Sensoren, die Sinnesorgane der Technik
Villach nimmt im Aufbauprozess der Silicon Austria Labs (SAL) eine Sonderrolle ein. Durch die Fusion mit Carinthian Tech Research (CTR) im Juli 2019 hat der Standort einen Startvorteil, da man auf die etablierten Strukturen eines außeruniversitären Forschungszentrums - inklusive COMET-Zentrum - aufbauen konnte. Im Gespräch mit APA-Science erklärt Standortleiterin Christina Hirschl, warum sie nicht gerne als solche bezeichnet wird und warum Sensoren die Sinnesorgane der Technik sind.
"Der Merger war sehr erfolgreich. Wir haben weder Personal noch Projekte verloren", zieht die Leiterin der SAL-Divisionen "Sensor Systems" und "System Integration Technologies" eine zufriedene Bilanz. Das kaum veränderte Team, das im Kern nun bereits seit vielen Jahren zusammenarbeitet, könne auf eine bestehende Infrastruktur zurückgreifen, die im Rahmen des SAL-Aufbaus noch ausgebaut wird. Bereits vor Ort vorhanden sind etwa Einrichtungen für heterogene Integrationstechnologie, Mikrosystemtechnologie, Optiklabore und ein 320 Quadratmeter großer Forschungsreinraum.
Andere Größenordnungen
Der Unterschied zur bisherigen Struktur manifestiert sich für Hirschl vor allem in der Größenordnung: "Das COMET-Projektvolumen zum Beispiel beläuft sich auf 20,4 Mio. Euro für vier Jahre und der Jahresumsatz der CTR war bei acht Mio. Euro. Wenn man sich das SAL-Volumen (gesamt: 280 Mio. Euro; Anm.) ansieht, dann wissen wir, von welchen Möglichkeiten wir da reden." Zudem sei die Förderwahrscheinlichkeit üblicherweise recht gering. Für geförderte Projekte, egal ob national oder international, dauere es bis zum Projektstart bis zu einem Jahr und die Wahrscheinlichkeit, dass man diese Projekte gewinne, sei oft im einstelligen Bereich. Anders in der neuen Organisation: "Bei uns kannst du innerhalb von drei Monaten ein Projekt starten, kooperativ mit verschiedenen Firmen gemeinsam." Für Time-to-Market, also die Dauer von der Innovation bis zur Platzierung des Produkts am Markt, seit das SAL-Modell daher "100 Prozent richtig".
In Villach sind derzeit (Stand 31. Dezember 2019) 98 Personen beschäftigt. Der angepeilte Ausbau auf 160 (ebenso wie in Graz; in Linz sind 80 Personen geplant) scheint nicht unerreichbar. "Das Beste ist, dass wir die Leute nicht verlieren, die schon da sind. Aber wenn man sich die Anzahl unserer internationalen Fachkräfte anschaut, dann sieht man sofort, dass man in gewissen Bereichen in Österreich gar keine Leute findet - zum Beispiel in der Mikrosystemtechnologie." Hirschl zeigt sich jedoch zuversichtlich, das benötigte Personal rekrutieren zu können - ob im In- oder Ausland.
Am Platzangebot soll es jedenfalls nicht scheitern. Bis 2023 sind bis zu 3.000 zusätzliche Quadratmeter für Büro- und Laborflächen vorgesehen. Am Areal hinzukommen soll noch der mit 1.000 Quadratmetern größte Forschungsreinraum Österreichs. Zum Stand der Dinge sagte SAL-Geschäftsführer Gerald Murauer gegenüber APA-Science: "Wir werden einen Businessplan erarbeiten, der bis September fertig sein soll. Ein Reinraum ist eine Rieseninvestition. Da ist es sehr wichtig, dass es eine hohe Sicherheit dafür gibt, dass der auch gut ausgelastet ist."
Hauptthema Sensorsysteme
In der Forschung stark aufgestellt ist man in Villach traditionell im Bereich Sensorsysteme. MEMS (Mikroelektromechanische Systeme) und MOEMS (Mikrooptoelektromechanische Systeme) sind Komponenten, die in typischen Consumerprodukten wie Haushaltsgeräten, aber auch in Autos verbaut werden, wie Hirschl erläutert: "Sensoren sind die Sinnesorgane der Technik, das ist wirklich unser Hauptthema. Wir hatten ein Projekt mit Osram, da ging es um die Lichtsteuerung eines Scheinwerfers oder Projekte mit Philips - viele Küchengeräte haben Sensorik eingebaut."
Neben einem Schwerpunkt mit photonischen Systemen wurde in Villach auch ein Fokus auf die heterogene Integrationstechnologie gelegt (siehe "Heterogene Integration - mehr als Moore"). Hirschl, die im Rahmen von SAL auch diesen Bereich leitet, erklärt, worauf es bei der Systemintegration ankommt: "Wenn man beim Zusammenfügen von Einzelkomponenten eine zusätzliche Funktionalität kreieren kann, dann lässt sich eine höhere Leistungsdichte erzielen und man kann Bauteile kleiner machen."
Ein strategisches Projekt aus diesem Bereich ist etwa ein MEMS-Mikrospiegel für intelligente Fahrassistenzsysteme, der zum Beispiel als Display oder zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung eingesetzt werden kann. Die Vorteile solcher Systeme liegen laut SAL in einer vergleichsweise erhöhten Leistung, einem verringerten Platzbedarf und einem vereinfachten Herstellungsprozess.
Präzisere Messungen per Quantensensorik
Weiters gewinne die Möglichkeit, Messvorgänge immer präziser zu machen, an Bedeutung. Hier kommt die Quantensensorik ins Spiel. Hirschl hat auf diesem Gebiet bereits Erfahrung. Im Projekt QSense4Life, das noch bis 2021 läuft, wird an der Systemintegration von Festkörper-Raumtemperatur-Quantensensoren geforscht. Obwohl noch einige Zeit von der Verwirklichung entfernt, könnte damit in Zukunft zum Beispiel eine Analyse von Schadstoffen in Lebensmitteln möglich sein - einfach, indem man das Smartphone darüber hält.
Für Hirschl ist das Thema Quantensensorik ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist dies neben Smart Systems, Computational Physics und Photovoltaik jenes Forschungsgebiet, das ihr im Moment "sehr viel Spaß bereitet", andererseits kommt die Wissenschafterin durch ihre Führungsaufgaben viel weniger dazu, sich der Forschung zu widmen. Dennoch hat sie gemeinsam mit ihrem Team soeben ein weiteres Projekt an Land gezogen (QSense4Power), bei dem Quantensensorik für die Halbleitertechnik eingesetzt werden soll. "Ich bin optimistisch, dass ich es zeitlich wieder hinbringe, in den Projekten aktiv zu sein. Papers schreibe ich nach wie vor."
Derzeit sind am Standort Villach ca. 55 Forschungsprojekte im Gange - von Horizon 2020 über nationale Förderprogramme wie COMET bis zur Auftragsforschung. All das und andere Aufgaben wie die Kontaktpflege mit Eigentümern oder die Gebäudeverwaltung muss Hirschl als Standortleiterin nun überblicken, wobei das Entscheidende für sie nicht der Standort ist. "Natürlich mache ich da meine Aufgaben, aber das Wichtige sind die Forschungsthemen. Der Standort ist im Hintergrund. Wir sind eine Projektorganisation, deshalb hat das Projekt immer Vorrang."
Von Mario Wasserfaller / APA-Science