"Plastik in unseren Fließgewässern - Aktuelle Forschung zum Thema Mikro- und Makroplastik"
Flüsse werden als Haupteintragspfade für die Plastikverschmutzung der Ozeane verantwortlich gemacht, Untersuchungen von Fließgewässern erfolgten aber bisher kaum. Diese Diskrepanz und das weltweite Problem von Plastik und Mikroplastik in der Umwelt führen derzeit zu regem Interesse an dem Thema, auch in der Wissenschaft. So liefen und laufen in den letzten Jahren auch Forschungsprojekte an der Universität für Bodenkultur Wien, die das Thema Plastik adressieren.
Die Studie "Plastik in der Donau", die unter der Koordination vom Umweltbundesamt durchgeführt wurde, beinhaltete erstmals eine systematische Beprobung der Donau auf Mikroplastik >500 μm bis 5 mm. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT, ehemals BMLFUW) und den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Oberösterreich beauftragt. Es gab und gibt bis heute keine standardisierten Methoden zur Beprobung von Mikroplastik in Fließgewässern, so dass Ergebnisse einzelner Studien kaum miteinander vergleichbar sind. Um Mikroplastik systematisch in der fließenden Welle zu erfassen, wurde vom Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau im Rahmen des Projektes eine Methodik entwickelt, um die räumliche und zeitliche Variabilität des Plastiktransportes zu erfassen. Dazu wurde ein Geräteträger, der es aufgrund seiner Masse ermöglicht auch in der turbulenten Strömung der Donau östlich von Wien reibungslos abzutauchen, mit Messnetzen ausgestattet. Es wurden fünf Netze (Maschenweiten 500 μm und tw. 250 μm) in drei unterschiedlichen Tiefen der Wassersäule (sohlnah, in der Mitte und oberflächennah) exponiert, um die Tiefenvariabilität abzubilden. Um räumliche Schwankungen über den Querschnitt feststellen zu können, wurden 5-10 Lotrechte über das Querprofil beprobt.
Die Messungen wurden an zwei Messstellen (Aschach/OÖ und Hainburg/NÖ) an der Donau bei unterschiedlichen Durchflussverhältnissen durchgeführt. Zusätzlich wurde die Fließgeschwindigkeit zur Bestimmung des gefilterten Wasservolumens in den Netzen mittels hydrometrischer Flügel gemessen.
Es konnte gezeigt werden, dass teils signifikante Unterschiede zwischen ufernahen Messpunkten und der Gewässermitte sowie zwischen dem Transport an der Gewässeroberfläche und den Tiefenschichten bestehen. Überraschend war dabei besonders, dass Mikroplastik nicht nur als Schwimmstoff sondern auch bodennah transportiert wird und daher eher die Eigenschaften von Schwebstoffen im Fließgewässer aufweist. Eine Beprobung unterschiedlicher Punkte im Querprofil ist deshalb unbedingt notwendig, um den Transport gut abzubilden und quantifizieren zu können. Die Messergebnisse haben gezeigt, dass der Mikroplastiktransport stark vom Durchfluss der Donau abhängig ist. Bei Niederwasser ist die transportierte Menge in Aschach und Hainburg ähnlich (rund 3 kg/d bei beiden Messstellen), bei höheren Durchflüssen wurde im Rahmen der Studie in Hainburg deutlich mehr Plastik gemessen. Der durchschnittliche Plastiktransport liegt in Aschach zwischen 10 und 59 kg pro Tag, in Hainburg bei 7 bis 161 kg pro Tag. Mittels der Durchfluss-Jahresganglinien der letzten Jahre konnte daraus die Plastik-Fracht abgeschätzt werden. Für die Gesamtfraktion beträgt die Jahresfracht in Aschach < 14 Tonnen pro Jahr, in Hainburg < 41 Tonnen pro Jahr. Diese Fracht steht 875.000 Tonnen an Kunststoffabfällen gegenüber, die in Österreich jährlich durch die Abfallwirtschaft verarbeitet werden.
Die Quellen für den Eintrag von Mikroplastik in Fließgewässer sind zum größten Teil diffus und werden durch Regenwasserentlastungen (z.B. Straßenablauf, Mischwasserentlastungen und Trennkanalisationen), Windverfrachtung, Baustellen und den Konsumenten selbst durch achtloses Wegwerfen (Littering) eingetragen. Zu einem geringen Teil trägt auch die produzierende und verarbeitende Industrie bei. Diese Befunde können aus den Qualitäten und aus den analytischen Ergebnissen der gemessenen Plastikteilchen abgeleitet werden.
Derzeit läuft ein neues bilaterales EU-Projekt mit der Slowakei namens PlasticFreeDanube, das wir (BOKU, Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau) mit dem Leadpartner Institut für Abfallwirtschaft der BOKU Wien und den Partnern viadonau und Nationalpark Donauauen durchführen. In diesem Projekt wird Makroplastik (> 5 mm) in und entlang der Donau thematisiert. Neben den großen Bereichen Bewusstseinsbildung und Vermeidung soll das Wissen über Eintragspfade erweitert werden, um gezielte Müllreduktionsstrategien entwickeln zu können. Es wird aber auch an der Methodik zur Sammlung der Kunststoffe in der Umwelt gearbeitet, um Plastik effizient wieder aus der Umwelt entfernen zu können. Außerdem wird eine dreidimensionale hydrodynamisch numerische Modellierung von Plastik-Akkumulationszonen an der Donau durchgeführt, und ein Modell zur Partikelverfolgung entwickelt, um Plastik-Akkumulationszonen hydraulisch charakterisieren zu können. Im Umkehrschluss könnten solche Bereiche durch wasserbauliche Elemente dann "künstlich" erzeugt werden, um den Sammelaufwand betreffend Makroplastik erheblich zu reduzieren.
Ein drittes Projekt wurde soeben zur Förderung eingereicht, das Plastik im gesamten Alpenraum zum Thema hat. Unter anderem soll es erstmals eine Bestandsanalyse geben, bei der von Gletschern über Wildbäche bis zu mittleren Tieflandflüssen erhoben wird, wie viel Plastik (speziell Mikroplastik) in Österreichs Naturräumen zu finden ist. Über Windverfrachtung könnten zum Beispiel kleine Partikel bis in die entlegensten Gletscherregionen transportiert werden.
Obwohl wir in Österreich aufgrund der gut funktionierenden Entsorgungspfade und der strengen Richtlinien für die Industrie sicherlich ein vergleichsweise geringes Aufkommen an Plastik in der Umwelt haben, ist es doch erschreckend, dass speziell Mikroplastik schon in nahezu allen Naturräumen unseres Landes vorkommt. Diese kleinen Partikel gelangen in die Nahrungskette - die langfristigen Auswirkungen auf den Menschen sind noch weitgehend unerforscht, wodurch wir eine besonders hohe Sorgfaltspflicht diesbezüglich haben sollten. Im Rahmen unserer Forschung wollen wir standardisierte Messmethoden entwickeln und zum Prozessverständnis beitragen, damit auch international Fortschritte im Umgang mit Plastik in der Umwelt erzielt werden können.