Kunststoffcluster als Gemeinschaftsprojekt
Im Bereich Kunststoff und Mechatronik haben sich vor allem in Ober- und Niederösterreich große Branchenverbände gebildet. Die beiden Bundesländer kooperieren seit einigen Jahren eng und betreiben den etwa 440 Betriebe umfassenden Kunststoff-Cluster (KC) und den rund 340 Unternehmen zählenden Mechatronik-Cluster (MC) gemeinsam. In ihrem Selbstverständnis sehen sich die Clusterinitiativen vor allem als Ermöglicher von Zusammenarbeit zwischen Firmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten.
"Innovation passiert nicht mehr im stillen Kämmerlein, wo ein einzelner Forscher oder ein Unternehmen eine Weltneuheit auf den Markt bringen kann", so Christian Altmann, Manager des Kunststoff- und Mechatronik-Clusters in Oberösterreich im Gespräch mit der APA. "Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit liegt darin, im intensiven Kontakt mit den Betrieben zu stehen. Mit Leuten zu kommunizieren und in vielfältigster Art und Weise zu vernetzen, ist eigentlich unser täglich Brot". Man habe erkannt, dass man "nicht nur die Großen, sondern die Großen, die Kleinen und die Forschung miteinander vernetzen muss". So könne man sicherstellen, dass die richtigen "Player" bei der Lösung einer Aufgabe zusammenkommen.
Kooperation mit Niederösterreich
Auch in Niederösterreich verfolgt man den gleichen Ansatz. Die 2004 auf den Weg gebrachte Kunststoffclusterinitiative sei von Beginn an in Kombination mit dem in Oberösterreich bereits etablierten Netzwerk geplant worden. "Es war damals ein Novum, dass ein Bundesland in einen vorhandenen Cluster mit einsteigt", wie Altmanns niederösterreichischer Kollege, der Clustermanager Harald Bleier, erklärte. Eine "große Lösung", die Wien und das Burgenland mit eingeschlossen hätte, kam damals zwar nicht zustande, dennoch sind auch Firmen aus anderen Bundesländern in den Clustern beteiligt. Momentan verfolgt der KC auch eine sehr enge Kooperation mit der Innovations- und Technologietransfer Salzburg GmbH (ITG).
"Mit den Partnern haben wir uns dazu entschieden, nicht in jedem Bundesland wieder einen eigenständigen Cluster zu etablieren, sondern ein großes bundesländerübergreifendes Netzwerk zu realisieren, das gleichzeitig aber auf regionale Ansprechpartner setzt", so Altmann. Das sei wichtig, da es teilweise regional verschiedene Schwerpunktthemen gebe. So sei zum Beispiel das Thema Biokunststoffe "ein Thema, das eher die Niederösterreicher bei uns vorantreiben", wogegen das Thema "Smart Plastics" in Oberösterreich mehr Aufmerksamkeit erfahre.
In Sachen Biokunststoffe sei man beispielsweise ab 2005 aktiv an Firmen herangetreten. "Wir konnten dann Unternehmen davon überzeugen, sich diesem Thema im kooperativen Sinne zu widmen", so Bleier. So wurden 2006 etwa 20 Akteure zur Initiative gebracht. Es habe dann ein Prozess eingesetzt, in dem sich viele Firmen den Kopf darüber zerbrochen haben, "was man eigentlich mit den Biokunststoffen produzieren kann". Über die Jahre hinweg habe sich eine gewisse Dynamik entwickelt. "Aus den Ergebnissen, die in den Forschungsgruppen entstanden sind, werden jetzt laufend Produkte abgeleitet", so der niederösterreichische Clustermanager.
Grundlagenforschung als Impulsgeber
Auch Themen aus der Grundlagenforschung würden oft zu KC-Projekten führen. Altmann führte ins Treffen, dass die Universitäten "für uns und unsere Betriebe ein ganz wesentlicher Inputgeber sind".
Ein Beispiel dafür sei "gedruckte Elektronik auf Kunststofffolie" - also die sogenannten "Smart Plastics". Hier handelt es sich um einen Ansatz, der an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz im Umfeld des Top-Materialwissenschafters Niyazi Serdar Sariciftci entwickelt wurde. Altmann: "Aus dieser Grundlagenforschung sind auch Spin-offs entstanden, die die Technologie zu einer gewissen Marktreife weiterentwickelt haben".
Eine derartige Arbeitsweise sei "sicherlich die Weichenstellung in Richtung Zukunft" und "eine logische Weiterentwicklung unserer Vernetzungsarbeit". Es gehe zukünftig vermutlich vermehrt darum, in den Clustern "themenrelevante Subcommunities zu gründen", in denen Forscher und Unternehmen neue Ansätze strukturiert bearbeiten.
Fokus auf Vertrauensaufbau am Beginn
In den Anfängen der Clusterentwicklung Ende der 1990er-Jahre ging es hingegen noch stark darum, Vertrauen zwischen den Mitgliedern aufzubauen. Man habe damals die Forschungseinrichtungen und Betriebe im Rahmen vieler Veranstaltungen miteinander bekannt gemacht.
Bei der Realisierung von stark inhaltsbezogenen Kooperationsprojekten sei dieses gegenseitige Vertrauen essenziell, so Altmann. Fragen der Vermarktungs- und Verwertungsrechte sollten erst in Entwicklungsstufen, die in Richtung eines konkreten Produktes gehen, stärker in den Vordergrund rücken.
Etablierung neuer Schnittstellen
Ein Projekt, das aktuell vom Kunststoff-Cluster vorangetrieben wird, hört auf den Namen "Advanced PartSim- APS". In Kooperation mit der Montanuniversität Leoben geht es in dem auf vier Jahre ausgelegten Projekt darum, lokale Werkzeugbauer und größere Betriebe, "die Spritzgießwerkzeuge permanent zukaufen" miteinander zu vernetzen, wie Bleier erklärte.
In den vergangenen Jahren kamen kleinere, regional agierende Werkzeugbauer durch zunehmende Konkurrenz aus Asien, Osteuropa oder Portugal unter Druck. "Wir haben uns die Frage gestellt, was wir bei den Kleinunternehmen tun müssen, damit sie in der Lage sind Entwicklungspartner zu werden?". Das Ziel ist, "den Entwicklungszeitraum von speziellen Kunststoffteilen so zu verkürzen, dass am Ende nicht der billige Werkzeugpreis im Vordergrund steht, sondern, dass man gemeinsam die günstigsten Stückkosten in der Entwicklung sicherstellt", so Bleier.
Berührungsängste abbauen
Um das zu erreichen, bietet man den Kleinunternehmen in Kombination mit der Montanuni Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich der Simulation - also der Entwicklung von Werkzeugkomponenten am Computer an. Das heißt, dass die neuen Simulationsmethoden bereits in ihrer Entwicklung auf einfache Anwendbarkeit hin überprüft werden. Dadurch könnten diese Unternehmen bereits in früheren Entwicklungsstadien mit den großen Firmen besser zusammenarbeiten. "So kann man ein Werkzeugkonzept schnitzen, das dann vielleicht viel angepasster ist, als wenn der Werkzeugbauer erst am Ende die fertig entwickelten Zeichnungen bekommt".
Es gehe auch darum, die Kommunikation zwischen Entwicklern und Werkzeugmachern - also den Praktikern - zu verbessern und die Simulationssoftware so userfreundlich zu machen, dass sie auch für "Nicht-Akademiker bedienbar" ist. So könnten die kleinen Firmen "die Scheu vor den Wissenschaftern und den Universitäten" verlieren. Bleier: "Auch die Universitätsprofessoren und Institutsleiter bekommen da oft sehr trocken vermittelt, wenn etwas nicht passt".
"Der Mehrwert, der in diesem Projekt entstanden ist, ist eigentlich nicht mehr in Zahlen zu messen", so der Niederösterreicher. Viele größere Firmen würden jetzt Werkzeugaufträge wieder vermehrt regional vergeben.
Verbindungen zur Mechatronik bringen Vorteile
Vernetzung finde aber auch über die Clustergrenzen hinweg statt. Zwischen dem KC und dem MC würden immer mehr Schnittstellen entstehen, wie Altmann betonte. Etwa im Bereich "Automatisierung von Produktionsabläufen" - einer Thematik, die aktuell viel Aufmerksamkeit erfahre. Hier könne man auf langjährige Erfahrung aus dem MC zurückgreifen. Ein anderer großer Trend seien "Neue Materialen und Materialverbünde". Hier gehe es einerseits darum, Kunststoffe mit neuen Eigenschaften zu entwickeln und andererseits Hybridmaterialien, die Metalle oder Holz mit Kunststoffen kombinieren, herzustellen.
Auch mit dem Thema "Leichtbau" würden sich aktuell "eine ganze Reihe von Betrieben sehr professionell auseinandersetzen". Es würden sich seit kurzem neue Möglichkeiten im Automobilsektor oder im Maschinenbau herauskristallisieren, was "das Thema bei uns als Zulieferregion sehr stark anheizt", so Altmann. "Es gibt fast kein Sachgut, das mit den Kompetenzen, die wir in diesem Kunststoff- und Mechatronik-Clusternetzwerk haben, nicht umsetzbar wäre - das ist etwas, was mich für die Zukunft sehr positiv stimmt", ergänzte Bleier.