"Mobil 4.0 oder die Frage, ob wir vor einer mobilen Revolution stehen"
Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Man kennt das ja. Aber prinzipiell ist es richtig. Was einem beim Blick in die Zukunft aber helfen kann, sind sogenannte Megatrends, denen unsere Gesellschaft folgt. Aus einigen von diesen können mit hoher Zuverlässigkeit mögliche Auswirkungen für die Mobilität der Zukunft abgeleitet werden. Also kein Blick in die Kristallkugel, sondern Prognosen, die sehr wahrscheinlich sind.
Mobilität an sich ist eigentlich relativ konstant. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass es am Ende die Physik ist, die eine Masse von einem Ort zum anderen bringt, und das wird sich vermutlich nicht so rasch ändern. Aus dem Megatrend Globalisierung folgt ziemlich eindeutig, dass Produktion und Handel sich über den gesamten Globus verteilen. Dies findet schon statt und es ist absehbar, dass dieser Trend weitergehen wird. Das Stichwort "eCommerce" bringt es auf den Punkt: Eingekauft wird online, weltweit, jederzeit. Die gekaufte Ware muss aber auch physisch vom Verkäufer zum Besteller kommen.
Ein weiterer Megatrend ist die Urbanisierung. Seit 2008 leben zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr Menschen in Großstädten als im ruralen Raum. Auch dieser Trend wird weitergehen. Das hat Auswirkungen auf die Mobilität in den Städten, aber auch im ländlichen Raum. In den Städten muss das Angebot ausgebaut, am Land muss dafür gesorgt werden, dass zumindest ein Grundangebot erhalten bleibt.
Eine Überlagerung der Urbanisierung mit der Globalisierung führt zum Beispiel zu der Problemstellung der Zustellung von immer mehr Online-Bestellungen in Ballungsräumen. Mit dem Projekt "smartBOX" haben wir dazu beispielsweise Überlegungen angestellt, ob Fahrten bei der Zustellung eingespart werden können, wenn das Produkt in einer standardisierten Box verpackt wird und bei einem sogenannten smartTerminal aufgegeben oder abgeholt werden kann. Ein Dienstleister könnte bei der Vorbeifahrt an einem solchen Terminal eine Box mitnehmen, wenn er noch Platz hat und die Richtung passt. Hier treten natürlich viele Fragen zu Service und Dienstleistung auf.
Die Verstädterung führt auch dazu, dass die Infrastruktur dort extrem strapaziert wird, am Land aber eventuell sogar weniger belastet ist als bei der ursprünglichen Planung angenommen. Die Betreiber von Infrastrukturen müssen ständig Entscheidungen treffen, ob eine bestimmte Komponente der Infrastruktur, wie zum Beispiel eine Brücke, noch notwendig ist, ob diese umgebaut werden kann oder unter Umständen komplett abgerissen und neu gebaut werden muss. Eine Entscheidungsgrundlage dafür sind die sogenannten LifeCylceCosts. Diese basieren aber meist auf technischen Parametern. Wir sind der Meinung, dass hier auch ökologische und soziale Aspekte in die Entscheidung einbezogen werden müssen und entwickeln Modelle, mit denen diese Aspekte in die klassische Berechnung miteinbezogen werden können.
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie wichtig die Einbeziehung der Nutzer in zukünftige Überlegungen ist. Rein technische Überlegungen und Entwicklungen sind zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht angenommen werden oder die Lebensrealität der Nutzer nicht abbilden. Dieser Trend ist zum Glück auch in der urbanen Mobilität angekommen. Das Carl Ritter von Ghega Institut für integrierte Mobilitätsforschung der FH St. Pölten denkt schon seit langem in die Richtung, den Nutzer in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen und arbeitet bei Fragen der Mobilität fast immer mit den anderen Instituten im Haus zusammen - von der Medientechnik über die Gesundheit bis hin zum Departement Soziales. Dies hat sich sehr bewährt.
Dieser Ansatz lässt auch Raum für Unvorhergesehenes oder Spontanes. Die Megatrends sind eine Sache, aber auch kurzfristige Entwicklungen lenken die Mobilität. Internet, Smartphone und Co. machen Dinge möglich, die bis vor kurzem als undenkbar galten. Wer vor gar nicht allzu langer Zeit behauptet hätte, dass wir einmal eine digitale Karte der Welt mit einer Ortungsfunktion in einem Gerät haben werden, das so groß ist wie eine Zigarettenschachtel und das wir immer bei uns haben, hätte einiges aushalten müssen.
Die Physik ist, wie bereits erwähnt, dieselbe, aber es sind unglaublich viele Services rund um die Mobilität entstanden, die uns die Fortbewegung erleichtern. Das in Kombination mit dem Trend, dass wir weniger besitzen, sondern nur benutzen wollen und nochmals kombiniert mit dem Megatrend der selbstfahrenden Fahrzeuge legt nahe, dass Mobilität in Zukunft größtenteils ein Service beziehungsweise eine Dienstleistung sein wird, die wir bei einem Anbieter dann abrufen, wenn wir sie brauchen. Könnte das vielleicht der Grund sein, warum sich eine Internetsuchmaschine und ein Computerkonzern aktuell so intensiv mit diesem Thema beschäftigen?