Keine Angst vorm digitalen Schreckgespenst
Wie viele Jobs künftig durch Digitalisierung und Automatisierung gefährdet sein oder neu dazu kommen könnten, darüber gehen die Meinungen auseinander. Alarmismus ist unangebracht. Aber manche Frage der Arbeitszukunft muss bereits jetzt gelöst werden und nicht erst in fünf oder zehn Jahren. Das war der Tenor einer Expertenrunde, die auf Einladung von APA-Science Gefahren und Chancen dieser Transformation diskutiert hat.
Die Diskussion fand am 29. Mai 2017 in der APA - Austria Presse Agentur statt. Es diskutierten Michael Nentwich, Direktor des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW); Gerlinde Titelbach, Head of Research Group, Labour Market and Social Policy, Institut für Höhere Studien (IHS), Jörg Flecker, Professor für Allgemeine Soziologie am Institut für Soziologie der Universität Wien und Kurt Hofstädter, Leiter Siemens Digital Factory CEE und Vorstandsvorsitzender der Plattform Industrie 4.0.
APA-Science: Dass die Digitalisierung für die Zukunft der Arbeit eine entscheidende Rolle spielt, gilt als unbestritten. Die Frage scheint nur noch, wie stark - evolutionär oder eher disruptiv - sich der Wandel bemerkbar machen wird und in welchen Zeiträumen. Wie schätzen Sie die derzeitigen Debatten dazu ein? Frau Titelbach, Sie haben sich erst kürzlich im Rahmen einer IHS-Studie mit dem Thema auseinandergesetzt und die möglichen Beschäftigungseffekte analysiert...
Titelbach: Frey und Osborne (Anm.: siehe auch "(Kein) Ende der Arbeit?") kommen auf 47 Prozent der Berufe in den USA - das heißt, wo über 70 Prozent der Tätigkeiten in diesen Berufen in den nächsten zehn Jahren substituiert werden könnten - das haben sie aber auf den ganzen Beruf umgelegt. Wenn wir das für Österreich schätzen und die Tätigkeitsprofile anhand einer Erwachsenenbefragung heranziehen, dann kommen wir auf neun Prozent der Arbeitsplätze, die mittelfristig gefährdet sind.
Auf der anderen Seite werden neue Jobs durch die Digitalisierung erst entstehen, das ist vollkommen klar. Das interessante Ergebnis ist, dass es eine Korrelation gibt zwischen dem Ausbildungsniveau der Beschäftigten und den Berufen, die wegfallen. Von allen gefährdeten Jobs, das sind ungefähr 360.000, sind rund 50 Prozent Hilfsarbeiter und Handwerker. Wir sehen zum Beispiel, dass Akademiker und Führungskräfte kein hohes Risiko, Lehrkräfte aber ein mittleres Risiko haben. Das heißt, in dem mittleren Qualifikationsbereich können zwischen 30 und 70 Prozent der Tätigkeiten ersetzt werden. Die Frage ist, wie man das dann gestaltet, weil natürlich Hilfsmittel in der Lehre verwendet werden und es gibt viele zusätzliche Tools, die man einsetzen kann. Aber das heißt nicht zwangsläufig, dass die Anzahl der Beschäftigten zurückgehen muss.
Nentwich: Man merkt, es gibt unglaublich viele Ökonominnen und Ökonomen, die sehr unterschiedliche Einschätzungen haben. Sie haben natürlich völlig recht: Wo es um diese ganz großen Schätzungen geht, wo es gegen 50 Prozent geht, das sind Potenziale. Nicht alles, was möglich ist, wird gemacht in der Realität. Da sind wir uns, glaube ich, einig. Was man sagen kann ist, dass solche Entwicklungen (Auswirkungen der Digitalisierung bzw. Arbeitsmarkteffekte; Anm.) länger dauern. Das ist nicht etwas, das von heute auf morgen kommen wird. Es ist ein sehr langsamer Prozess, der jetzt beginnt.
Weil Sie das Wort disruptiv in den Mund genommen haben: Meiner Meinung nach ist das nicht so, jedenfalls nicht vom Zeitlichen. Das ist eher eine sehr langfristige Entwicklung, an deren Ende dann doch eine ganz andere (Arbeits-)Gesellschaft und Beschäftigungsstruktur stehen wird. Es wäre ganz wichtig, sich jetzt damit zu beschäftigen, weil man versuchen sollte, Handlungen und Regulierungen zu setzen, um das in die richtige Richtung zu steuern. Aber gleichzeitig muss man auch nicht alarmistisch sein. Obwohl man natürlich sagen muss, wenn das neun oder zehn Prozent sind, die durch die Digitalisierung bedroht sind, das ist nicht wenig. Das ist die Verdoppelung der aktuellen Arbeitslosigkeit. Das ist eine Nettozahl, nehme ich an?
Titelbach: Eben. Wir haben nicht die Kapitalisierungseffekte mit berücksichtigt, also die Jobs die zusätzlich entstehen werden. Weil das wissen wir ja aus der Vergangenheit, es entstehen neue Jobs.
Nentwich: Diese Sache mit der Vergangenheit kommt in der Diskussion sehr oft vor. Da wird argumentiert: Wir kennen das aus der Vergangenheit, immer wieder wurde es kompensiert (dass Arbeitsplätze verloren gehen; Anm.). Man muss nur ehrlicherweise dazusagen, dass das kein Naturgesetz ist. Es kann sich auch anders entwickeln. Und tatsächlich ist es so, dass verschiedene Kompensationseffekte in der Vergangenheit ganz offensichtlich auf bestimmte Situationen zurückzuführen waren, nämlich eine expandierende Wirtschaft, geringe Ausgangsarbeitslosenzahlen etc. Es muss nicht wieder genauso sein. Es sind mittlerweile 20 bis 30 Jahre vergangen, seit diese Argumentationen entwickelt wurden. Das kann sich jetzt natürlich auch anders gestalten.
Insgesamt sehe ich es als Chance, wenn routinierte, gefährliche Arbeiten ersetzt werden (durch Roboter; Anm.)oder Arbeiten, bei denen großer Körpereinsatz notwendig ist, der dann vielleicht gesundheitsgefährdend ist.
APA-Science: Wie haben Sie die Diskussionen bisher wahrgenommen, Herr Hofstädter?
Hofstädter: Ich leite bei Siemens für Zentral- und Osteuropa die Industrie, das heißt bei uns "Digital Factory", digitale Fabrik. Ich bin seit 30 Jahren in der Industrie tätig und möchte Automatisierungstechnik von der Digitalisierung trennen. Die Automatisierung hat vor 30 bis 40 Jahren begonnen und ist weitgehend abgeschlossen. Nicht alles, was automatisierbar ist, wurde automatisiert, weil es zu teuer ist. Die Massenfertigung, das kann man sagen, ist letztendlich in Asien. Und das was geblieben ist, ist bereits in sehr hohem Ausmaß automatisiert. Die Effekte waren eindeutig nicht revolutionär in den letzten 30 Jahren, sondern evolutionär. Vor gut fünf Jahren hat das Thema mit Industrie 4.0 neu begonnen, mit einer Diskussionsheftigkeit, wie ich es vorher noch nie erlebt habe.
APA-Science: Das Thema Industrie 4.0 riecht ja immer ein bisschen nach Hype...
Hofstädter: Es ist eindeutig ein Hype. Es ist aber deshalb positiv zu sehen, weil vorher diese "Old Economy" langweilig war. Es hat geheißen: "Industrie ist grundsätzlich schlecht". Durch die Digitalisierung wird die Industrie für viele das erste Mal überhaupt interessant. Und letztendlich lebt Österreich zu einem hohen Ausmaß natürlich von Industrie, nicht nur von den Großen, sondern auch von Klein- und Mittelständlern. Die Digitalisierung beginnt jetzt. Und in Wirklichkeit geht es um ganz etwas anderes, es geht um Wettbewerb. Wer besser ist, wird nicht nur die Nase vorn haben, sondern der wird wirklich Mehrwert generieren für die Volkswirtschaft. Und wer nicht dabei ist, den wird es zukünftig nicht mehr geben.
Flecker: Ich finde, das ist eine wichtige Darstellung. Ich denke auch, dass es sich bei Industrie 4.0 um einen unglaublichen Hype gehandelt hat, der von den Unternehmen, den Beratungsfirmen, den Forschungseinrichtungen angetrieben wurde, die davon ja auch profitieren wollen. Und das hat eingeschlagen. In einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit hoch ist - in Österreich ist sie so hoch wie seit Beginn der 1950er-Jahre nicht -, gibt es natürlich die berechtigte Frage, wie wird Beschäftigung in Zukunft gesichert. Und damit ist das Thema der Arbeitsplätze zentral geworden.
Ich denke, die Schreckensszenarien sind überzogen - ganz so, wie Sie das relativiert haben, Frau Titelbach -, wenn man von den Möglichkeiten ausgeht, wie heutige Arbeitsplätze verändert werden können und weil man annehmen kann, dass auch neue Arbeitsplätze entstehen. Und das ist in vielen Prognosen auch so berücksichtigt. Allerdings wird dabei nicht berücksichtigt, dass sich vieles zugleich ändert und nicht nur gegebene Arbeitsplätze jetzt technisch anders unterstützt werden.
Es ändert sich auch die Nachfrage, die Gestaltung von Arbeit. Wer macht was? Wie sind Tätigkeiten zu Arbeitsplätzen zusammengesetzt? Zugleich verschiebt sich die Grenze zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Selbstbedienung, bis hin zu unbezahlter Arbeit im Journalismus durch Blogger. Da tut sich enorm viel, teilweise auch ermöglicht beziehungsweise unterstützt durch Digitalisierung.
Das heißt, wenn wir von der aktuellen hohen Arbeitslosigkeit ausgehen und dann diese verschiedenen Trends der Selbstbedienung, der Automation berücksichtigen, ergibt sich schon eine Bedrohung. Für die Industrie, sagen Sie (Hofstädter, Anm.), ist die Automation soweit abgeschlossen. Aber mit Pflegerobotern oder Robotern im Gastgewerbe kommt die Automation nun stärker in den Dienstleistungsbereich herein, der 70 Prozent der Arbeitsplätze stellt. Und da ist natürlich ein großes Potenzial.
Wenn man diese Trends zusammennimmt, dann ist die Befürchtung berechtigt, dass wir mit der Beschäftigung ein größeres Problem kriegen. Nicht von heute auf morgen, weil das ist eigentlich ein langer Prozess, der schon begonnen hat, der aber noch verstärkt wird. Wenn man über Chancen reden will: Man kann sich Arbeit ersparen und gesundheitsschädliche Arbeit vermeiden, aber das ist nicht Ziel dieses Prozesses. Die Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Beratungsfirmen, die den Prozess vorantreiben, haben nicht zum Ziel, unangenehme, gefährliche Arbeit abzuschaffen, sondern eine Technik zu entwickeln, die wirtschaftlich erfolgreich ist und den einzelnen Betrieb im Konkurrenzkampf voranbringt.
Wie bringt man eine gesellschaftlich sinnvolle Zielsetzung hinein? Im 20. Jahrhundert wurde diese enorme Zunahme der Produktivität durch schrittweise Arbeitszeitverkürzungen in mehr Lebensqualität umgewandelt - was nebenbei Arbeit umverteilt hat. Von daher ist es bedenklich, dass seit den 1980er-Jahren die Arbeitszeitverkürzung ausgesetzt ist. Da muss man wieder anknüpfen, wenn man will, dass Arbeit wieder besser verteilt wird angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Erwartung, dass die Produktivität sehr stark weiter steigt und hier Arbeit eingespart werden kann.
APA-Science: Wir haben jetzt einiges über mögliche Konsequenzen der Digitalisierung für die Arbeitswelt gehört. An welcher Stelle sollte bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen zuallererst angesetzt werden, um für die verschiedenen Szenarien gewappnet zu sein?
Nentwich: Man sollte zwischen den einzelnen Bereichen unterscheiden. Das kann man nicht über einen Kamm scheren. Wir haben jetzt gerade verschiedene Beispiele gehört von Industrie 4.0 bis hin zu Pflegerobotern. Es wird mehr und mehr ausgelagert in die Cloud über Crowdworking, wo ganz offensichtlich rechtlicher Bedarf besteht, weil hier arbeitsrechtliche Vorschriften von bisher traditionellen Verhältnissen auf einmal nicht mehr gelten. Es gibt immer mehr Selbstständige, die in prekären Situationen sind. Arbeitszeitregelungen gibt es dort gar nicht. Da gibt es ganz offensichtlich Bedarf, das in den Griff zu bekommen. In manchen Bereichen, wenn es um die Taxis und die Wohnungsvermietung geht, ist das schon angedacht worden.
Der zweite Bereich, über den wir uns wahrscheinlich sicher einig sind, ist Bildung. Ohne eine massive Investition in neue Bildungsinhalte, von der Schule angefangen über Umschulung, die notwendig ist, wenn sich die Arbeitsplätze verändern, wird es nicht gehen.
APA-Science: Herr Hofstädter, Sie sind auch Vorstandsvorsitzender der Plattform Industrie 4.0. Wie wird dort diese Problematik thematisiert? Wie wollen Sie die - vor allem auch niedrig qualifizierten - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Weg in die Digitalisierung mitnehmen?
Hofstädter: Die Plattform wurde vor drei Jahren vom Bundesministerium für Technologie genau aus dem Grund gegründet, für Österreich die Chancen zu nutzen. Da sind Arbeiterkammer und die Gewerkschaft mit dabei, damit auch die Arbeitnehmerseite entsprechend berücksichtigt ist, die Industriellenvereinigung, die Fachverbände Elektrotechnik und Maschinenbau.
Ob sich das gesamte Summenspiel für die Welt ausgeht, dass mehr Arbeitsplätze generiert werden, ist eine offene Frage. Ich kann nur für Österreich sprechen und bin überzeugt, dass eine Chance besteht, dass sehr wohl wieder Fabrikation nach Österreich zurückkommt. Die ganze Bandbreite ist Thema der Plattform, und natürlich sind die Schulung und Ausbildung ganz besonders wichtig.
Wie nehmen wir die Minderqualifizierten mit? Wir müssen sehen, dass die moderne Technologie auch Assistenzsysteme vorsieht, mit denen wir alle mittlerweile gewohnt sind zu arbeiten. Wir haben Amberg, das ist das modernste Werk von Siemens, komplett durchdigitalisiert auf 80 bis 90 Prozent. Das Werk wurde vor 20 Jahren gegründet, mit 1.000 Mitarbeitern. Heute ist das Werk 20 Jahre alt, ist komplett digitalisiert, und hat wieder 1.000 Mitarbeiter. Wo ist der Unterschied? Heute ist die Produktivität dort acht Mal so hoch. Früher hatten viele Produkte - 15 Mio. Stück werden dort produziert -, einen Lötfehler, eine Kleinigkeit. Jetzt haben wir nur mehr zwölf Fehler pro Million produzierter Stücke. Damit können wir im Hochlohnland Deutschland absolut profitabel produzieren.
Das heißt, die Assistenzsysteme sind schon so gut, dass minderqualifizierte Menschen und Anlernkräfte in jenen Bereichen arbeiten werden, wo früher letztendlich Ingenieure und Diplomingenieure tätig waren.
Titelbach: Ich würde gerne zur Bildung anschließen: Gerade Personen mit geringerer Bildung sind möglicherweise mehr betroffen, aber vor allem auch die in den mittleren Lohngruppen und Qualifikationsniveaus. Wenn man sich die Weiterbildung ansieht beziehungsweise die Bildung, ist die Frage, was muss an diesen Systemen geändert werden und in welchen Bereichen? Es ist ein Unterschied, ob man über Dienstleistungsberufe in der Pflege oder in der Reinigung oder bei Amazon im Vertrieb redet oder in der Industrie.
Aber die Frage ist auch, wie können diese Einfachtätigkeiten gestaltet sein, dass sie lernförderlich sind? Also dass die Personen die Möglichkeit haben, Arbeitsprozesse von Beginn bis zum Ende zu machen und dann sukzessive auch die Möglichkeit haben, sich auf andere Bereiche auszudehnen und auch beispielsweise kleine Teams zu leiten. Wie viel Interaktion gibt es an diesen Arbeitsplätzen? Gibt es noch eine soziale Komponente oder ist die soziale Komponente nur noch ein Störfaktor, weil man die ganze Zeit gezwungen ist in Teams zu arbeiten, sich immer neu zu formieren und innerhalb des Unternehmens immer in Konkurrenz zu treten?
Gerade Personen mit geringerem Einkommen - und meistens korreliert dieser Umstand auch mit geringeren Qualifikationsniveaus - haben größere Schwierigkeiten sich weiterzubilden, weil sie einfach nicht die finanziellen Ressourcen haben. Wie gestaltet man das? Wo ist das Unternehmen, wo der Staat gefragt? Ist das nur eine Aufgabe des AMS oder gibt es hier andere Arten von Brücken- und Zwischenfinanzierungen, etwas in der Art wie die Bildungskarenz? Aber man weiß, die Bildungskarenz wird hauptsächlich von gut ausgebildeten Personen oder von Personen in Großbetrieben in Anspruch genommen, weil Kleinbetriebe Schwierigkeiten haben ihre Leute freizustellen und sie in diesem Zeitraum zu ersetzen. Das sind Fragen, die man jetzt beantworten muss und nicht erst in fünf oder zehn Jahren.
Flecker: Das kann ich nur unterstützen. Ich glaube es ist wichtig, dass man nicht den Eindruck erweckt, dass die Niedrigqualifizierten jetzt das Problem wären. Wenn man sich anschaut, wie die Rationalisierung schon über einen längeren Zeitraum gelaufen ist und wie es auch jetzt läuft, dann geht es oft in beide Richtungen. Es geht zum einen in Richtung Höherqualifizierung, weil bestimmte Tätigkeiten wegfallen und die Leute für die verbleibenden oder neuen Tätigkeiten höhere Qualifikationen brauchen. Zum anderen geht es sehr oft auch in Richtung Vereinfachung von Arbeit, weil diese billiger wird. Und das sehen wir in verschiedenen Bereichen, auch in Dienstleistung und Verwaltung. In der Industrie hat es sehr lang Restarbeitsplätze gegeben. Wie Sie gesagt haben, Herr Hofstädter, nicht alles wird automatisiert, was technisch automatisierbar wäre, weil es einfach manchmal wirtschaftlich keinen Sinn hat.
Es ist wichtig zu bedenken, dass nicht die Technik etwas vorgibt, sondern wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische Entscheidungen die Entwicklung der Arbeit bestimmen. Gerade im Zusammenhang mit den benötigten Qualifikationen haben wir dann noch das Problem, dass viele Leute doch eine ganz gute Ausbildung haben, aber für etwas anderes angelernt und eingesetzt werden und in dieser Zeit de facto ihre Qualifikation verlieren. Die Assistenzsysteme, die Sie angesprochen haben, kann ich jetzt einsetzen, um ohne Qualifikation der Beschäftigten auszukommen.
Um ein Beispiel von VW aus einer Automobil-Branchenzeitung zu nennen: Wenn eine Person beim Kommissionieren im Lager aus dem Regal das richtige Teil nimmt und es über einen Barcode erkannt wird, dann leuchtet es in der Datenbrille grün auf. Wenn es das falsche Teil ist, leuchtet es rot auf. Die einzige Qualifikation, die man noch braucht, ist nicht farbenblind zu sein. Fortgeschrittene Technologie kann auch zur Dequalifizierung genutzt werden und damit auch zur Degradierung von Arbeit. Es ist also eine offene Frage, ob der Slogan "Der Mensch wird frei für kreativere Tätigkeiten", der gerade bei Industrie 4.0 eine große Rolle gespielt hat, in die Realität umgesetzt wird.
APA-Science: Wenn Roboter tatsächlich irgendwann lästige, manuelle Arbeiten übernehmen und der Mensch frei für kreative Tätigkeiten ist, betrifft das in letzter Konsequenz die ganze Volkswirtschaft. Wie verteilt man dann Produktivitätsgewinne? Braucht es ein bedingungsloses Grundeinkommen, eine Maschinensteuer? Und: Was tun die Menschen dann mit so viel Zeit?
Flecker: Ich glaube nicht, dass man manuelle Tätigkeiten per se abschaffen sollte. Der Mensch kann sich genau darin verwirklichen - gerade in manuellen Tätigkeiten, die auch alle einen geistigen Anteil haben. Darum bin ich nicht so überzeugt, warum zum Beispiel Busse unbedingt fahrerlos sein müssen in Zukunft. Busfahrer ist ja kein schlechter Job.
Hofstädter: Frau Titelbach, weil Sie gesagt haben, dass die Assistenzsysteme jeden, der nichts gelernt hat, unterstützen, darum brauche man nichts mehr zu lernen. Das Gegenteil ist der Fall: lernen, lernen, lernen. Das Nadelöhr wird sein, qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich zu haben. Wir sehen es in allen Bereichen. Ich könnte in Linz momentan 60, 70 Ingenieurinnen und Ingenieure aufnehmen, wir kriegen sie nicht. Magna sucht 2.000 Leute in Graz. Jeder mit dem ich rede, dem fehlen ausgebildete Technikerinnen und Techniker.
Ich will es auch nicht so verstanden wissen, dass der Computer alles macht und ungebildete Menschen die Bildschirme bedienen. Nein, ganz im Gegenteil: Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung. Die Chance, die Leute auch in höheren Berufen unterzubringen, die haben wir allemal.
Titelbach: Ein Punkt ist eben auch, dass soziale und kreative Intelligenz im Beruf mehr und mehr gebraucht wird. Sich ununterbrochen auf neue Situationen, auf eine neue Organisationsstruktur, neue Teams einstellen zu können oder auch viel mehr mit Kunden direkt in Kontakt zu treten, ist viel mehr Usus als vor zwanzig Jahren. Das sind Dinge, die man vor allem in der Praxis lernt.
Zu Ihrer Frage: Wir reden in erster Linie über Erwerbsarbeit, die hat aber immer noch eine andere Seite: Die Reproduktionsarbeit, die zum Teil über Erwerbsarbeit erledigt wird, also in Kinderbetreuungseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern. Oder ehrenamtliche Arbeit, die zum Teil fließend bezahlt und unbezahlt ist, aber im Prinzip ist es ein Paar, das zusammengehört. Das heißt, was definieren wir als Arbeit?
Die höhere Arbeitslosigkeit hat auch damit zu tun, dass wesentlich mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, was wiederum damit zu tun hat, dass wesentlich mehr Frauen arbeiten als noch in den 70er- und 80er-Jahren und es mehr Migration und mehr ältere Menschen gibt. Damit werden wir mehr Pflegebedarf haben, und die nächste Frage ist: Wer macht das und ist das eine bezahlte Arbeit?
Und klarerweise können wir auch hier Assistenzsysteme einsetzen, die zum Teil schon existieren, aber zu kompliziert oder zu teuer sind oder nicht eingesetzt werden, wenn etwa Personen gehoben werden müssen, wenn die Pflegeeinrichtungen nicht entsprechend ausgestattet sind oder wenn die Pflege sowieso 24 Stunden im Privathaushalt stattfindet. Und das ist auch eine Definitionsfrage, was wir als Arbeit definieren oder was wir uns als Gesellschaft als bezahlte Arbeit leisten wollen oder auch müssen.
Nentwich: Damit kommt man zu dem Thema, wie man das finanziert. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet ist es klar: Eine Firma leistet sich nur das, was sich rechnet. Die werden dann jemanden an seinem Touchscreen drei Tage lang ausbilden und ihn machen lassen, solange sich das noch irgendwie auszahlt. Wahrscheinlich rechnet sich das in fünf Jahren nicht mehr, dann habe ich ihn umsonst ausgebildet für die paar Jahre. Aber aus gesellschaftlicher Sicht ist das natürlich eine ganz andere Frage. Die Vision einer völlig anderen Verteilung von Arbeit, die ist schon eine ganz massive. Und ich denke, wir sind da erst ganz am Anfang.
Natürlich poppt auch die Maschinensteuer immer wieder auf und wird uns noch lange beschäftigen. Es ist ganz wichtig, dass wir die Diskussion überhaupt einmal führen. Das gilt für viele Bereiche, was wollen wir überhaupt automatisieren?
Ich habe mich in letzter Zeit ein bisschen mit Drohnen beschäftigt. Groß diskutiert wird über Lieferdrohnen, das hat potenziell eine unglaublich große Auswirkung auf einen relativ großen Sektor, weil es dann keine Lieferfahrzeuge mehr gibt, sondern kleine autonome Roboter die dann irgendwo hinfliegen. Die Frage, die hier noch gar nicht gestellt worden ist, ob die Gesellschaft das überhaupt will. Wollen wir, dass da draußen überall, Hunderte, Tausende Drohnen herumfliegen? Die Diskussion hat noch nicht stattgefunden.
Das ist nur ein Beispiel, in anderen Bereichen müsste man das genauso machen. Will ich von einem Roboter gepflegt werden oder lieber von einem Menschen? Das wird in jedem Land, vielleicht sogar in jeder Region spezifisch ein bisschen anders beurteilt werden. Wir haben noch Zeit, das ist die gute Nachricht. Wir müssen nicht von heute auf morgen alles entschieden haben, aber man sollte relativ bald anfangen, einen breiteren Diskurs zu führen.
APA-Science: Wie könnte dieser breitere Diskurs denn aussehen, damit nicht die Gefahr besteht, dass alles nur "Top-down" entschieden wird?
Nentwich: Es gibt sehr viele verschiedene Methoden. Es muss auch auf die politische Ebene kommen, muss aber nicht dort beginnen. Meistens wird in der Politik mit der Maschinensteuer begonnen und dann sofort wieder abgewürgt. In der Technikfolgenabschätzung gibt es partizipative Methoden, wo man mit kleinen und etwas größeren Gruppen in verschiedenen Regionen Verfahren durchführt, bei denen die Leute einmal zum Diskutieren beginnen. Was da herauskommt, könnte man auf die nächste Ebene oder in andere Verfahren überführen. Am Ende ist es natürlich vorstellbar, dass das Ganze im Parlament landet oder es wie in der Schweiz Abstimmungen darüber gibt - etwa über Grundeinkommen. Das sind ja nur die Spitzen der Diskussion, die muss man aber führen.
APA-Science: Wir sind uns einig, dass ein Umbruch in der Arbeitswelt im Gange ist, auch wenn er noch eine Zeit lang dauert. Wie bereitet man die Jüngsten der Gesellschaft auf diese Veränderungen vor? Reicht es, Laptops in den Klassen zu verteilen? Was vermittelt man den heutigen Kindern über die Zukunft der Arbeit - sagt man ihnen zum Beispiel, dass es keine Lebensarbeitsstellen mehr geben wird?
Flecker: Man sollte nicht vorwegnehmen, dass es die fixen Jobs nicht mehr geben wird. Genauso wie es heißt, die Leute sollen sich darauf vorbereiten, dass sie einmal keine gescheite Pension haben werden. Das sind dann selbsterfüllende Prophezeiungen. Wenn man aber die Leute wirklich fragt, dann stellt man fest, dass die Vorstellungen von einem guten Leben, einer guten Beschäftigung, einer guten Arbeit viel hartnäckiger sind, als man glaubt. Und dass auch tatsächlich mehr Leute in einem Normalarbeitsverhältnis sind, also vollzeitbeschäftigt mit Versicherung, als die meisten annehmen, wenn man sie spontan fragt. Also das ist noch nicht so von gestern sozusagen.
Wie sich die Jungen ihre Zukunft vorstellen und welche Wünsche sie haben, das ändert sich im Lebensverlauf. Zunächst ist es durchaus attraktiv, eine flexible Beschäftigung zu haben. Aber mit zunehmendem Alter, wenn die Leute ans Familie gründen denken, dann ist die Sicherheit wieder wichtig. Ich sehe eigentlich überhaupt keinen Grund, warum das nicht geboten werden könnte. Wir schließen häufig aus den technischen Veränderungen und anderen Umwälzungen, das alles neu sein wird. Tatsächlich gibt es neue Geschäftsmodelle, wo versucht wird, die Leute nicht mehr anzustellen, keinen Beitrag zur Sozialversicherung zu zahlen. Aber das sind Geschäftsmodelle, die so nicht akzeptiert werden müssen.
Da sind wir wieder bei Einflüssen der Politik. Wenn wir ein Sozialversicherungssystem aufrechterhalten wollen, dann muss das irgendwoher bezahlt werden. Die Maschinensteuer ist ein abwertender Begriff. Damals eigentlich als Wertschöpfungsabgabe gedacht, ist die Überlegung eigentlich grundvernünftig. Wenn wir heute die Sozialversicherung über Abgaben auf Löhne finanzieren, aber der Anteil der Wertschöpfung, der nicht über die Löhne geht, immer größer wird, dann muss man da etwas korrigieren.
Das Thema wird bleiben. Bill Gates hat sich für eine Robotersteuer ausgesprochen, aus einem zweifachen Grund: einerseits wegen der Einnahmen, aber andererseits auch um diesen Prozess zu verlangsamen, um ihn auch einer Entscheidungsfindung zugänglich zu machen. Das ist ja auch das Problem, dass demokratische Entscheidungsfindungen länger dauern, als manche das gerne hätten. Die Unternehmen müssen schnell reagieren, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Da spießt sich etwas, das läuft nicht so harmonisch ineinander.
Das zweite, wo es sich spießt ist, dass man auf nationaler Ebene politisch diskutiert, aber diese Entwicklungen europäische und globale sind. Da muss man einen Stock höher steigen in diesen Diskussionen. Die Wirtschaft ist globalisiert und trotzdem reden wir davon, was Österreich tun muss und nicht lassen darf. Ich denke, da sind wir bei grundlegenden Problemen, wie ist unsere Gesellschaft aufgestellt und da ist es eine Frage, ob man sozusagen Einzelnen oder vor allem den Unternehmen diese Entscheidung überlassen kann, wie es derzeit de facto passiert.
Hofstädter: Den ersten Punkt würde ich absolut unterstützen. Die Diskussion insbesondere unter Jugendlichen, dass sie ohnehin nie einen fixen Arbeitsplatz haben werden, finde ich unnötig. Warum soll ein Unternehmen einen gut ausgebildeten Mitarbeiter irgendwann nicht mehr wollen? Daran hat sich nichts geändert.
Wir brauchen aber Lehrer, die junge Menschen allgemeinbildend auf das Leben vorbereiten, nämlich genau auf solche Themen. Noch einmal, wir müssen an die Chancen denken. Österreich hat eine Industrie, Klein- und Mittelständler, die exzellent unterwegs sind, die haben aber das Problem, dass sie zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte kriegen. Wir müssen die Lehrer entsprechend dazu kriegen, dass sie selbst auch Freude an Technik haben. Lehrer und Lehrerinnen fühlen sich nicht sicher im Unterrichten technischer, naturwissenschaftlicher Inhalte.
Als ich studiert habe, hatten wir in der Elektrotechnik drei Mädchen auf dreihundert Studenten. Wir haben auch heute drei Mädchen auf dreihundert. Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht Technik lernen. Es gibt keinen Grund, wird aber trotzdem nicht angenommen. Wenn wir die österreichische Jugend dazu bringen, mehr in die Technik zu gehen, dann werden wir dort Arbeitsplätze vorfinden, weil die gibt es. Und die sind so hoch bezahlt, dass wir unser Sozialsystem locker finanzieren können. Wenn wir runter gehen, auf lauter prekäre Dienstverhältnisse, die nicht einmal mehr so viele Abgaben zahlen können, weil sie sonst nicht mehr leben können, wird es nicht funktionieren.
Jeder der arbeiten will, soll auch das Recht haben zu arbeiten und eine Arbeit vorfinden. Ich halte nichts von einem bedingungslosen Grundeinkommen, das ist für mich sehr gefährlich. Was macht denn einer, der das fünf, sechs Jahre genossen hat, dann wechselt die Regierung und das gibt es auf einmal nicht mehr. Was tut der dann? Wie soll ich den dann jemals wieder aktivieren. Die Gesellschaft hat die Aufgabe junge Menschen aufs Leben vorzubereiten und auf alle Berufe die es gibt.
Titelbach: Ein ganz wichtiger Punkt. Grundsätzlich wollen die Leute arbeiten, wir leben einfach in einer Arbeitsgesellschaft. Beim bedingungslosen Grundeinkommen gibt es andere Problematiken. Der Staat subventioniert damit eigentlich den Niedriglohnsektor. Er subventioniert Unternehmen also nicht, weil sie verschiedene Umweltstandards, innovative Produkte oder Arbeitsplätze haben, sondern weil sie einfach eine günstige Leistung bringen.
Hofstädter: Der Mensch muss arbeiten dürfen wenn er arbeiten will. So sind wir, wir wollen Leistung bringen!
Nentwich: Wir dürfen die Zeiten nicht durcheinanderbringen. Die Diskussion zum Grundeinkommen wird manchmal so geführt, also sollte es jetzt eingeführt werden. Dann stellen sich aber andere Probleme und Herausforderungen als in 30 Jahren. In 30 Jahren kann es sein, dass wir ganz anders reden müssten, weil es einfach nicht mehr so viele Jobs gibt. Wir müssen schon davon ausgehen, dass der Trend in die Richtung geht, dass Arbeit substituiert wird. Das ist ja der Sinn und Zweck von künstlicher Intelligenz: Automatisierung, Rationalisierung, in jeder Hinsicht.
Deswegen gebe ich Ihnen kurzfristig allen Recht: Es macht auf jeden Fall Sinn, dafür zu sorgen, dass die Leute sich für die Jobs, die es gibt und für die es Nachfrage gibt, interessieren. Aber es gibt auch einen Sektor, wo es wahrscheinlich bald keine Arbeit mehr geben wird. Da muss man dann schon vorsichtig sein, dass man nicht zu viel verspricht. Also nur deswegen, weil ich heute schon Technik studiere oder meinem Neffen vorschlagen würde, er soll dann in zehn Jahren, wenn er so weit ist, Technik studieren, heißt das nicht, dass der 30 Jahre später einen fixen Job haben wird.
Flecker: Vielleicht kurz zu den jungen Menschen und deren Zukunft. Wir haben das Problem, dass das Bildungssystem zu früh Entscheidungen verlangt. Schon mit zehn Jahren soll man wissen, wie es weitergeht. Und das Bildungssystem hat die objektive Funktion zu selektieren, auszuwählen. Das kann den Effekt haben, dass man talentierte Leute zu früh verliert. Wenn Jugendliche interviewt werden, wie sie sich die Zukunft vorstellen, dann sagen die Mädchen als Berufswunsch 'Matura', die Burschen 'AMS'. Nicht, dass sie nicht arbeiten wollen, sondern sie nehmen etwas vorweg, womit sie sich irgendwann abfinden werden müssen. Das heißt, man soll Leuten eine Chance geben und in der Schule weniger selektiv sein. Es geht heute stark in die Gegenrichtung, im Kindergarten schon mit dem Prüfen zu beginnen.
APA-Science: Zum Schluss: Wie kann sich die Wissenschaft in diese gesamtgesellschaftliche Debatte einbringen und wo herrscht noch der größte Forschungsbedarf aus Ihrer Sicht?
Flecker: Ich kann nur für die Sozialwissenschaften/Soziologie sprechen. Da ist es unsere Aufgabe, Diskussionen zu beobachten, kommentieren, die Reflexion zu unterstützen, dass die Gesellschaft in der Lage ist über sich selbst nachzudenken, Entwicklungen selbst zu reflektieren und zum Beispiel auch bestimmten Entscheidungsprozessen zugänglich zu machen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, die empirischen Entwicklungen zu analysieren: Wo geht es wirklich hin auf einer konkreten Ebene, sei es was die Qualifikationen betrifft, sei es was in den Firmen passiert, wie sich die Arbeit verändert, das muss man auch erheben. Schließlich geht es auch darum, dass man die gesellschaftlichen Entwicklungen stärker gemeinsam analysiert.
Hofstädter: Über alle Themen, über die wir heute gesprochen haben, gibt es den technischen Aspekt, der kommt natürlich aus Forschung, Innovation und den Universitäten. Aber es gibt auch die Lehre, nämlich dass dort die Leute und Mitarbeiter so ausgebildet werden, dass sie in den Unternehmen dann auch entsprechend die Themen vorantreiben können. Besonders wichtig ist die Vernetzung in Österreich: Wir haben Universitäten und Fachhochschulen, aber dann auch noch HTLs und die duale Ausbildung, das hat weltweit außer uns niemand. In Deutschland gibt es zwar die duale Ausbildung, die HTLs aber nicht. Genau diese Ausbildungskette ist es letztendlich, die Riesenchancen birgt.
Titelbach: Ich kann dem nur beipflichten als Sozialwissenschafterin bzw. im weitesten Sinne an der Schnittstelle, als Wirtschaftswissenschafterin. Es geht darum zu beobachten, was passiert und ich kann an Herrn Flecker nur anschließen: Wie gestaltet man diesen Prozess und was tut man als Gesellschaft, was machen die einzelnen Akteure, was machen die Unternehmen, was können die Beschäftigten tun? Das Interessante ist, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Das heißt auch, dass man bestimmte Bereiche möglicherweise mehr erforschen müsste, also soziale Beziehungen, oder ob es soziale Innovationen gibt in bestimmten Bereichen - und auch wo braucht es Regulative und wo braucht es keine.
Viele Fragen sind auch gesellschaftspolitische Fragen. Als Sozialwissenschafter kann man natürlich eine Meinung haben und kommt zu bestimmten Schlüssen, aber unabhängig davon können wir auch quantifizieren, wie bestimmte Verhältnisse tatsächlich aussehen und nicht nur anhand von anekdotischer Evidenz.
Nentwich: Wir haben heute auf einer sehr hohen Ebene diskutiert. Was die Technikfolgenabschätzung tut und auch in den nächsten 20 Jahren sicher weiter tun wird, ist den Versuch zu machen, in die Tiefe zu gehen in manchen Entwicklungen. Diese Technologien sind ja auch sehr vielfältig, da geht es um Automatisierung, Digitalisierung, Roboterplattformen, Internet, Apps, 1.000 verschiedene Dinge, die alle per se wirklich wichtige Forschungsobjekte sind. Da gilt es, wirklich zu schauen, was sich da jetzt ganz konkret tut, welche ethischen, datenschutzrechtlichen, arbeitsschutzrechtlichen Fragen stellen sich, und was macht das mit der Gesellschaft.
Ich bin der Meinung, dazu braucht es einen Diskurs, der gilt jetzt sowohl für diese obere Ebene - wie, wo wollen wir überhaupt hin-, als auch in vielen einzelnen Bereichen. Und da zu organisieren, und zu versuchen, die nötige Evidenz, aber auch die Visionen, die da auch entstehen können, fruchtbar zu machen, das ist dann die Aufgabe, die wir beisteuern können.
Von Mario Wasserfaller / APA-Science