"Pro-SAU" & Co: Im Mittelpunkt steht das Schwein
Zuchtsauen werden nicht nur in Österreich von einer Woche vor der Geburt bis etwa vier Wochen danach durchgehend im Kastenstand, einer Art engen Käfig, gehalten. Diese platz- und arbeitssparende Haltung senkt das Risiko, dass Ferkel von der Mutter erdrückt werden, wird aber aufgrund der faktischen Bewegungsunfähigkeit und Belastung der Tiere von vielen sehr kritisch gesehen.
Die 1. Tierhaltungsverordnung wurde daher 2012 novelliert. Künftig dürfen Mutterschweine nur mehr zeitweise in Kastenständen fixiert werden, eine Übergangsfrist für die neuen Bestimmungen wurde bis zum Jahr 2033 festgelegt. Ein 2014 gestartetes wissenschaftliches Forschungsprojekt hat nun die Aufgabe, die maximal zulässige Fixierungsdauer im Kastenstand bzw. die der kritische Lebensphase von Ferkeln sowie haltungstechnische und ökonomische Aspekte zu untersuchen. Bis 2018 sind Erkenntnisse zu liefern, welche dann auch in die Verordnung aufgenommen werden müssen.
Kooperation mit Praxis
Das Projekt ist an der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmeduni) angesiedelt und wird in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium, der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, den Landwirtschaftskammern, dem Verband der Schweinebauern, der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien durchgeführt. "Eingebunden sind auch ferkelerzeugende Betriebe in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark, nicht nur Lehr- und Forschungsgüter", erklärt Johannes Baumgartner vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz an der Vetmeduni.
Untersucht werden vier verschiedene Typen von Abferkelbuchten mit unterschiedlichen Fixationszeiten. "Von der Null-Fixierung bis zur Fixierung einen Tag vor dem errechneten Geburtstermin bis fünf Tage nach der Geburt", erklärt der Forscher gegenüber APA-Science. Ein limitierender Faktor ist der Platz: Auch wenn die vorgegebenen Größe einer Bucht im Rahmen der Verordnungsänderung von vier auf 5,5 m2 (ab 2033) angepasst wurde, so ist das für im Schnitt vierzehn Ferkel - "eine Sau wirft heute zwischen zehn und zwanzig Ferkeln" - nicht viel. Besonders in den ersten Lebenstagen sind die Verluste an Jungtieren am größten, so Baumgartner.
Weg von der dauerhaften Fixierung auch in Dänemark
Auch in einem der europäischen Hauptproduzentenländer von Ferkeln erfolgt in dieser Hinsicht gerade ein Umdenken. Dänemark will bis 2020 zehn Prozent der Muttersauen ebenfalls in Abferkelbuchten mit freier Bewegungsmöglichkeit halten, so Baumgartner.
In Österreich gibt es laut dem Verband Österreichischer Schweinebauern 2,8 Millionen Schweine, aufgeteilt auf 29.500 Betriebe. Etwa die Hälfte davon sind Ferkel erzeugende Anlagen. Die Zahl ist rückläufig: "1980 gab es noch 250.000 Betriebe bei relativ stabilen Tierzahlen", macht Baumgartner aufmerksam.
Zum Vergleich: Dänemark hat 5,6 Millionen Einwohner, aber 30 Millionen Schweine. Die Schweinezucht ist ein wesentlicher Faktor in der dänischen Exportwirtschaft. Das dänische Meat Research Institute kümmert sich auf innovative Weise darum, dass sowohl die Qualität des Fleisches als auch die Gewinnmargen der Mast- und Zuchtbetriebe stimmen, wie ein Augenschein vor Ort in dem Institut außerhalb von Kopenhagen zeigte.
Fleischforschung auf höchstem Niveau
Das Fleischforschungsinstitut, das im DTI, dem dänischen Institut für Technologie, angesiedelt ist, berät Schweinebauern in ganz Skandinavien hinsichtlich Automatisations-, Kapazitäts- und Qualitätsoptimierung. Forscher können dort unter Vorzeigebedingungen arbeiten. So besteht etwa die Möglichkeit, Keime unter realistischen Industriebedingungen zu testen. "Wie schnell verbreiten sich Salmonellen, wenn kontaminiertes Fleisch auf eine Maschine gelangt?", erläuterte Anette Granly Koch von der Abteilung Hygiene und Veredelung eine der untersuchten Fragestellungen.
"So ein 'Technikum' würden wir auch in Österreich brauchen", zeigte sich Christine Grabler von der Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) bei einem Besuch am Institut im Rahmen einer Studienreise des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research) begeistert. "Eine Pilotanlage für die Produktion unter Industriebedingungen, und die Möglichkeit diese Produktionsanlage auch experimentell kontaminieren zu können, fehlt der Lebensmittelforschung. Schließlich sind solche Kontaminationsversuche nur unter kontrollierten Bedingungen möglich, also in einer geschlossenen Anlage mit entsprechenden Vorrichtungen zur Desinfektion", so die Forscherin.
Geforscht wird unter anderem an Augmented Reality, welche beim raschen und effizienten Zerteilen von Fleischstücken zum Tragen kommen soll, und der Nachverfolgung von Fleischteilen durch Fotografien, welche die Oberflächentextur erfassen und in einen Zahlencode umwandeln. Auch werden im Labor Roboter für die Fleischindustrie sowie neue Maschinen, die in EU-Projekten entwickelt wurden, getestet. Entwickelt werden weiters funktionale Lebensmittel, so etwa Fleischaufstriche mit besonders viel Nährstoffgehalt etwa für ältere Personen.
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science