EU-Umweltausschuss stimmte über Neue Gentechnik ab
Die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses haben sich am Mittwoch knapp auf eine Position zur Neuen Gentechnik (NGT) in der Pflanzenzüchtung einigen können. Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission vom Juli sieht vor, dass einige der neuen genomischen Verfahren nicht mehr unter die strengen Regeln für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) fallen sollen. Gentechnik-Skeptiker lehnen den Vorschlag ab, im Agrarsektor fand er hingegen Zustimmung.
47 EU-Abgeordnete stimmten für, 31 gegen den Vorschlag. Die Pläne der EU-Kommission sehen einen deutlich lockeren Umgang mit der Neuen Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft vor. Neue Mutationsverfahren wie die Genschere Crispr/Cas (Kategorie NGT-1) sollen demnach künftig einfacher zum Einsatz kommen und damit bearbeitete Pflanzen nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Ziel der Deregulierung ist unter anderem, gegen Wassermangel oder Schädlinge widerstandsfähigere Gewächse zu züchten. NGT-Verfahren mit nicht kreuzbaren Arten, Transgenese genannt, (Kategorie NGT-2) sollten hingegen unter die bestehenden GVO-Verordnungen fallen.
Die Abgeordneten stimmen dem Vorschlag zu, zwei unterschiedliche Kategorien und zwei Regelwerke für NGT-Pflanzen einzuführen. Die Abgeordneten wollen außerdem, dass eine öffentliche Online-Liste aller NGT-1-Pflanzen eingerichtet wird. Der Umweltausschuss änderte den Kommissionsvorschlag dahingehend, ein vollständiges Patentverbot für alle NGT-Pflanzen, Teile davon, genetische Informationen und darin enthaltene Prozessmerkmale zu fordern, um Rechtsunsicherheiten, erhöhte Kosten und neue Abhängigkeiten für Landwirte und Züchter zu vermeiden.
Patentierbarkeit von Pflanzen als Gefahr
Die umstrittene Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen stellt laut Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, eine große Gefahr dar: "Patentiert werden dabei die Eigenschaften der Pflanze, nicht die genetische Zusammensetzung. Was passiert mit Produkten aus herkömmlicher Züchtung, die zufällig ähnliche Merkmale aufweisen, wie die neue Gentechnik? Kleine Züchtende könnten damit schnell große rechtliche Schwierigkeiten bekommen."
"Der Frontalangriff ist knapp gescheitert", so Waitz zur APA. So sei ein Abänderungsantrag, generell Länder oder Produkte als NGT-frei deklarieren zu können, abgelehnt worden. Gentechnisch verändertes Saatgut sei zwar nun mit natürlichem Saatgut gleichgestellt, muss aber gekennzeichnet werden - wie im Kommissionsvorschlag geplant. Waitz kritisiert, dass der Umweltausschuss keine Abstandsregeln und keine Maßnahmen gegen Kreuzkontamination fordert. Biolandwirtinnen und -landwirte könnten hier draufzahlen: "Damit kann in Zukunft nicht mehr garantiert werden, dass die österreichische Biolandwirtschaft gentechnikfrei ist."
Derzeit laufen die Verhandlungen im EU-Parlament und im Rat (der EU-Mitgliedstaaten) für die jeweilige Position zum Vorschlag. Das EU-Parlament soll seine Position in der Plenartagung Anfang Februar annehmen. Die zuständigen EU-Agrarministerinnen und -minister konnten bisher noch keinen gemeinsamen Standpunkt finden. Sind beide Positionen gefunden, starten die Gespräche zwischen den Institutionen für den endgültigen Gesetzesvorschlag.
"Eine Mehrheit im Umweltausschuss hat heute klar gegen die Mehrheit der Menschen in Europa entschieden, die den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und der Lebensmittelherstellung sehr kritisch sieht. Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen sich weiter auf das in der EU bewährte Vorsorgeprinzip verlassen können und es volle Transparenz gibt, wo Gentechnik zum Einsatz kommt und wo nicht", kommentierte Ausschussmitglied und SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl.
"Kniefall vor der Industrie"
"Zu viele Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben für eine radikale Deregulierung von Neue Gentechnik-Pflanzen gestimmt. Dies ist ein Kniefall vor der Industrie. Noch mehr NGT-Pflanzen sollen in die Kategorie NGT 1 fallen und damit ungekennzeichnet und ungeprüft auf unseren Tellern landen", analysiert Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von Global 2000.
Heidemarie Porstner, Leiterin und Gentechniksprecherin von foodwatch Österreich, stimmt ihr zu: "Dass ausgerechnet der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sich heute für den Vorschlag der EU-Kommission zu einer Aufweichung der Gentechnik-Gesetze ausgesprochen hat, ist für uns eine echte Enttäuschung. Wenn Lebensmittel durch Neue Gentechnik hergestellt werden, ist es unabdingbar, dass sie für Konsumenten und Konsumentinnen durch entsprechende Kennzeichnung klar erkennbar sind."
"Die wissenschaftlichen Argumente konnten die Abgeordneten des Umweltausschusses offenbar überzeugen. Das Abstimmungsergebnis ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Vorschlag der EU-Kommission kann das Potenzial der Forschung zur Neuen Gentechnik zukünftig besser ausgeschöpft werden", begrüßte der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Heinz Faßmann das Abstimmungsergebnis.
Eine Woche vor der Abstimmung äußerten sich zudem 34 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger in einem Offenen Brief für eine Liberalisierung der NGT-Regelungen. Dem von der Umwelt-NGO "WePlanet" initiierten Brief schlossen sich insgesamt mehr als 1.000 Wissenschafterinnen und Wissenschafter, darunter auch Forschende der Boku Wien und des Gregor Mendel Instituts der ÖAW.