Astronautentraining: Der lange Weg ins All
Wer sorgt eigentlich für den Astronautennachwuchs in Europa? Zuständig dafür ist das Europäische Zentrum für Astronautenausbildung (EAC) der Europäischen Weltraumorganisation (European Space Agency - ESA). Es wurde 1990 gegründet und befindet sich in Köln. Das Exzellenzzentrum verantwortet die Auswahl, das Training und die medizinische Betreuung der Raumfahrer. Darüber hinaus begleitet es die Astronauten und ihre Familien während der Vorbereitung auf einen Flug und der Mission.
In Köln werden nicht nur die europäischen Astronauten für Weltraummissionen ausgebildet, sondern auch die Astronauten der internationalen Partner USA, Russland und Japan. Neben Training und Simulationen wird auch für eine ausgiebige medizinische Betreuung, sowohl physisch als auch psychologisch, gesorgt. Der Gesundheitszustand der Astronauten wird permanent überwacht, in der Vorbereitung ebenso wie auch während der Mission im Weltraum.
Neben der Astronautenausbildung ist die Ausbildungsabteilung des EAC auch für die Schulung und Zertifizierung des Bodenpersonals, etwa der "Eurocom"-Spezialisten, die den Kontakt zwischen den Crews in der Umlaufbahn und der Bodenkontrolle halten, zuständig.
Wie wird man Astronautin oder Astronaut?
Astronaut kann man nicht an der Uni "lernen", die Ausbildung erfolgt erst nach einem intensiven einjährigen Auswahlverfahren. Die letzte Ausschreibung der ESA fand 2008 statt. Im Zuge des Verfahrens, zu dem mehr als 8.000 Bewerber zugelassen wurden, schafften es fünf männliche und eine weibliche Raumfahrerin als Neuzugänge ins europäische Astronautenkorps. Derzeit besteht es aus 14 Mitgliedern. Sie kommen aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien.
Neben dem brennenden Wunsch, ins All zu fliegen, dürfen Bewerber laut EAC nicht vor der mehrjährigen fordernden Ausbildung zurückscheuen und sollten zwischen 27 und 37 Jahren alt sein. Ebenfalls Voraussetzung ist ein Universitätsabschluss in einem wissenschaftlichen oder technischen Studium wie den Lebenswissenschaften, Physik, Chemie oder Medizin oder Erfahrung als Ingenieur. "Egal, was Sie studiert haben: Sie sollten gut darin sein!", schreibt die ESA. Möglich sind auch Bewerbungen von Piloten (am besten Testpiloten), die mindestens 1.000 Flugstunden in unterschiedlichen Jets vorweisen können.
Darüber hinaus brauchen angehende Astronauten Eigenschaften wie ein gutes Gedächtnis, die Fähigkeit zu logischem Denken, Konzentration und räumlicher Orientierung sowie Fingerfertigkeit. Fließendes Englisch ist Voraussetzung, vorteilhaft ist auch Russisch, da man sich auf internationalen Missionen mit Kollegen verständigen können muss. Nicht zuletzt müssen Bewerberinnen und Bewerber gesund sein (erforderlich ist ein ärztliches flugmedizinisches Attest), hoch motiviert, flexibel, teamfähig, einfühlsam und emotional gefestigt.
Dreieinhalb Jahre Ausbildung
Neu rekrutierte Astronauten erwartet eine mehrjährige Ausbildung. Das Training erfolgt zwar schwerpunktmäßig am EAC, findet aber auch in Russland (Juri-Gagarin-Kosmonautenzentrum bei Moskau), in den USA (Johnston Space Center der NASA in Houston) sowie in Montreal (Kanada) und Tsukuba (Japan) statt.
Zunächst steht eine eineinhalbjährige Grundausbildung an, wo sich die künftigen Astronauten mit Raumfahrt- und Elektrotechnik sowie verschiedenen anderen wissenschaftlichen Disziplinen vertraut machen, die für die bemannte Raumfahrt von Bedeutung sind. Weiters lernen sie die Systeme der Internationalen Raumstation kennen. Ergänzt wird die Grundausbildung um die Vermittlung besonderer Fähigkeiten, etwa Tauchkurse zum Trainieren von Weltraumspaziergängen, Kopplungs- und Andockmanöver, Russisch sowie Verhaltens- und Leistungstraining.
Nach der ersten Ausbildungsphase folgt ein mehrmonatiges Fortgeschrittenen-Training. Die Missionsvorbereitung schließlich stellt den dritten und letzten Teil der Ausbildung dar und beginnt, sobald ein Astronaut für eine bestimmte Mission ausgewählt wurde. Etwa zweieinhalb Jahre lang besucht der Astronaut die Ausbildungszentren aller fünf an der ISS beteiligten Partnerorganisationen und erwirbt so das Wissen und die Fähigkeiten, die er für seinen Flug braucht. Jeder Astronaut in der Raumstation hat eigene Aufgaben, so dass jedes Crewmitglied maßgeschneiderte Kurse erhält.
Doch auch wenn ein Astronaut nicht an Bord einer Mission ist, ist seine Erfahrung gefragt. So unterstützen die Weltraum-Experten vom Boden aus Flugoperationen, etwa im Bereich der Kommunikation mit den Crews im All. Außerdem arbeiten sie am ESA-Technologieprogramm in ko-lateralen Aufgaben mit, wie im Fall der Entwicklung des Weltraumlabors Columbus oder des Raumtransporters ATV (Automated Transfer Vehicle). Nicht zuletzt sind die Mitglieder des Astronautenkorps Botschafter für die Raumfahrt. Sie machen Öffentlichkeitsarbeit, sind bei Konferenzen und Vorträgen dabei oder besuchen Schulen, wie dies im Rahmen des Community Day am 5. Oktober in Österreich der Fall sein wird.
Deutschland sucht "die Astronautin"
Während weibliche Astronauten in der russischen Raumfahrt zumindest anfangs eine große Rolle spielten, und mittlerweile bei der US-Weltraumbehörde NASA etwa ein Viertel der aktiven rund fünfzig Astronauten stellen, sieht es in Europa diesbezüglich bescheidener aus. Momentan ist die Italienerin Samantha Cristoforetti die einzige Frau im aktiven ESA-Astronautenkorps.
"Ich habe super ausgebildete promovierte Ingenieurinnen kennengelernt, die Astronautin werden wollen. Doch eine offizielle Ausschreibung ist nicht in Sicht", begründete HE Space-Chefin Claudia Kessler, diplomierte Ingenieurin für Luft- und Raumfahrt, den Start ihrer Privatinitiative "Die Astronautin". Kessler, Geschäftsführerin des Personaldienstleisters für Luft- und Raumfahrtspezialisten, hat im Frühjahr 2016 ein "Casting" für eine deutsche Astronautin gestartet, welche noch vor 2020 von dem Unternehmen und Sponsoren zur ISS ins All geschickt werden soll. "Bisher waren elf deutsche Männer im All. Der zwölfte deutsche Mensch sollte ein Frau sein", so Kessler. Mehr als 400 Frauen haben sich beworben - 120 davon sind nach einem intensiven Auswahlverfahren noch im Rennen. Bis zum Jahresende müssen noch die psychologischen Eignungstests absolviert werden, die vom Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgeführt werden.
Im Oktober will das Unternehmen zwei Finalistinnen bekanntgeben, die sich zur Astronautin in einem russischen Trainingszentrum ausbilden lassen. Eine von ihnen soll bis 2020 den Flug zur ISS antreten. Planung und Finanzierung der Mission sollen bis Herbst 2016 abgeschlossen sein, die Ausbildung 2017 starten.
Mädchen brauchen Frauen als Vorbilder
Das DLR beteiligt sich laut eigenen Angaben aus wissenschaftlichem Interesse am Auswahl- und Trainingsverfahren der Bewerberinnen. "Unsere bisherige Forschung beschäftigt sich vor allem mit männlichen Astronauten - mit den Daten aus dem Auswahlverfahren, aber auch mit den Experimenten einer Astronautin auf der ISS können wir diese Expertise ausbauen und Erkenntnisse für die Forschung gewinnen", erläuterte die DLR-Vorstandsvorsitzende und frühere Chefin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, Pascale Ehrenfreund, in einer Aussendung. Die Initiative könne nicht nur die Raumfahrt in Deutschland populärer machen, sondern gerade bei Mädchen die Wahl eines naturwissenschaftlichen Studiums befördern, teilte das DLR mit.
Auch andere Organisationen, darunter das europäische Netzwerk "Women in Aerospace" (WIA), unterstützen die Initiative. Der Verbund, der Frauen in der Luft- und Raumfahrt in ihrer Karriere unterstützen will, hat unlängst in Wien eine lokale Gruppe eröffnet. Neben Mentoring- und Fortbildungsprogrammen will man Frauen einen möglichst einfachen Weg in die Branche eröffnen und sie beim knüpfen und festigen berufsrelevanter Kontakte unterstützen.
NASA: So viele Bewerber wie noch nie
So viele Menschen wie nie zuvor haben sich im Februar dieses Jahres auf eine Stellenanzeige der US-Weltraumbehörde NASA hin als Astronauten beworben. Rund 18.300 Bewerbungen seien eingegangen, teilte die US-Raumfahrtbehörde mit. Das waren mehr als dreimal so viele wie bei der letzten Ausschreibung 2011 und auch deutlich mehr als der bisherige Rekord von 8.000 Bewerbungen 1978.
"Es überrascht mich überhaupt nicht, dass so viele Amerikaner mit so verschiedenen Lebensläufen dabei sein wollen, wenn wir unseren Weg zum Mars fortsetzen", sagte der NASA-Chef und frühere Astronaut Charles Bolden. Nach einem mehrmonatigen Auswahlwettbewerb will die NASA bis Mitte 2017 die Namen der bis zu 14 erfolgreichen Bewerber nennen, die dann zwei Jahre lang zu Astronauten ausgebildet werden.
Russland hingegen denkt darüber nach, aus Kostengründen die Besatzung auf der ISS möglicherweise von drei auf zwei Kosmonauten zu verkleinern. Ein solcher Schritt mache zum Beispiel weniger Versorgungsflüge zum Außenposten der Menschheit nötig, hieß es seitens der Raumfahrtbehörde Roskosmos. Für die Forschungsarbeit in der Schwerelosigkeit bedeute dies keine Nachteile, aber es ließen sich bis zu einem Viertel der Kosten einsparen.