"Künstliche Intelligenz in der Medizin"
Künstliche Intelligenz – in Österreich vornehmlich englisch "Artificial Intelligence" (AI) benannt – ist fast so alt wie die Informatik selbst. Als Begriff wurde sie erstmals in den 1950er Jahren eingeführt, aber die grundlegenden Ideen haben schon den Entwurf der allerersten Computer begleitet. In der Medizin ist die AI seit mindestens 3 Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil der Computertechnologie, wie das heuer gefeierte 30-jährige Jubiläum der internationalen Konferenz "Artificial Intelligence in Medicine" zeigt.
Definiert wird die AI seit jeher als der Versuch, am Computer Leistungen zu erbringen, die beim Menschen einen gewissen Grad an Intelligenz erfordern. Was sich über die Jahre geändert hat, ist unter anderem, was man alles der "Intelligenz" zurechnet. Waren das früher fast ausschließlich komplexe Fähigkeiten zur Problemlösung (nicht umsonst waren Schachprogramme eine der ersten erfolgreichen AI-Anwendungen), so werden heutzutage auch Fähigkeiten der Erkennung (etwa von Bildinhalten) oder der Navigation (etwa bei Robotern) dazugezählt.
Zurück zur Medizin als Anwendungsgebiet: Gerade hier erzeugt die immer größer werdende Fülle an Daten und der Wunsch, diese bestmöglich für die Diagnose oder Therapie von Patienten einzusetzen, eine starken Bedarf an intelligenten Algorithmen für die Analyse, Aufbereitung und Anwendung dieser Daten. Wissensbasierte Systeme etwa, früher auch "Expertensysteme" genannt, sind Programme, die das immer reichhaltiger werdende medizinische Wissen für den Arzt oder die Ärztin unterstützend zur Verfügung stellen (in sogenannten Entscheidungsunterstützungssystemen). Dazu gehört es auch, komplexe Zusammenhänge in systematischen Hierarchien von Über- und Unterbegriffen – sogenannten Ontologien – darzustellen. Wissen, das nicht explizit niedergeschrieben werden kann, sondern in Daten implizit "versteckt" liegt, wird mit Methoden des Maschinellen Lernens aus diesen Daten herausgeholt. Auch Texte können hier als Datenquellen herhalten, denn die Sprachtechnologie – der Teil der AI, der sich mit dem Verstehen natürlicher Sprachen beschäftigt – hat hier Methoden des "Text Minings" hervorgebracht, die etwa das Wissen in medizinischen Artikeln automatisiert verstehen und zuordnen können. Und schließlich ist auch die intelligente Robotik aus der Medizin nicht mehr wegzudenken – etwa wenn es um die robotergesteuerte Chirurgie geht. Die Methoden der AI, insbesondere die spezifischen Verfahren des Maschinellen Lernens und des Data Mining bieten gerade in den datenintensiven Bereichen der Genomdaten riesige Entwicklungschancen in der Medizin. Der Forschungsschwerpunkt Data Science for Personalizied Medicine des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme (CeMSIIS) der Medizinischen Universität Wien widmet sich spezifisch diesen Fragestellungen.
Wer allerdings jetzt befürchtet, dass in naher Zukunft Computer und Roboter die Arbeit von ÄrztInnen übernehmen und wir Maschinen ausgeliefert sind, wenn es um medizinische Diagnose und Therapie geht, kann beruhigt werden. Das Ziel der AI ist keineswegs die Ersetzung des Arztes oder der Ärztin, sondern immer seine/ihre Hilfe und Unterstützung. In diesem Sinne ist die intelligente Computertechnologie ein wichtiges Werkzeug in der Versorgung der Patienten, wobei letztendlich aber immer der Mensch entscheidet, was zu tun ist.
Am CeMSIIS wird am Institut für Artificial Intelligence, sowie am thematisch sehr nahe angeordneten Institut für Medizinische Experten- und Wissensbasierte Systeme, an mehreren Teilgebieten der AI geforscht. Ein Spezialthema sind hier Wissensbasierte Systeme, in Anwendungen wie der Unterstützung des Dialogs zwischen Diabetes-Patienten und ihren medizinischen Versorgern, der Überwachung von Infektionserkrankungen im Spital, oder ein System zu individualisierten Vorschlägen zur Medikation, abhängig von der Struktur bestimmter Gene in der DNA des Patienten. Für den Bereich der Neonatologie konnte ein FiO2-Controller entwickelt werden, der automatisch die Sauerstoffabgabe eines Beatmungsgerätes steuert. Ein weiteres Teilgebiet ist das Maschinelle Lernen und die Signalverarbeitung, im Einsatz etwa zur automatisierten Auswertung von Aufnahmen im Schlaflabor – das Institut für Artificial Intelligence war hier an der Entwicklung der weltweit führenden Software Somnolyzer 24x7 beteiligt – bis hin zur Prognose der Überlebenschancen nach Herzstillstand. Methoden des Sprachverstehens zum "Text Mining" und intelligente Bildverarbeitung runden das Spektrum der Forschung an der MedUni Wien ab.