"Von der einfachen Computeranalyse zur internationalen Analog-Marsexpedition"
Zwei Astronauten treten im Raumanzug aus dem Habitat in rote Wüste. Nichts als Sand und Felsen, soweit das Auge reicht, Dünen, die durch Wind verfrachtet wurden, in den Helmen geschäftiger Funkverkehr. Sie stellen einen ersten Repeater für die Telemetrie der Raumanzugsdaten auf, entnehmen eine Bodenprobe und bringen Geophone aus, um mit geoakustischen Methoden nach wasserführenden Bodenschichten zu suchen - kurzum, so könnte der erste Schritt auf dem Roten Planeten aussehen.
Aber es ist auf der Erde, genauer gesagt in der Dhofar-Wüste im südwestlichen Oman. Dort simulierte das Österreichische Weltraum Forum kürzlich zusammen mit Forschern aus 25 Ländern eine bemannte Marsexpedition, um dort die Suche nach Lebensspuren - sofern sie auf dem Mars existieren - in einem aufwendigen Planspiel zu testen.
Mit AMADEE-18, der inzwischen zwölften Expedition unter österreichischer Führung, gingen auch 19 sorgfältig ausgewählte Experimente ins Feld. Eine 15-köpfige Crew, unterstützt durch ein Mission Support Center in Innsbruck, führte einen Monat lang Versuche aus breit gefächerten Disziplinen wie Geophysik, Astrobiologie, Medizin oder Robotik durch.
Aber: Wozu dienen solche Simulationen, wenn eine erste tatsächliche bemannte Marsexpedition ohnehin erst in zwei bis drei Jahrzehnten zu erwarten ist?
Analogforschung ist eine relativ junge Disziplin, bei der Arbeitsabläufe, Technologien und Materialien für den zukünftigen Einsatz auf Planetenoberflächen getestet werden. Eine bemannte Expedition zum Mars ist ein sehr komplexes Unternehmen an der Grenze des derzeit technisch Machbaren in einer Umgebung, die nicht vollständig charakterisiert ist: Salopp formuliert ist das nächste Ersatzteillager bis zu 380 Millionen Kilometer entfernt und die Lichtlaufzeit von bis zu 20 Minuten verunmöglicht eine Echtzeitkommunikation. Anders als bei den Apollo Mond-Missionen sind bei einer Marsexpedition die Anforderungen ungleich höher: etwa eine sterile Probenentnahme unter Raumfahrtbedingungen, die Forderung, nicht nur einige wenige, sondern wahrscheinlich dutzende von Außenbordeinsätzen (eine nach wie vor risikoreiche und komplexe Astronautenarbeit) durchzuführen, und dazu die Isolation der Crew.
All das bedingt, dass Simulationen im Vorfeld eine essenzielle Rolle spielen: Von der Planung und Simulation im Computer (etwa die Landung von Marssonden bei Mach 32 in einer böigen Marsatmosphäre bei 9 Millibar Luftdruck), ausführlichen Labortests (die ÖWF Raumanzug-Simulatoren werden etwa bei -110°C in der Kältekammer getestet oder 6 Megavolt-Blitzentladungen ausgesetzt) und schließlich Feldsimulationen selber sind ein Werkzeug für Missionsplaner, um das bestmögliche Zusammenspiel zahlreicher Hardwareelemente und dem Menschen zu testen. Das Mantra "Test before flight" wird hier ad extremum geführt: Für jeden Fehler, den wir in einer Simulation machen, sind wir im Grunde genommen dankbar - weil er eben hier auf der Erde und nicht erst auf dem Mars passiert.
Analogforschung als sich neu entwickelnde Disziplin
Analogforschung ist im Wesentlichen eine Weiterentwicklung der Trainingsexkursionen etwa im Meteor Crater in Arizona aus den Apollo-Ära, allerdings mit einem höherem Maß an Komplexität, wo es eben nicht mehr nur um den korrekten Einsatz eines Probenentnahmegerätes geht, sondern in welcher Reihenfolge welche Instrumente zu welchem Zeitpunkt mit welcher Aussagekraft welche operativen Entscheidungen triggern können. Unter dem Begriff "Explorations-Kaskade" ist damit jener Ablauf abgebildet, bei dem das optimale Zusammenspiel zwischen dem Team auf dem "Mars" und dem Wissenschaftsteam auf der "Erde" getestet wird. Von der Fernerkundung aus der Marsumlaufbahn, dem Einsatz von Drohnen in der Marsatmosphäre, der hochauflösenden Spektroskopie auf der Oberfläche, Georadarmessungen von Permafrost unter selbiger bis hin zur mineralogischen Analyse der bestmöglich gewählten Gesteinsprobe.
Wie repräsentativ ist so eine Feld-Simulation?
Die letztlich in Zukunft eingesetzte Technologie für die Instrumente wird sich in den nächsten zwei Jahrzehnten sicherlich weiter entwickeln, aber die grundsätzlichen Abläufe müssen bereits jetzt etabliert werden - so wie etwa auch die Arbeitsweise von Feldgeologen sich über Jahrzehnte hinweg konsolidiert hat, obwohl sich die dazugehörigen Labormethoden drastisch evolvierten.
Dazu kommt, dass auch die Simulation in der Ausbildung von Analogastronauten eine zunehmende Rolle spielt: So haben wir bei der AMADEE-18 Expedition etwa 3D-Modelle der Experimente mit unseren italienischen Partnern von Planet Mars entwickelt, um einerseits vor der Mission das Instrumententraining mit Virtual Reality-Methoden zu verbessern, andererseits auch bei Problemen bei der Mission, dem Team auf der "Erde" ein Versuchsfeld für mögliche korrigierende Abläufe zu bieten. All diese Prozesse stecken in Hinblick auf bemannte Mars-Expeditionen noch in den Kinderschuhen, werden aber zunehmend als wertvolles und kosteneffizientes "Werkzeug" in der wissenschaftlichen Community wahrgenommen: etwa in der Analog-Arbeitsgruppe der ISECG, International Space Exploration Coordination Group, einer Raumfahrt-Agentur-übergreifenden Koordinationseinrichtung für Weltraumerkundung.
"Mensch versus Maschine" oder "Mensch und Maschine"?
Der leitende Projektwissenschafter der Mars Rover "Spirit" und "Opportunity", Steve Squyers von der Cornell University, meinte nach den ersten Jahren dieser äußerst erfolgreichen Missionen, dass die instrumentelle Datenerfassung auf dem Mars durch die beiden robotischen Fahrzeuge der ersten zwei Jahre ein erfahrener Geologe in weniger als zwei Wochen geschafft hätte. Menschen sind auch auf absehbare Zeit Maschinen deutlich überlegen, was die Effizienz und Entscheidungsfindung betrifft. Das heißt, die alte Diskussion, ob nicht Roboter günstiger wären, ist eigentlich obsolet: Das neue Mantra lautet nicht "Mensch oder Maschine", sondern "Mensch und Maschine".
Sobald aber mehrere Elemente zusammenwirken, bei einer wissenschaftlichen Fragestellung wie sie ambitionierter kaum sein könnte, und dies in einer im Vorhinein nur unvollständig charakterisierten Umgebung, genau dann wird Simulation wichtig. "Test before flight" - dieser bewährte Grundsatz wird mit Analogforschung auf eine komplexere Ebene gehoben und wird möglicherweise ein Schlüssel für das, was wir als die größte Reise unserer Generation bezeichnen können: einen bemannten Flug zum Mars.