650 Jahre: Die Geschichte der Universität Wien
Einen schwierigen Start hatte die Universität Wien nach ihrer Gründung vor 650 Jahren. Schwierigkeiten mit dem Papst sowie der frühe Tod des Herzogs Rudolf IV. ("Der Stifter") machte der noch jungen Einrichtung Probleme. Erst rund 20 Jahre später sorgte das Große Abendländische Schisma (Kirchenspaltung) für einen Aufschwung - Professoren und Studenten aus anderen Städten kamen deshalb nach Wien.
Die Gründung der "hoen schuel" galt als ein Prestigeprojekt des Herzogs - in der damaligen Zeit war solch ein Akt primär Kaisern und Königen vorbehalten. Vorbilder der "Alma Mater Rudolphina Vindobonensis" waren einerseits die von Rudolfs Schwiegervater Karl IV. 1348 gegründete Universität Prag und andererseits die Pariser Sorbonne, von der auch Gründungsrektor Albert von Sachsen nach Wien wechselte. Wie die Sorbonne sollte daher auch die Uni Wien in vier Fakultäten gegliedert sein: Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Artes liberales (Artistenfakultät; ursprünglich zur Vorbereitung auf das Studium an den drei anderen Fakultäten gedacht, später Philosophische Fakultät). Die Versagung der Anerkennung einer theologischen Fakultät durch Papst Urban V. im Juni 1365 war der erste größere Rückschlag für die Wiener Uni.
Jähes Ende für ehrgeizige Pläne
Nur wenig später, am 27. Juli 1365, starb Rudolf - und damit auch dessen Plan, der Uni das gesamte Areal zwischen der Burg und dem Schottenstift zu überlassen und dieses durch Mauern vom Rest Wiens abzutrennen. Nach Rudolfs Tod fühlten sich dessen Nachfolger Albrecht III und Leopold III für die Uni nicht wirklich zuständig, der eingeschränkte Lehrbetrieb wurde vor allem durch die Stadt Wien finanziert.
Rettung nahte durch die zeitweilige Kirchenspaltung 1378, die zahlreiche Professoren und Studenten von ihren Universitäten vertrieb. Diese überzeugten schließlich Albrecht von den dadurch entstehenden neuen Chancen für die Uni Wien. Nachdem schließlich auch der neue Papst Urban VI. die theologische Fakultät genehmigt hatte, griff auch der Herzog tief in die Tasche: Für die Unterbringung des Herzogskollegs (Collegium ducale), einer der Universität eingegliederten Korporation bestehend aus zwölf Magistern der Artistenfakultät und zwei Doktoren der Theologie, stiftete er einen Gebäudekomplex gegenüber dem Dominikanerkloster in der heutigen Postgasse. In den Jahren bzw. Jahrzehnten darauf folgten aufgrund der wachsenden Studentenzahl etwa die "Juristenschule" in der Schulerstraße (1385) und das "Haus der Ärzte" (1419) in der Weihburggasse.
Viele Privilegien und Studentenzustrom
Die Universität besaß durch landesfürstliche Privilegierung zahlreiche Sonderrechte: Sie war von städtischen oder kirchlichen Instanzen unabhängig, ihre Angehörigen mussten weder städtische Steuern zahlen noch Wehrdienst leisten. Alle im Matrikelbuch der Uni verzeichneten Personen unterstanden der Gerichtsbarkeit des Rektors und des aus den Dekanen sowie den Vorständen der akademischen Nationen (Österreich, Ungarn, Sachsen, Rheinland) bestehenden Konsistoriums.
Aufgrund des stetigen Studentenzustroms - im 15. Jahrhundert verzeichnete sie die höchsten Studentenzahlen im römisch-deutschen Reich - wurde das Herzogskolleg in Richtung Wollzeile erweitert: Es entstand die "Neue Schul" in der Bäckerstraße. Im Umfeld siedelten sich Studentenhäuser ("Bursen") an. Der Aufschwung endete im 16. Jahrhundert mit der beginnenden Reformation, die der Uni als "päpstlicher Einrichtung" schadete, sowie der ersten Türkenbelagerung 1529. Seuchen und ein Stadtbrand 1525 sowie die wachsende Konkurrenz der Universitäten am Beginn der Neuzeit taten ihr Übriges.
Die Jesuiten und die heute "Alte Universität"
Kaiser Ferdinand I. reagierte auf den Verfall, indem er auf die katholische Schiene setzte und 1551 dem Jesuitenorden Lehrkanzeln anvertraute - sehr zum Missfallen der bis dahin teils protestantischen Universität. Als Sieger der Auseinandersetzungen gingen schließlich die Jesuiten hervor, denen am Beginn des 17. Jahrhunderts ein Großteil des Lehrbetriebs übertragen wurde.
Gleichzeitig verpflichtete sich der Orden zum Neubau eines "akademischen Kollegs" ("Jesuitenkolleg"), schreiben Kurt Mühlberger und Thomas Maisel in ihrer Überblicksgeschichte der Uni Wien. Bis etwa 1650 entstand größtenteils auf dem Gelände der bisherigen Uni-Räumlichkeiten der heute als "Alte Universität" bekannte Gebäudekomplex, der zunächst Universitätskirche, Bibliothek, Observatorium, Theatersaal, das Akademische Gymnasium, Hörsaal-, Wohn- und Wirtschaftsgebäude und Weinkeller umfasste. Ein separates Gebäude wurde als Sitz des Rektors eingerichtet - dort befanden sich auch der große Senatssitzungssaal, die Universitätskanzlei, das Archiv und der Karzer.
Neuausrichtung im 18. Jahrhundert
1756 folgte unter Maria Theresia mit der "Neuen Aula" (dem heutigen Sitz der Akademie der Wissenschaften) der nächste Neubau. Unter ihrem Sohn Joseph II. wurde 1784 schließlich das Allgemeine Krankenhaus mit seinen späteren Uni-Kliniken errichtet. In der Regentschaft der beiden Monarchen verloren die Jesuiten, denen die weltlichen Fakultäten kein größeres Anliegen waren, nach und nach ihren Einfluss. 1773 wurde der Orden sogar aufgelöst. Weiteres Zeichen für die neue Ausrichtung der Uni war die Zulassung von Protestanten und Juden. Gleichzeitig wurde aber auch ihre Autonomie eingeschränkt: 1783 fiel die universitäre Sondergerichtsbarkeit.
Ein weiterer Einschnitt in der Uni-Geschichte erfolgte 1848: Das vom Staat vorgegebene Ziel der Ausbildung von Beamten und nützlichen Untertanen kollidierte mit den aus Deutschland herüberschwappenden liberalen und nationalen Ideen. Soziale Spannungen und eine wirtschaftliche Krise führten zum Aufstand der Bürger, an dessen Spitze sich die Studenten stellten. Nach der Niederschlagung der Revolution im Oktober wurde unter anderem auch die Unigebäude von der Armee besetzt. Erst im März 1849 wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen - immerhin wurde die Forderung nach Lern- und Lehrfreiheit bald aufgegriffen und die Uni nach Humboldtschem Vorbild auf der Basis der Verbindung von Forschung und Lehre umorganisiert. Im Zuge dieser Neuordnung verlor auch die Philosophische Fakultät ihren Charakter als reine Vorbereitungsstätte für die "höheren Fakultäten".
"Wissenschaft und ihre Lehre frei ist"
1867 wurde im Staatsgrundgesetz schließlich festgehalten, dass "Wissenschaft und ihre Lehre frei ist". Bis zum Ersten Weltkrieg gewann die Universität Wien stetig an Reputation, die "Wiener Schule" galt in vielen Wissenschaftsdisziplinen - allen voran der Medizin - als dominant. 1873 begann der Bau des heutigen Hauptgebäudes am Ring auf dem ehemaligen Militärparadeplatz. Außerdem wurden in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg Bauten wie die Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (Hohe Warte), die Sternwarte (Türkenschanzstraße), das Botanische Institut (Rennweg), das Institut für Radiumforschung und das Physikalische Institut (beide Boltzmanngasse) sowie neue Unikliniken (Spitalgasse) und die Chemischen Institute (Währingerstraße) errichtet.
1897 wurden erstmals Frauen zum Studium zugelassen - allerdings vorerst nur an der Philosophischen Fakultät. 1900 folgte die Medizin-Fakultät, nach dem Ersten Weltkrieg die juridische und nach dem Zweiten Weltkrieg die katholisch-theologische Fakultät. Im Ersten Weltkrieg diente die Universität als Lazarett, der Lehr- und Forschungsbetrieb war stark eingeschränkt.
Die Katastrophe und ihre schleppende Aufarbeitung
In der Zwischenkriegszeit wurde die Uni zum Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des aufkommenden Nationalsozialismus, Befürwortern des Ständestaats und Sozialisten. Antisemitische Strömungen versuchten schon lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, jüdische Studenten und Wissenschafter aus der Uni zu drängen. Wichtigster Neubau dieser Zeit war das "Auditorium Maximum" der Uni. Nach dem "Anschluss" 1938 wurden zahlreiche jüdische Lehrende ihrer Ämter enthoben - viele landeten in Konzentrationslagern, anderen gelang rechtzeitig die Emigration. Auch im Zweiten Weltkrieg war der Lehrbetrieb stark eingeschränkt, dazu kamen großflächige Zerstörungen der Uni-Gebäude.
Bereits im Mai 1945 begann allerdings wieder der Vorlesungsbetrieb. Zwar wurden die Uni-Gebäude bis Anfang der 1950er Jahre wieder instand gesetzt - von den vertriebenen Wissenschaftern kehrten auch wegen fehlender Bemühungen seitens Uni und Politik aber nur wenige zurück. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten stieg die Studentenzahl stark an: Folge waren weitere Neubauten wie das Neue Institutsgebäude (NIG, 1962), das Sportzentrum auf der Schmelz (1973), das Biologie- (1982) bzw. Pharmazie- und Geozentrum (1995) in der Althanstraße (1982), das Juridicum (1984) oder das Vienna Biocenter (1992) in der Bohrgasse in der Landstraße. 1994 wurden die Uni-Kliniken im Neuen AKH vollständig in Betrieb genommen, 1998 eröffnete am Gelände des Alten AKH der vor allem den Geisteswissenschaften gewidmete Universitätscampus.
Mittlerweile versucht die Uni, viele der in diesen Jahren entstandenen oft in der ganzen Stadt verteilten Einrichtungen wieder in die Innenstadt zurückzubringen. Zuletzt wurden die Fakultäten für Informatik und Publizistik (2012) sowie für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften (2013) von Standorten zum Teil außerhalb des Gürtels wieder ins Umfeld des Hauptgebäudes verlegt.