Quanten-Simulanten: Forscher testen Quantencomputer am Desktop-PC
Quantencomputer sollen einmal bestimmte Probleme schneller lösen als konventionelle Computer. Obwohl die Technologie erst in Ansätzen existiert, üben Forscher in Oberösterreich schon damit - mit verschiedenen Zugängen: Während sich die FH Oberösterreich einen kommerziellen Quantensimulator gekauft hat, simuliert man an der Uni Linz mittels cleverer Algorithmik den Quantencomputer am Desktop-PC.
Computer setzen derzeit auf binäre Operationen, also Strom ein oder Strom aus bzw. 0 oder 1. Quantencomputer verwenden dagegen quantenphysikalische Systeme, beispielsweise Photonen oder einzelne Ionen. Diese können ebenfalls zwei Basiszustände haben, also 0 und 1 - und zwar mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, sobald man den Zustand misst. Weil die Systeme aber den Gesetzen der Quantenphysik gehorchen, können sie - solange niemand hinschaut - beide Zustände gleichzeitig einnehmen. Die Physiker nennen dies Superposition.
Dieses Phänomen will man sich bei Problemen zunutze machen, die sich so viel schneller lösen lassen. Schließlich kann man im Quantencomputer die Superposition ausnutzen und alle Möglichkeiten gleichzeitig in einer Berechnung durchführen. "Das klappt nicht für alle Probleme, weil man das Ergebnis nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit bekommt", erklärte Robert Wille vom Institut für Integrierte Schaltungen der Universität Linz im Gespräch mit der APA. Bei verschiedenen Problemen, etwa der Faktorisierung, lasse sich durch Quantentricks die Wahrscheinlichkeit, die richtige Lösung zu treffen, deutlich erhöhen, so Wille, und der Quantencomputer kann seine Vorteile ausspielen.
Minuten oder Jahrhunderte
Bei der Faktorisierung wird eine Zahl in die Produkte ihrer Primzahlen zerlegt. Das geht etwa bei der Zahl 15 noch einfach, da sind die Faktoren 5 und 3. Bei größeren Zahlen wird das deutlich schwerer, weshalb ein Großteil der Verschlüsselungs-Methoden (Kryptographie) auf Faktorisierung beruht. Sie sind deshalb sicher, weil ein Rechner derzeit Jahrhunderte braucht, um sie zu knacken, ein Quantencomputer könnte dies aber binnen Minuten oder Stunden schaffen.
Könnte - denn noch wird an den Grundlagen für Quantencomputer geforscht. Erste Realisierungen gibt es aber bereits und auch die Industrie ist auf diese Entwicklung aufgesprungen. "Nahezu alle großen Firmen wie Google, Microsoft, Intel, IBM, usw. investieren enorm in diese Technologie", sagte Wille. IBM etwa bietet seit 2017 via Cloud freien Zugang zu mittlerweile drei Quantencomputern, einer davon mit 16 Quantenbits (Qubits), wie die grundlegende Informationseinheit des Quantencomputers genannt wird. Auch Österreich spielt hier in der ersten Liga mit, etwa Innsbrucker Quantenphysiker, die einen Quantencomputer mit 20 individuell kontrollierbaren Qubits realisiert haben.
Angesichts dieser Fortschritte rückt das Feld auch in den Fokus anderer Gebiete. "Weil zu erwarten ist, dass der Quantencomputer für angehende Informatiker auf ihrem Karriereweg eine wesentliche Rolle spielen wird, zeigen wir unseren Studenten bereits heute diese Technologie, forschen aber auch daran, wie wir Quantenalgorithmen jetzt schon testen können", so Wille.
"Google Award" für Quantensimulator
Mit Erfolg, wie der mit umgerechnet rund 50.000 Euro dotierte "Google Award" zeigt, den Wille und sein Team kürzlich für den von ihnen entwickelten Quantensimulator erhalten haben. Sie setzen dabei nicht auf den Ausbau der Hardware wie die Kollegen in Hagenberg, "sondern wir versuchen, das auf einem anderen Weg auf konventionellen Maschinen hinzubekommen", so Wille. Der Schlüssel dazu heißt "clevere Datenstrukturen und clevere Algorithmik".
Quantenoperationen lassen sich als mathematische Formeln darstellen, die allerdings enorm groß werden und - auf konventionellem Weg - daher nur noch von Supercomputern bewältigt werden können. "Wir nutzen dagegen bestimmte Redundanzen, indem wir die Formeln in kleine Stücke zerhacken und identische Teile nur einmal abspeichern", sagte der Computerwissenschafter. In vielen Fällen lassen sich so Milliarden von Beschreibungen kompakt auf wenige hundert Formeln reduzieren und effizient auf konventionellen Computern berechnen.
Auf diese Art und Weise konnten die Linzer Informatiker ein bestimmtes Problem, für das ein High-End-Quantensimulator von Microsoft 30 Tage gerechnet hat, in weniger als einer Sekunde auf einem konventionellen Desktop-PC simulieren. Google war diese Leistung ein "Research Award" Wert.
"Das wird nie dazu führen, dass wir irgendwann schneller sind als der Quantenrechner, aber wir können bereits einige Algorithmen für einen noch nicht existierenden Quantencomputer nachbilden, die auf herkömmlichen Simulatoren zu lange dauern", sagte Wille. Für das konkrete Problem, bei dem sich die Linzer mit dem Microsoft-Simulator gemessen haben, habe man 31 Qubits simuliert. Es gebe aber auch Algorithmen, bei denen sich Hunderte Qubits am Desktop-PC simulieren lassen, "das sind künstliche Testfälle, um zu zeigen, was geht".
Quantum Learning Machine an FH OÖ
Was geht, wollen auch die Wissenschafter der Fachhochschule Oberösterreich herausfinden: Noch im Juli bekommt der Campus Hagenberg mit der Quantum Learning Machine (QLM) von Atos den nach Angaben des Herstellers weltweit leistungsfähigsten kommerziellen Quantensimulator geliefert. Dieser kann in der beschafften Version 30 Qubits simulieren und ist auf bis zu 40 Qubits ausbaufähig.
Wie die Linzer mit ihrem Simulator wollen die Hagenberger die Maschine in der Ausbildung und in der anwendungsorientierten Forschung im Bereich neuer Computer-Technologien im Informationssicherheitsbereich einsetzen. "Wir wollen so unsere Spitzenposition im Bereich der europäischen Sicherheitsforschung weiter stärken und den Studierenden eine zukunftsorientierte Ausbildung für Quanten-Computing - das nächste technologische 'Big Thing' - bieten", so Robert Kolmhofer, Leiter des Departments Sichere Informationssysteme am FH OÖ Campus Hagenberg.
Auch wenn sie andere Zugänge zur Quantensimulation haben, wollen sich die Forscher der Uni Linz und der FH OÖ abstimmen, Synergien nutzen und bündeln, betonte Wille. Gespräche dazu habe es bereits gegeben. Ziel ist jedenfalls, den Studenten die Zukunft zu zeigen und Quanten-Software und -Algorithmen zu entwickeln, zu testen und zu verfeinern, bevor die zugrundeliegende Technologie zur Verfügung steht.
Empfindliche Quanten
Dieser fehlende Zugriff auf Quantencomputer war bisher der Hauptgrund für solche Simulatoren, doch Wille erwartet, dass sich das rasch ändern wird, wie das Beispiel IBM zeigt. Die Simulatoren würden aber deshalb nicht so schnell verzichtbar, "weil momentan Simulatoren noch mehr Qubits nachbilden können als bisherige Realisierungen von Quantencomputern". Aber auch in Zukunft werde es Simulatoren benötigen, weil diese "sehr sauber simulieren und perfekt berechnen". Dagegen sind die quantenphysikalischen Phänomene, auf denen Quantenrechner beruhen, äußerst empfindlich gegenüber Störungen von außen, "weshalb man viel mit mehreren Läufen, Mittelwerten und Wahrscheinlichkeiten arbeiten wird müssen".
Zudem sei die Überlegenheit des Quantencomputers bisher nur eine theoretische Vorhersage, "der praktische Beweis fehlt noch", so Wille. Es gebe daher eine eigene Forschungsrichtung, in der versucht wird, die "Quantenüberlegenheit" (quantum supremacy) durch immer bessere Simulatoren zu verzögern. Wille: "Wenn wir es schaffen, jede beliebige Quantenalgorithmik mit 100 Qubits effizient zu simulieren, wäre die Latte für die Physiker bei der Realisierung eines so starken Quantencomputers entsprechend hoch." Deshalb wollen die Linzer Computerwissenschafter ihre Methodik auf mehrere Prozessorkerne bzw. Cluster erweitern, "um den Vorteil, den wir durch unsere cleveren Datenstrukturen und Algorithmen haben, parallel nutzen zu können".
Von Christian Müller / APA