Die Angst der Lampe vor dem Menschen
Die kleine weiße Lampe nimmt eine Schutzhaltung ein und zittert. Alles was dazu notwendig war, ist "Kip" ein wenig harscher anzusprechen. "Kip" ist ein sogenanntes "empathisches robotisches Objekt" und eines der vielen, im weitesten Sinne robotischen Exponate, der Ausstellung "Hello, Robot", die im Wiener MAK noch bis 1. Oktober zu sehen ist. Die Schau liefert so manchen erstaunlichen Einblick und stellt vor allem Fragen, die vermutlich bald mehr oder weniger alle betreffen.
Bereits nach kurzer Zeit fragt sich der Autor dieser Zeilen, wie er das zart wirkende Gerät - das von seinen Entwicklern Guy Hoffman und Oren Zuckerman darauf programmiert wurde, den emotionalen Gehalt eines Gesprächs einschätzen zu können und darauf zu reagieren - noch ansprechen soll, damit es sich eben nicht erschrickt. Es mag an der zugegeben etwas belegten Stimme oder auch an den Grenzen der Fähigkeit des kleinen "Roboters" liegen, auf den emotionalen Grundgehalt menschlicher Kommunikation tatsächlich treffsicher zu reagieren. "Zum Glück", werden vermutlich viele Besucher der eindrucksvollen Schau mit dem Untertitel "Design zwischen Mensch und Maschine" denken.
Hat der Roboter den Fuß in der Büro-Tür?
Die Frage, wie ähnlich uns Geräte durch künstliche Intelligenz (KI), geschickten Einsatz anderer Technologien und modernes Design werden, und ob sich der Mensch durch diesen Fortschritt ein Stück weit selbst abschafft, schwingt in fast allen Teilen der Ausstellung mit, die im Rahmen der Vienna Biennale stattfindet. In die Konzeption des unter dem Motto "Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft" stehenden Festivals war auch das Austrian Institute of Technology (AIT) als wissenschaftlicher Partner beteiligt. Aktuell dominiert die Frage, welche und wie viele Jobs für Menschen zukünftig wegfallen können, weil sie von Robotern besser und/oder billiger erledigt werden können.
Betritt man die Schau springen einen nicht unmittelbar diese gerade virulenten Fragen. Doch manche der gleich neben dem Eingang positionierten "Slogans for the 21st century", die der kanadische Kult-Autor und Künstler Douglas Coupland gesammelt hat, weisen darauf hin. Aussagen wie, "Machines will make better choices than humans", "Getting shitfaced in a driverless car is going to be awesome" oder "Robots don't buy furniture" umreißen bereits viele Aspekte rund um die Chancen und Ängste, die mit der Robotisierung verbunden sind.
Von Drohnen und Robo-Cops
Bevor es jedoch so "ernst" wird, lädt man im MAK noch in die Welt der Science-Fiction. Diese Auseinandersetzung findet in fast heimeliger Atmosphäre statt, die an ein Archiv erinnert. Die vielen Spielarten der imaginierten Zukunft reichen von "Metropolis" bis "Matrix" von ersten popkulturellen Auseinandersetzungen mit KI bis zu einer Darbietung der deutschen Elektropop-Pioniere Kraftwerk.
Eine der vielen, die Ausstellung begleitenden Fragen lautet hier: "Have you ever met a robot?" In diesen fiktionalen Zusammenhängen hat das natürlich fast jeder, doch wir leben in einer Zeit, in der es da und dort auch schon deutlich konkreter wird. So etwa, wenn man erfährt, wo überall bereits regelmäßig US-Drohnen patrouillieren und dass bereits im korruptionsgeplagten Kinshasa ein paar unbestechliche Roboter den Verkehr regeln.
Betreffen wird der Umgang mit solchen "Artefakten" in naher Zukunft jeden, sagte Manfred Tscheligi vom Center for Technology Experience am AIT zu APA-Science. "Man könnte auch in Wien mittlerweile Roboter herumlaufen und etwa Leute nach dem Weg zur nächsten Apotheke fragen lassen - das ist technologisch machbar", so der Experte, der sich auch an der Universität Salzburg mit Fragen zur Interaktion zwischen Mensch und Technologie beschäftigt. Es brauche daher nun ein "Heranführen der Menschen, dass sie mit diesen Dingen, die Vorteile und Gefahren bringen, auch ordentlich umgehen".
Unter dem Motto "Programmiert auf Arbeit" geht es auch im MAK in das Zentrum der Diskussion rund um Arbeit und ihr vermeintliches Ende. Eine Auseinandersetzung die für Tscheligis Geschmack "ruhig noch aggressiver und vielfältiger geführt werden" sollte. In der Schau schreibt bei fast klinischer Raumgestaltung etwa ein Industrieroboter von einem Computersystem geleitet in gestochen scharfer Schrift ein künstlerisches Manifest. Dabei kommt keineswegs nur Blödsinn heraus. Die teils spröde Erzählstimme vieler kulturwissenschaftlicher Publikationen hat das System perfekt drauf, inhaltlich ist die Sache selbstverständlich ausbaufähig.
Viel Sinn und Unsinn
Dieses künstlerisch konstruierte Extrembeispiel verdeutlich vor allem, dass wir uns stellenweise an einem Übergang dorthin befinden, wo auch gemeinhin als weniger trivial geltende Aufgaben einigermaßen passabel von robotischen Systemen erledigt werden könnten. Das kann logischerweise vielerorts Veränderungen mit sich bringen und den Druck steigen lassen - und es betrifft eben nicht nur die oft genannten "niedrigqualifizierten Tätigkeiten".
Quasi omnipräsent ist demnach in weiterer Folge die Frage, wozu solche fraglos erstaunlichen Technologien dann eigentlich eingesetzt werden sollten? Genau an diesem Punkt setzen viele in "Hello, Robot" gezeigten Designstudien und Kunstprojekte an. Dabei überquert der Besucher oft die Grenze zwischen potenziell vielversprechender Anwendung und völlig groteskem Schwachsinn.
Vom "designen" der Zukunft
Wo diese Grenze liegen könnte, soll auch im Rahmen eines Citizen Science-Projekts klarer werden, dass das MAK in Kooperation mit dem AIT im Zuge der Schau umsetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei Überlegungen zu "Modellen sinnstiftender Arbeit", im Zusammenhang mit der viel zitierten - auch robotisierten - "Smart City". In der Art der Anwendung liegt für Tscheligi nämlich der Schlüssel in der ganzen Debatte: Es gehe nun um die Gestaltung von sinnvollen Einsatzmöglichkeiten neuer Technologien. Man müsse mit den Betroffenen dem Gefühl des Ausgeliefertseins in einem breiten von der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft getragenen "Change-Prozess" aktiv entgegenwirken oder die Zukunft ein Stück weit "designen".
Geschieht das nicht, drohen auch "Un-Anwendungen". In der Ausstellung wird das vielleicht bei der Kunstinstallation eines Roboterarms, der einer Baby-Puppe das Fläschchen gibt, am deutlichsten. Hier bleibt auch eine Schülergruppe, die die Ausstellung besucht, entgeistert stehen. Ein "Wozu das alles?" steht im mit Technik-Träumen und -Albträumen gefüllten Raum. Wenn denn das alles schon in den Startlöchern steht, was versprechen wir uns davon? "Ich hoffe, dass wir mehr Zeit bekommen, um uns um Babys und Ältere zu kümmern", so eine Antwort des Museumsangestellten, der die Gruppe durch die Schau führt.
Was tun mit freien Händen?
Selbst wenn das eintritt, heißt es jedoch nicht, dass man mit mehr freien Händen zwingend Sinnvolleres erledigt. "Getting shitfaced in a driverless car is going to be awesome", hieß es etwa am Beginn der Schau. Spätestens hier wird klar, dass ein sinnvoller Einsatz von Robotik vor allem verlangen wird, sich über menschliche Handlungsmuster und Prioritäten im Klaren zu werden. Roboter werden uns also vermutlich viel Mut zur Selbstbetrachtung und -erkenntnis abringen - mit unbekannten Folgen.
Service: www.viennabiennale.org
Von Nikolaus Täuber/APA-Science