Ökonom: Für Österreichs Wettbewerbsfähigkeit ist Forschung essenziell
Die Wissenschaft kann hierzulande viel zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie grüner Transformation, dem wirtschaftlichen Strukturwandel und der anhaltenden Rezession beitragen. Aber nur, wenn die neue Bundesregierung angesichts weitreichender Umbrüche eine klare politische Linie findet und kommuniziert, sagte Ökonom Jürgen Janger am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion in Wien. "Da hilft es nicht, zurückzurudern und die Leute in Nostalgie einzuhüllen", erklärte er.
Konkret bedeute das etwa, Rahmenbedingungen für Innovation und Dekarbonisierung in der Industrie langfristig abzustecken und durch klare Kommunikation Investitionssicherheit für Unternehmen zu schaffen. "Wir müssen sicherstellen, dass unser Land so auch wettbewerbsfähig ist und bleibt", erklärte Janger bei einem "Science Talk" unter dem Titel "Wirtschaftsmotor Wissenschaft? Wie Wissenschaft den Wirtschaftsstandort antreibt".
Wissenschaft grundlegend für den Erfolg moderner Volkswirtschaften
Eine bekannte Theorie besagt, dass es für Volkswirtschaften zwei einfache Strategien gibt, um sich zu entwickeln: Imitation und Innovation, erläuterte Janger. Dabei spielen das Entwicklungsniveau des Landes, Lohnkosten und zur Verfügung stehende Ressourcen eine wichtige Rolle. "Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Wir können uns nur mehr durch Innovationen am Weltmarkt behaupten", so der Ökonom, der am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) forscht.
Weil es dafür die Wissenschaft braucht, könne man sogar sagen, dass Wissen der wichtigste Produktionsfaktor einer modernen Volkswirtschaft ist. Dabei hat sich am Forschungsstandort Österreich in den vergangenen 25 Jahren viel getan: In den 1990er-Jahren war man bei Forschungsausgaben im europäischen Mittelfeld, heute in der Spitzengruppe. "Nach dem EU-Beitritt gab es die politische Ansage, Forschung auch im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, und massive Investitionen", so Janger.
Die hohen Ausgaben würden sich aber noch nicht ausreichend in der Wirtschaftsleistung widerspiegeln. Es fehle etwa an wichtigen Rahmenbedingungen: "In Österreich gibt es zum Beispiel einige Unternehmensgründungen, aber sie können nicht wirklich wachsen. Dazu fehlt die Wachstumsfinanzierung, weil die europäischen Kapitalmärkte sehr zersplittert sind", sagte Janger. Zudem sei die universitäre Landschaft im internationalen Vergleich recht kleinteilig - so sind etwa die Medizinischen Universitäten allesamt ausgegliedert. "Ich glaube, wir schießen uns damit selbst ein bisschen ins Knie, denn so verliert man internationale Sichtbarkeit", erklärte der Ökonom. Diese Sichtbarkeit helfe aber, Forschende, Studierende und Unternehmen anzulocken.
Internationale Fachkräfte und Absolventen steigern Innovationsoutput
Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa kann in diesem Kontext zu Problemen führen. Im Fachmagazin "Nature" wurde etwa berichtet, dass die niederländische Regierung unter Geert Wilders das Budget der Universitäten um eine Milliarde Euro im Jahr kürzen will. Zudem möchte man die Zahl internationaler Studierender reduzieren: Neben den Kürzungen dürfen Kurse nur noch mit einer Genehmigung auf Englisch abgehalten werden. Man befürchtet die Abwanderung der größten Talente aus den Niederlanden, die eigentlich ein Beispiel für ein relativ kleines Land sind, das in der globalen Forschungslandschaft trotzdem eine Rolle spielt, heißt es in dem Bericht.
"Das beste Beispiel für die Bedeutung der Zuwanderung hoch qualifizierter Personen und von Studierenden ist das Silicon Valley. Die großen Technologiekonzerne dort können unter anderem nur deswegen so stark wachsen, weil es so viele ausländische Studierende gibt, die nach ihrem Abschluss in die Konzerne gehen und arbeiten", sagte dazu Janger. Es sei empirisch belegt, dass viele internationale Fachkräfte sowie Studienabsolventinnen und -absolventen den Innovationsoutput erheblich steigern können.
Positive Auswirkungen oft unter dem Radar
Auch Grundlagenforschung und Wirtschaft können in einem engeren Zusammenhang stehen als oft angenommen, meinte Janger. In einer Studie hat er etwa den Bereich der Quantenphysik untersucht. Das Ergebnis: Um ehemals geförderte Forschende habe sich inzwischen ein ganzes Ökosystem an Unternehmen entwickelt, die beispielsweise Softwareprodukte für Quantencomputer international verkaufen. Das zeige, wie Grundlagenforschung der Wettbewerbsfähigkeit direkt zugute kommen kann. "Ich bin überzeugt davon, dass wir neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, wenn wir weiter in Wissenschaft investieren und langfristig denken", so Janger.
Gerade bei der Künstlichen Intelligenz (KI) für die Bilderkennung im Gesundheitsbereich sieht Gertraud Leimüller, Co-Gründerin und Geschäftsführerin des KI-Start-ups leiwand AI, besonders großes Potenzial. Zudem sei Wissenschaft und ihre Kommunikation ausschlaggebend für die Resilienz einer Gesellschaft: "Wir brauchen den sicheren Boden fundierter Erkenntnisse und es gibt ja schon viele davon. Man müsste sie in der Gesellschaft aber noch sichtbarer machen", sagte Leimüller.