Österreichs Autocluster als internationale Sparringpartner
Einer der wichtigsten Industriezweige in Österreich ist die Fahrzeug- und Fahrzeugzulieferindustrie. Dieser Sektor setzt jährlich rund 38 Milliarden Euro um, die Hälfte davon lukriert durch direkte Zulieferungen. 175.000 Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt vom automotiven Sektor abhängig, heißt es seitens der Austrian Automotive Association Service GesmbH (AAA), die die internationalen Aktivitäten der drei heimischen Autocluster nach außen hin bündelt.
Der Automobil-Cluster der Clusterland OÖ GmbH ist das größte österreichische Unternehmensnetzwerk in diesem Bereich. "Wir sind eine Kooperationsplattform", erläutert Clustermanager Thomas Eder die Kernkompetenz des Clusters. "Wir halten unseren Mitgliedern - meist Klein- und Mittelunternehmen - den Rücken frei, so können diese sich um die technologische Seite kümmern". Die gesamte Netzwerkorganisation, unter anderem das Projekt- und Finanzmanagement oder Förderangelegenheiten, übernimmt der Cluster. Auch bei den erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen gibt es in Form maßgeschneideter Lehrgänge in Bereichen wie Beschaffungsmanagement oder Entwicklungsingenieurswesen Unterstützung.
Optimieren, innovieren, kooperieren
Die Cluster-Schwerpunkte liegen einerseits bei Prozessthemen, das heißt Qualitätssicherung und -management oder auch Beschaffung, Vertrieb und Logistik. Andererseits konzentriert sich der Fokus auf den technologischen Bereich. "Hier gibt es intensivste Kooperationen, unter anderem im Rahmen der 'Clean Motion Offensive'. Dabei arbeiten zwölf Leitbetriebe an der kostengünstigen Entwicklung von Komponenten für Elektroautos", erklärt Eder.
Ein weiterer Schwerpunkt sei das Forcieren von Innovationen durch regionale, nationale sowie internationale Kooperationen. In dem Zusammenhang weist der Manager auf die vom Cluster organisierten "Lieferantentage" hin. "Wir gehen beispielsweise zu Opel, VW oder BMW und fragen sie, 'welche Technologien braucht ihr?' Wir bringen sie mit den passenden 20, 30 unserer 200 Mitgliederunternehmen zusammen, organisieren eine Hausmesse - das ist für beide Seiten ein äußerst effizientes Vorgehen", ist Eder überzeugt.
Auf der Suche nach passenden Zulieferern gibt es auch mit den übrigen Automotive Clustern - dem ACstyria und dem Mobilitätscluster der Wirtschaftsagentur Wien - keine Berührungsängste. "Grundsätzlich agieren wir unabhängig voneinander, aber im Anlassfall gibt es eine sehr unkomplizierte und via AAA auch formelle Möglichkeit zur Zusammenarbeit", sagt der Clustermanager.
Noch keine Kooperationen gab es mit dem Rail Technology Cluster Austria (RTCA), doch sei dies künftig angedacht. "Es gäbe einiges an Synergien, nicht nur bei unserem Leitthema Qualitätssicherung und -management, auch bei Themen wie Leichtbau, Antriebssysteme oder im Maschinenanlagenbau."
Der Automobil-Cluster macht 23 Milliarden Euro Umsatz/Jahr und hat 82.000 Beschäftigte insgesamt. "50 Prozent der automotiven Wertschöpfung findet übrigens in Oberösterreich statt", so der Hinweis von Eder.
Steirische Lokomotive
Weit über die Landesgrenzen hinaus hat sich auch der steirische ACstyria einen Namen gemacht. Die Steiermark habe traditionell eine "Lokomotivwirkung", meint Cluster-Geschäftsführer Franz Lückler. Von jeher gab es in der Region Stahl, Eisen und Maschinen, früh entstanden Universitäten und somit technologischer Fortschritt. Dementsprechend wichtig sei die Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsbetrieb - der Technischen Universität (TU) Graz, der Montanuniversität Leoben, der Karl-Franzens-Universität oder den steirischen Fachhochschulen.
"50 Prozent aller geförderten F&E-Projekte laufen in der Steiermark, 4.000 Ingenieure sind im steirischen Mobilitätssektor tätig - davon aber nur zehn Prozent im Hochschulbetrieb." Der überraschend große Rest arbeitet außeruniversitär. "Wir haben irrsinnig viele kleine Partnerbetriebe mit einer Forschungsquote von bis zu 20 Prozent". Als Beispiel nennt Lückler das Wärmetechnik-Unternehmen qpunkt - sie entwickeln unter anderem beheizbare Lacke - das fünf ehemalige Magna-Mitarbeiter 2008 gegründet haben und das heute 85 Mitarbeiter beschäftigt. Auch das Unternehmen Concept Tech, das etwa virtuelle Crashtests entwickelt, nennt der Manager. "Man braucht immer noch reale Tests - aber anstatt 100 Autos genügen jetzt 10 oder 20", erläutert Lückler das Potenzial.
Eine Vielzahl innovativer Unternehmen, teilweise Spin-offs von Universitäten oder Forschungseinrichtungen mit meist sehr jungen Geschäftsführern - "unter 40-Jährige" - seien eine Stärke des Clusters. Die Rolle der Zulieferer werde zunehmend wichtiger. "Komponenten gewinnen an Bedeutung, im gleichen Ausmaß, in welchem sich OEM - Original Equipment Manufacturer, also Autohersteller wie Audi, BMW, Daimler etc. - stärker auf Design und Kostenentwicklung konzentrieren", erklärt der Geschäftsführer. Internationale Beachtung finde das Grazer Kompetenzzentrum Virtuelles Fahrzeug (Virtual Vehicle Competence Center - ViF) , wo in enger Zusammenarbeit zwischen Industrie und Universitäten an der Gesamtfahrzeug-Systemoptimierung geforscht werde.
Go international!
"Wir sehen Mobilität immer aus Sicht der Beschäftigung und aus Sicht von Forschung & Entwicklung", erläutert Lückler. Wissensausgleich und die Unterstützung von Klein- und Mittelunternehmen bei der Internationalisierung sieht er als die vordringlichsten Aufgaben des Clusters an. "Magna oder AVL List brauchen diese Hilfe nicht, aber in ihrem Sog können wir andere mitziehen", erklärt der Fachmann. Über die ACstyria Automotive Academy werden auch Weiterbildung und Schulungen zu Spezialthemen angeboten. Ebenfalls groß geschrieben werde die Nachwuchsarbeit. "Wir gehen in Schulen, regen dazu an, Mobilität als Jahresthema zu behandeln oder laden Klassen zum Besuch von Fertigungsstraßen ein." Außerdem würde gezielt nach Schülerinnen und Schülern Ausschau gehalten, die für eine berufliche Laufbahn in der Automotivebranche besonders geeignet scheinen.
In der Strategie 2020 dreht sich dem Cluster-Chef zufolge alles um den CO2-Fußabdruck. "Wir setzen die drei Schwerpunkte auf intelligente, elektrifizierte Antriebe mit besserer Reichweite, Bauteile und Komponenten aus ökologischen und ressourcenschonenden Materialien und kosteneffiziente Produktionstechnologien." Gerade weil die Löhne hoch seien, gelte es, interdisziplinäre Prozesse zu entwickeln. "Ist die Produktion erst einmal ausgelagert, folgen auch bald Forschung & Entwicklung", warnt Lückler.
Künftig werde das Auto viel mehr unter dem Aspekt des Lebenszyklus - Produktion, Betriebsphase, Recycling - betrachtet, prognostiziert der Fachmann. "Nicht nur intelligente Werkstoffe, auch die Frage der Wiederverwertbarkeit von Materialien wird enorm wichtig". Gänzlich neue Perspektiven soll neben der Luftfahrt, in der bereits ein Sechstel der Clusterunternehmen Fuß gefasst hat, die Konzentration auf die Bahntechnik bringen.
Der ACstyria hat 180 Partnerbetriebe mit insgesamt 40.000 Beschäftigten und eine jährliche Wertschöpfung von 10 Milliarden Euro. Die F&E-Quote liegt bei 11 Prozent. Zu den Gesellschaftern gehören AVL, Magna Steyr, Krenhof Schmiedetechnik, TCM International und die Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SFG).
Elektro-Autos und "Connected Vehicles"
ACstyria und Clusterland Oberösterreich GmbH sind übrigens neben Unternehmen aus den Bereichen Fahrzeugentwicklung, Systementwicklung und Infrastruktur wie Siemens Österreich, Verbund, Magna, AVL oder KTM unter den bisher rund 20 Partnern der offenen Plattform Austrian Mobile Power. Der Verein hat sich der Förderung der Elektromobilität verschrieben - bis zum Jahr 2020 sollen mindestens 210.000 Elektrofahrzeuge ausschließlich mit Strom aus erneuerbarer Energie in Österreich unterwegs sein.
Smartphone statt Autoschlüssel: Der Vernetzung von IT und Automotive widmet sich der Mobilitätscluster Wien gemeinsam mit der kanadischen Botschaft mit einem Schwerpunkt zum Thema "Connected Vehicle". Branchen- und länderübergreifende Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sollen damit in Österreich und Kanada verstärkt werden.
Zu den Mobilitätsclustern im weiteren Sinne zählen noch der Austrian Traffic Telematics Cluster (ATTC) sowie die Landesinitiative e-mobil in niederösterreich.
Service: "Automotive Parts Manufacturing Association" vom 6. bis 7. Juni 2012 in Ontario/Kanada. Weitere Infos: susanne.schmidt-knobloch@international.gc.ca, Tel. +43 1 531 38 3354, Internet: http://www.apma.ca/; Autocontact 2012 vom 10. bis 11. Mai 2012 in Spielberg/Steiermark; http://www.clusterplattform.at/.