"Open since 1897: die Universität Wien und die Frauen"
"Männerbund Universität" titelte das Transparent, das Vertreterinnen und Vertreter der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) bei der Pressekonferenz anlässlich der Programmpräsentation zum 650jährigen Bestehen der Universität Wien am 13. November 2014 ins Bild rückten. Damit thematisierten sie eine heute immer noch schmerzhafte Wunde, denn die Universitäten Österreichs weisen erst seit wenigen Jahrzehnten keine gesetzlich verankerten Zugangsbeschränkungen mehr auf.
Bis ins ausgehende 18. Jahrhundert regelte das Kriterium der Religion den Ausschluss von protestantischen und jüdischen Studierenden und die rassistische Gesetzgebung des Nationalsozialismus verbot Juden und Jüdinnen sowie Menschen mit Behinderung den Zugang zum Universitätsstudium. Am radikalsten fand der Ein- beziehungsweise der Ausschluss von der akademischen Bildung jedoch jahrhundertelang an der Geschlechtergrenze statt.
Erst 1897 öffnete die Philosophische Fakultät der Universität Wien, als erste Österreichs, ihre Tore für ordentliche Studentinnen. Das bedeutet, dass auf der weiblichen Habenseite im Bereich der akademischen Wissenschaften 532 Jahre weniger Teilhabemöglichkeit zu verbuchen sind. Seit dem Jahre 1900 sind Frauen an der Medizinischen, seit 1919 an der Juridischen Fakultät zugelassen, als letzte Studienrichtung folgte im Jahre 1945 die katholische Theologie. Diese Schieflage zeitigt nachhaltige Folgen für die Kultur der Wissenschaft und der Institution Universität ebenso wie für die Geschlechterverhältnisse, die die gesamte Gesellschaft strukturell gestalten. Denn die Wirkungsmacht von Geschlecht regelte - gesetzlich verankert - die bürgerliche Ordnung und schuf Hierarchien: Neben dem Zugang zu höherer Bildung und den Wissenschaften blieben Frauen bis zur Gründung der Republik Österreich 1918 auch von der institutionalisierten Politik ausgeschlossen und das bis 1975 gültige Familienrecht definierte den Mann umfassend als das "Haupt der Familie".
Heute gelten zwar andere Gesetze und mehr und mehr Frauen werden auf Professuren berufen oder leiten Forschungsgruppen. Proteste von Burschenschaften, wie im Jahre 1906, als sie versuchten, die erste Habilitation einer Frau an der Universität Wien - die Philologin Elise Richter - zu verhindern, scheinen undenkbar. Allerdings werden die in den Mentalitäten ebenso wie in den Strukturen eingebrannten männerbündischen Persistenzen nicht automatisch wirkungslos, worauf mit Instrumenten der Gleichstellungspolitik Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Gegenwärtige Ungleichheitsanalysen kennen jedoch nach wie vor den Marker Geschlecht.
Die Universität Wien hat sich entschlossen, in ihrem Jubiläumsjahr 2015 ein Zeichen zu setzen und das Themenfeld "Geschlechtergerechtigkeit" zum Schwerpunkt erklärt - sie stellt sich den kritischen Fragen zu ihrer Geschichte, so unangenehm sie auch sein mögen, heißt es dazu im Entwicklungsplan 2010. In einem umfangreichen Programm werden die hierarchischen Geschlechterverhältnisse reflektiert, Wissenschafterinnen sichtbar gemacht und die Beiträge der Frauen- und Geschlechterforschung für eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft präsentiert: sei es in der künstlerischen Intervention im von Männerbüsten geprägten Arkadenhof des Hauptgebäudes, der Veranstaltungsreihe zu "Beruf: Wissenschafterin", in der Performance eines Textes von Elfriede Jelinek zum Verhältnis von Frauen und Universität, in Veranstaltungen mit Angela Davis, Pionierin der Frauen- und Geschlechterforschung und Aktivistin der Antirassismusbewegung in den USA oder in Tagungen zu den Themen "Welche Zukunft wollen wir" und "Geschlecht, Sprache, Politik". Damit wird versucht, das Ende vom "Männerbund Universität" einzuläuten.