"Jubiläen sollten für Universitäten Gelegenheiten sein - keine Anlässe"
"Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben." Bereits Albert Einstein sah in der Zukunft den Schlüssel für Verbesserungen und die Chance zur Weiterentwicklung liegen. Auf der Veranstaltungsseite der Universität Wien steht im Zuge des 650. Jahrestages gleich zu Beginn geschrieben: "Ein Jubiläum bietet auch die Gelegenheit, zurückzublicken und sich der eigenen Tradition zu besinnen." Für mich stellt sich die Frage, ob das Besinnen auf die eigenen Traditionen im Fall von Universitätsjubiläen im Vordergrund stehen sollte? Sehr gerne neigen wir dazu, uns die Vergangenheit schön zu reden und ihrer "Helden" sic und Taten zu gedenken, anstatt uns der aktuellen Situation zu besinnen und uns eine mögliche (gute) Zukunft auszumalen.
Uns sollte klar sein, dass die Vergangenheit (auch die jüngere) für die Universitäten nicht unbedingt nur ein Grund zum Feiern ist. Für uns Studierende wurden in den letzten Jahren die Bedingungen in vielen Punkten verschlechtert. Die Familienbeihilfe wurde um zwei Jahre gekürzt, Aufnahmetests erschweren mittlerweile den Zugang zu den Universitäten und ohne einen Job neben dem Studium ist ein solches für Viele gar nicht mehr möglich. Sollte das nicht viel mehr Grund zur Sorge als zum Feiern geben? Sollten sich die Universitäten nicht mehr Gedanken darüber machen, wo diese aktuellen Probleme herrühren und wie sie gelöst werden können?
Blicken wir noch ein Stück weiter zurück. Unter dem nationalsozialistischen Regime waren die Universitäten Orte des menschenvernichtenden Gedankenguts. Ein Kapitel in der Geschichte, das bis heute an vielen Universitäten noch nicht ausreichend aufgearbeitet wurde. Ganz im Gegenteil, an der Universität Wien wird dieser Zeit auch noch ganz offiziell einmal in der Woche von schlagenden Burschenschaften gedacht.
Auch war es in der Geschichte der Universitäten lange Zeit für Frauen und große Teile der Gesellschaft nicht möglich zu studieren. Erst der Blick in die Zukunft und das Engagement und die Visionen vieler Menschen für Gleichberechtigung eröffneten diese Wege. Das Besinnen auf Traditionen hätte diese Schritte wohl kaum ermöglicht. Erst das Denken abseits etablierter Strukturen und das Offensein für Veränderung und deren Akzeptanz sind es, was die Universitäten weiter entwickeln kann. Dies gilt es unter den Angehörigen der Universität zu fördern.
Ob Festveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmer_innenzahl oder Gottesdienste mit Kranzniederlegungen hierfür die richtige Plattform bieten, wage ich zu bezweifeln. Ich behaupte jetzt nicht, dass sich in den Veranstaltungskalendern der Universitäten im Jubiläumsjahr nicht auch interessante Veranstaltungen und Diskussionen befinden. Sie bekommen jedoch nicht die nötige Priorität zugeschrieben und stehen daher nicht im medialen Mittelpunkt. Ich halte es für unumgänglich den kritischen Veranstaltungen und den Diskussionen über die Lösungen aktueller Probleme mehr Raum zu bieten und alle Angehörigen der Universität, auch die Studierenden, in die Diskussion einzubinden. Nicht das "Auf die Person durchkalkulierte Buffet" soll im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen, sondern deren Öffnung und Partizipationsmöglichkeiten für alle!
Das Jahr 2015 werden gleich drei Universitäten dazu nutzen, um ihre Jubiläen zu begehen. Ich sehe das weder als einen Grund zu feiern, noch als einen Grund zu jammern. Für die Universitäten sollte jedoch klar sein, dass diese Jubiläen nicht bloße Anlässe zum Feiern sein sollten, sondern Gelegenheiten um mit allen Angehörigen über aktuelle Probleme und deren Lösungen für die Zukunft nachzudenken. Liebe Universitäten, nehmt euch genug Zeit und Raum, um kritisch über eure Vergangenheit, die aktuelle Situation und die Zukunft nachdenken zu können und arbeitet gemeinsam an Lösungen, damit ihr auch in 100 Jahren noch einen Grund zum Feiern habt!