"Austromir - Reise in die Sowjet-Vergangenheit"
Keine Frage, die monatelange Begleitung des Projekts Austromir war 1991 eine einzigartige Erfahrung für einen Journalisten. Inmitten der zerfallenden und von einem Putschversuch heimgesuchten Sowjetunion bzw. ihrer Nachfolgestaaten hieß es: Warten, rennen, warten und vor allem - viel hoffen. Journalistische Arbeit war damals in Moskau und Kasachstan ein nervenaufreibendes Vabanquespiel.
Handy? Internet? Online-Kommunikation - damals war davon keine Spur. Die erste Frage an die sowjetischen Stellen nach der Ankunft in Moskau am 28. September 1991 nach bis dahin schon endlosen Verhandlungen, Telex-Anfragen etc.: "Gibt es zumindest für den Fotografen einen Platz in einem jener Hubschrauber, die am 10. Oktober zum eigentlichen Landeplatz von Sojus-TM 12 in Kasachstan fliegen?" - eben dorthin, wo Franz Viehböck wieder landen würde und man das erste Bild, das erste Interview, haben sollte.
Alles schien eine Frage des Geldes zu sein. Die Preise für den Hubschrauberflug gingen bis auf 650.000 Schilling (historisch 47.237,34 Euro) hoch. Schwerer Laptop, Akustikkoppler, Modems, (unnötig, wegen der schlechten Leitungen), Drucker (plus 500 Blatt Papier), Kabel, Batterien, Kameras, Medikamente, zehn Dosen Cola (das schlechte Wasser), Verteilerstecker, Schraubenzieher (zum Öffnen von Telefonen für direkte Übermittlung via Modem) - der Reporter schleppte sich mit seinem damaligen High-Tech-Rucksack ganz schön ab bei 29 Grad Celsius.
Noch ärmer war APA-Fotograf Robert Jäger dran: tragbare Dunkelkammer, Bildfunkgerät, Kameras, Stativ (nur ja nichts irgendwo liegen lassen!) - es waren weit mehr als 60 Kilogramm, die da transportiert werden mussten. Heute gehen die Bilder aktueller Fotografen binnen Sekunden rund um die Welt.
Den Start in Baikonur am 2. Oktober schaffte das APA-Team mit teilweise letzter Anstrengung. Jäger kämpft sich beispielsweise mühselig zu Bundeskanzler Franz Vranitzky auf der Ehrentribüne am Startort durch. Ein sowjetischer Sicherheitsmann will ihn beiseitestoßen. "Lasst ihn durch, der will doch nur Bilder von uns machen", sagte Vranitzky. So gab es denn doch noch ein Foto der österreichischen Regierungsdelegation am Startplatz.
Freilich, die "Hubschrauber-Frage" - wie kommen Journalist und Fotograf in die kasachische Steppe zur Landung des Austronauten - blieb bis zum 4. Oktober 1991 ungelöst. Eine Stunde, bevor der Fotograf zum Flughafen abfährt, steht plötzlich ein Mann der sowjetischen Raumfahrtmission Glavkosmos da. "Wir haben einen Platz im Hubschrauber. 300 Rubel (rund zehn US-Dollar) kostet der Flug nach Arkalyk in Kasachstan. 600 Rubel wird der Hubschraubertransport zum Landeort kosten. Wir melden uns wieder." Robert Jäger fliegt ab, der Journalist und bestenfalls Hobbyfotograf bleibt.
Das Gegengeschäft: Der Reporter muss in Arkalyk ein Interview mit dem wolgadeutsch-stämmigen Bürgermeister führen. Dann wird er in jenem Hotel untergebracht, in dem auch die für die Bergungsaktion verantwortlichen sowjetischen Luftwaffenoffiziere wohnen. Für 18.00 Uhr ist die "Konsultation" mit den Offizieren der Bergungstruppe angesagt.
"Wir haben ein Problem. Der Flug zum Landeort von Sojus-TM 12 kostet 300 Rubel. Wir dürfen aber kein Geld nehmen, und die Banken haben schon geschlossen", sagt der Offizier. Es gibt einen Ausweg: ein handschriftlicher Vertrag über 300 US-Dollar.
Der entscheidende Tag: Am 10. Oktober gegen 10.00 Uhr Ortszeit geht es vom Flugplatz von Arkalyk los. Journalisten und sonstige Begleiter sind auf die fünf Hubschrauber verteilt worden. Keine Chance, dies zu beeinflussen. Nach etwa 15 Minuten raus aus dem Helikopter. Laufen, rempeln um den besten Fotostandort vor den soeben gelandeten Raumfahrern. "Mir geht es gut. Die Landung war aber hart", sagt Franz Viehböck.
Nun muss der Journalist noch auf das gleiche Flugzeug wie Viehböck nach Moskau - wegen des Interviews. Er fleht den Chef der sowjetischen Kosmonautentruppe, den Weltraumpionier Alexander Leonow, geradezu an. "Herr General, bitte lassen Sie mich auf Ihre Maschine." "Wolfgang, das ist in Ordnung", sagt der General.
Rückflug nach Moskau. Das Interview mit Franz Viehböck klappt. Alles im sprichwörtlichen Kasten. Doch die Filme mit den Bildern müssen entwickelt und nach Wien gesendet werden. Und dann muss auch noch die Textgeschichte per Telefon von einem Nachrichtenagenturbüro durchdiktiert werden. Der damalige Moskauer ORF-Korrespondent in Moskau, Christian Schüller, legt eine "Rutsch'n" zum sowjetischen Fernsehteam. Mit dem geht's vom Flugplatz bis ins Zentrum von Moskau.
Gott sei Dank, auf den Bildern des Journalisten ist etwas zu sehen. Fast eine Stunde dauert das Diktieren der Story aus dem Kopf an die Sekretärin in Wien. Und dann ist da noch die Szenerie danach. "Hallo, wie geht's?", fragt die Prostituierte an der Hotelbar des riesigen internationalen Kosmos-Hotels später den erschöpften Journalisten. "Hervorragend. Ich möchte aber trotzdem allein bleiben", lautet seine Antwort. In den darauffolgenden Tagen und auch noch nach der Rückkehr in Wien ist er sofort wieder in Kasachstan, Moskau, etc. Aber die Nachwehen solcher Stressfolgen gehen nach zwei Wochen wieder vorbei.