungssicherheit" müssten zu erwartende Ernteausfälle oder -schwankungen möglichst ausgeglichen werden: "Während die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen oft im Mittelpunkt des Interesses stehen, übersteigen die Folgekosten des Nichthandelns die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen um ein Vielfaches." Um den Wirtschaftsstandort insgesamt zu sichern, müsse man jedenfalls "die Abhängigkeit von teuren und knappen Rohstoffimporten zu reduzieren".
Im Sektor "Mobilität" pochen die Expertinnen und Experten auf einen "gut ausgebauten öffentlichen Verkehr", vor allem auf der Schiene - ein Bereich, in dem Österreichs Exportwirtschaft bereits jetzt sehr gut aufgestellt sei. Sehe man sich den Bodenverbrauch und gleichzeitig die steigende Wahrscheinlichkeit für Extremwettereignisse durch im Schnitt höhere Temperaturen an, brauche es einen Versiegelungs-Stopp. Bei einer prognostizierten Erwärmung in Österreich bis zum Jahr 2100 von 2,9 Grad Celsius gegenüber dem langjährigen Schnitt bedeute das nämlich rund 30 Prozent größere Niederschlagsmengen.
Wissenschafter bieten Politik Expertise an
Um so viel Wasser auch möglichst aufnehmen zu können, sind dementsprechend naturbelassene Flächen notwendig. Das Gegenteil ist aber der Fall: "In den letzten 20 Jahren wurden in Österreich hingegen 130.000 Hektar Äcker und Wiesen versiegelt." Nicht vergessen sollte man, dass der rasante Bodenverbrauch und damit verbundene Katastrophen durch Extremereignisse auch dem hierzulande so wichtigen Tourismus schaden würden. Nicht zuletzt warte die Klimakrise auch mit zahlreichen gesundheitlichen Herausforderungen auf: "Jeder zusätzliche Tag mit Temperaturen von 30 Grad im Sommer führt zu einem Anstieg der Sterblichkeit um 2,4 Prozent in den betroffenen Regionen", heißt es in dem Offenen Brief. "Effektiver Klimaschutz" für dessen Planung und Umsetzung "wir unsere wissenschaftliche Expertise" anbieten, könne "letztlich auch die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung verbessern", so die Forscherinnen und Forscher.
Service - Der Brief online: https://go.apa.at/aBnTfeHC