EU-Renaturierungsverordnung: "Gut - aber einfacher wird's nicht!"
Bis zur Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung ist es noch ein weiter Weg, bei dem nicht nur Widerstände von allerlei Akteuren, sondern viele rechtliche Hürden zu überwinden sind. Das war am Dienstagabend der Tenor einer Podiumsveranstaltung des Energieclusters an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. "Nicht warten, einfach tun!", rief daher Hanna Simons vom WWF Österreich dazu auf, "Projekte auf die Fläche bringen".
Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restauration Law), mit der die Biodiversität verbessert und Lebensräume von einem "schlechten" in einen "guten" Zustand gebracht werden sollen, wurde Mitte Juni nach langen Diskussionen und einigen Abschwächungen dank der Stimme Österreichs mit einer knappen Mehrheit im EU-Umweltrat angenommen. Die Zustimmung von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) erfolgte gegen den heftigen Widerstand des Koalitionspartners ÖVP, der vor allem vor Verlusten von landwirtschaftlichen Flächen und Eingriffen in privaten Landbesitz warnt.
Erkennbarer Nutzen für "skeptische" Bevölkerung
Es sei zwar frustrierend, weil bei der Renaturierung wenig politischer Wille zu verspüren sei, es gebe aber schon viele Projekte, die bereits umgesetzt werden. Dies sei nicht nur nötig, um die anzustrebenden 30 Prozent Schutzgebiete auch zu erreichen, sondern auch wegen der Vorbildwirkung wichtig, sagte Simons: "Dabei erkennt die vorher vielleicht skeptische Bevölkerung, dass sie selbst einen Nutzen daraus hat."
"Wir brauchen diese Verordnung dringend!", betonte Rechtsanwalt Martin Niederhuber und begeisterte sich für "das erste Regelwerk, das einen umfassenden Ansatz wählt". Es mangle nicht an Menschen, die bereit wären, diesen Weg zu gehen, scheitere meist aber an zwei neuralgischen Punkten, nämlich immer dann, "wenn es um Föderalismus oder Parteipolitik geht". Man dürfe aber nicht glauben, dass mit der EU-Renaturierungsverordnung nun alles leichter gehen werde: "Ich finde die Verordnung gut - aber einfacher wird's nicht!"
"Grüne Zukunft oder bürokratischer Albtraum für die Energiewende? Warum wir Energiewende, Naturschutz & Renaturierung integriert denken müssen", lautete der Titel der Veranstaltung, doch um die Energiewende ging es nur am Rande. Es ging mehr um rechtliche Aspekte, die freilich ähnlich sind, was die Definierung von Flächen für den wachsenden Bedarf an Solar- und Windkraftanlagen wie für die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume angeht. Nicht nur der an der Boku lehrende Agrarrechtler Gottfried Holzer, Ex-Direktor der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, wünschte sich eine überörtliche Raumplanung für die Energiewende wie auch eine geeignete Berücksichtigung der Interessen der Grundeigentümer.
"Hausverstand alleine reicht nicht aus"
Es gehe darum, "nötige und geeignete Flächen im Dialog mit der Landwirtschaft zu identifizieren", sagte Rafaela Schinegger vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der Boku. "Es braucht Sachverstand. Hausverstand alleine reicht nicht aus! Es braucht eine nationale Koordinationsstelle und eine Anschubfinanzierung." Die Ziele seien von der EU sehr hoch angesetzt, aber "Renaturierung zahlt sich aus - für den Mensch, für die Natur und die Gesellschaft". Bei jedem Euro, der in Renaturierung investiert werde, kämen im Schnitt zwölf Euro zurück, während es mehr als das Zehnfache kosten würde, wenn nichts getan werde.
Durchaus detailliert wurden die juristischen Fragen beleuchtet: Die Verordnung sei zwar "rechtlich bereits jetzt bindend", meinte Niederhuber, doch wie der nationale Wiederherstellungsplan, den zu erarbeiten Österreich zwei Jahre Zeit hat, konkret aussehen soll, sei "ein riesiges Föderalismusproblem". Der Wiederherstellungsplan müsse eine rechtliche Qualität bekommen, bei der Entscheidungen anfechtbar seien.
Daniel Ennöckl vom Institut für Rechtswissenschaften an der Boku, der von einer "EU-Verordnung mit direkt anwendbaren und bindenden Zielvorgaben" sprach, die den Weg den Mitgliedsstaaten weitgehend überlasse, hielt es für eine "spannende Frage", wer für den Entwicklungsplan zuständig sein werde. Die Einrichtung des Umweltbundesamts als Koordinationsstelle "wäre das Naheliegendste".
Im Umweltbundesamt sei man "gerüstet"
Helmut Gaugitsch, fachlicher Leiter des Bereichs Biologische Vielfalt im Umweltbundesamt, meldete sich in der anschließenden Publikumsdiskussion zu Wort und betonte, man verfüge über ausreichend Daten und sei gerüstet, um in die Umsetzung der Renaturierungsverordnung gehen zu können: "Wir wissen, was wo in welchem Ausmaß zu tun ist. Wir vom Umweltbundesamt sind bereit, unseren Beitrag zu leisten."
Ein erster Entwurf für den nationalen Wiederherstellungsplan mit Maßnahmen für den Zeitraum bis 2032 ist der Europäischen Kommission im zweiten Quartal 2026 zur Prüfung vorzulegen. Die Einarbeitung der darauf folgenden Rückmeldung durch die Kommission ist dann für 2027 vorgesehen.